Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.XIII. Versuch. Ueber das Seelenwesen Seelenkräfte durch die Körperkräfte, welche bey einigenweiter gehet, als bey andern, je nachdem die Handlun- gen beschaffen sind und sich auf die thierischen Kräfte beziehen. Jn einigen macht die Fertigkeit im Körper so wenig aus, und kann so wenig allein die Bewegungs- reihen hervorbringen, als die Einbildungskraft Speisen verdauen kann. Hingegen richtet sie alsdenn, wenn uns etwas mechanisch geworden ist, mehr aus, niemals aber alles allein. Sollte die Reihe von Bewegungen, welche ein Spieler vornimmt, so völlig mechanisch wer- den können, daß er so automatisch wie Vaucansons Flö- tenspieler eine Aria hervorbrächte? Eben darum, weil der menschliche Körper zu so mannichfaltigen Bewegun- gen und Abänderungen aufgelegt ist, muß es nothwen- dig schwerer werden, daß eine gewisse bestimmte Rei- he von Bewegungen von einiger Länge, deren einzelne Theile nur zufällig verknüpft sind, sich so gänzlich ma- schinenmäßig fortsetze. Wenn z. B. einmal die Finger bey dem Spieler in die gehörige Lage gegen sein Jn- strument gebracht, und die Körperkräfte aufgezo- gen sind, so müßten die nachfolgenden Bewegungen durch die Organisation in ihrer bestimmten Ordnung hervorkommen. Dieß ist nicht zu erwarten, da es bey dem Menschen so leicht möglich ist, aus dieser Ordnung herauszukommen, und auf verwandte Bewegungen auszuschweifen. Hier sind, so zu sagen, der Kanäle und Gänge für die bewegende Kraft zu viele, als daß sie eine bestimmte Richtung treffen sollte. Es ist we- nigstens unwahrscheinlich, daß irgend eine unserer Kunst- fertigkeiten bis zu diesem Grade hin mechanisch werden könne. Wenn nicht von ganzen Reihen solcher zufällig asso- kürli-
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen Seelenkraͤfte durch die Koͤrperkraͤfte, welche bey einigenweiter gehet, als bey andern, je nachdem die Handlun- gen beſchaffen ſind und ſich auf die thieriſchen Kraͤfte beziehen. Jn einigen macht die Fertigkeit im Koͤrper ſo wenig aus, und kann ſo wenig allein die Bewegungs- reihen hervorbringen, als die Einbildungskraft Speiſen verdauen kann. Hingegen richtet ſie alsdenn, wenn uns etwas mechaniſch geworden iſt, mehr aus, niemals aber alles allein. Sollte die Reihe von Bewegungen, welche ein Spieler vornimmt, ſo voͤllig mechaniſch wer- den koͤnnen, daß er ſo automatiſch wie Vaucanſons Floͤ- tenſpieler eine Aria hervorbraͤchte? Eben darum, weil der menſchliche Koͤrper zu ſo mannichfaltigen Bewegun- gen und Abaͤnderungen aufgelegt iſt, muß es nothwen- dig ſchwerer werden, daß eine gewiſſe beſtimmte Rei- he von Bewegungen von einiger Laͤnge, deren einzelne Theile nur zufaͤllig verknuͤpft ſind, ſich ſo gaͤnzlich ma- ſchinenmaͤßig fortſetze. Wenn z. B. einmal die Finger bey dem Spieler in die gehoͤrige Lage gegen ſein Jn- ſtrument gebracht, und die Koͤrperkraͤfte aufgezo- gen ſind, ſo muͤßten die nachfolgenden Bewegungen durch die Organiſation in ihrer beſtimmten Ordnung hervorkommen. Dieß iſt nicht zu erwarten, da es bey dem Menſchen ſo leicht moͤglich iſt, aus dieſer Ordnung herauszukommen, und auf verwandte Bewegungen auszuſchweifen. Hier ſind, ſo zu ſagen, der Kanaͤle und Gaͤnge fuͤr die bewegende Kraft zu viele, als daß ſie eine beſtimmte Richtung treffen ſollte. Es iſt we- nigſtens unwahrſcheinlich, daß irgend eine unſerer Kunſt- fertigkeiten bis zu dieſem Grade hin mechaniſch werden koͤnne. Wenn nicht von ganzen Reihen ſolcher zufaͤllig aſſo- kuͤrli-
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XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
Seelenkraͤfte durch die Koͤrperkraͤfte, welche bey einigen
weiter gehet, als bey andern, je nachdem die Handlun-
gen beſchaffen ſind und ſich auf die thieriſchen Kraͤfte
beziehen. Jn einigen macht die Fertigkeit im Koͤrper
ſo wenig aus, und kann ſo wenig allein die Bewegungs-
reihen hervorbringen, als die Einbildungskraft Speiſen
verdauen kann. Hingegen richtet ſie alsdenn, wenn
uns etwas mechaniſch geworden iſt, mehr aus, niemals
aber alles allein. Sollte die Reihe von Bewegungen,
welche ein Spieler vornimmt, ſo voͤllig mechaniſch wer-
den koͤnnen, daß er ſo automatiſch wie Vaucanſons Floͤ-
tenſpieler eine Aria hervorbraͤchte? Eben darum, weil
der menſchliche Koͤrper zu ſo mannichfaltigen Bewegun-
gen und Abaͤnderungen aufgelegt iſt, muß es nothwen-
dig ſchwerer werden, daß eine gewiſſe beſtimmte Rei-
he von Bewegungen von einiger Laͤnge, deren einzelne
Theile nur zufaͤllig verknuͤpft ſind, ſich ſo gaͤnzlich ma-
ſchinenmaͤßig fortſetze. Wenn z. B. einmal die Finger
bey dem Spieler in die gehoͤrige Lage gegen ſein Jn-
ſtrument gebracht, und die Koͤrperkraͤfte aufgezo-
gen ſind, ſo muͤßten die nachfolgenden Bewegungen
durch die Organiſation in ihrer beſtimmten Ordnung
hervorkommen. Dieß iſt nicht zu erwarten, da es bey
dem Menſchen ſo leicht moͤglich iſt, aus dieſer Ordnung
herauszukommen, und auf verwandte Bewegungen
auszuſchweifen. Hier ſind, ſo zu ſagen, der Kanaͤle
und Gaͤnge fuͤr die bewegende Kraft zu viele, als daß
ſie eine beſtimmte Richtung treffen ſollte. Es iſt we-
nigſtens unwahrſcheinlich, daß irgend eine unſerer Kunſt-
fertigkeiten bis zu dieſem Grade hin mechaniſch werden
koͤnne.
Wenn nicht von ganzen Reihen ſolcher zufaͤllig aſſo-
ciirten Bewegungen, ſondern nur von einzelnen kleinen
Theilen in ihnen, die Rede iſt, ſo iſt es ein anders;
dieſe moͤgen auch noch aus zufaͤlligen und anfangs will-
kuͤrli-
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