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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
und Weh, die Glückseligkeit und die Unglückselig-
keit empfindender und denkender Wesen eine Grö-
ße hat, die | sich auf die innere Realität ihrer Natur
bezieht: wie ist diese Beziehung beschaffen, und
wie weit kann jene nach dieser geschätzet und gemessen
werden? Die Untersuchung über diese Fragen muß in
der That uns erst den wahren Werth zeigen, den man
den unterschiedenen Gestalten der entwickelten Mensch-
heit zuschreiben kann; und alsdenn auch den Werth,
die Wichtigkeit und das Verdienst der Menschenfreunde,
die sich bemühen, Kenntnisse, Sitten, Vernunft und
Tugend über das Geschlecht zu verbreiten, zu erheben
und zu befestigen. Jch sage den wahren Werth von
diesen; denn auch hier hat die Einbildungskraft nur zu
oft etwas Eitles, das bloß Schein ist, hinzugesetzt. Es
gehört dieß zu einem Theil der Anthropologie, aber eigent-
lich liegt es ganz außer der Geschichte der Menschheit.

Herr Verdier *) hat in seinen Beobachtungen über
die Perfektibilität des Menschen die Entwickelung von
einer andern Seite betrachtet, nämlich in so fern sie ei-
ne Wirkung von den äußern Ursachen und Umständen
ist, die auf den Menschen wirken. Die Absicht die-
ses Schriftstellers geht auf die praktischen Folgen, die
man daraus zu einer vollkommenen Erziehung herleiten
kann. Das Physische, oder die eigentliche Natur der
Entwickelung des Menschen ist zwar hier und da von
ihm berührt, und man |wird manche vortreffliche Be-
merkungen bey ihm finden, die hieher gehören; aber ei-
gentlich war es seine Sache nicht, dieß zu untersuchen.

Ueber-
*) Recueils de memoires & d' observations sur la per-
fectibilite de l'homme par les agens physiques &
par Mr. Verdier. Paris
1772 - 1775. Ob nach den
sechs Sammlungen, die ich gelesen, noch mehrere her-
ausgekommen sind, ist mir nicht bekannt.

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
und Weh, die Gluͤckſeligkeit und die Ungluͤckſelig-
keit empfindender und denkender Weſen eine Groͤ-
ße hat, die | ſich auf die innere Realitaͤt ihrer Natur
bezieht: wie iſt dieſe Beziehung beſchaffen, und
wie weit kann jene nach dieſer geſchaͤtzet und gemeſſen
werden? Die Unterſuchung uͤber dieſe Fragen muß in
der That uns erſt den wahren Werth zeigen, den man
den unterſchiedenen Geſtalten der entwickelten Menſch-
heit zuſchreiben kann; und alsdenn auch den Werth,
die Wichtigkeit und das Verdienſt der Menſchenfreunde,
die ſich bemuͤhen, Kenntniſſe, Sitten, Vernunft und
Tugend uͤber das Geſchlecht zu verbreiten, zu erheben
und zu befeſtigen. Jch ſage den wahren Werth von
dieſen; denn auch hier hat die Einbildungskraft nur zu
oft etwas Eitles, das bloß Schein iſt, hinzugeſetzt. Es
gehoͤrt dieß zu einem Theil der Anthropologie, aber eigent-
lich liegt es ganz außer der Geſchichte der Menſchheit.

Herr Verdier *) hat in ſeinen Beobachtungen uͤber
die Perfektibilitaͤt des Menſchen die Entwickelung von
einer andern Seite betrachtet, naͤmlich in ſo fern ſie ei-
ne Wirkung von den aͤußern Urſachen und Umſtaͤnden
iſt, die auf den Menſchen wirken. Die Abſicht die-
ſes Schriftſtellers geht auf die praktiſchen Folgen, die
man daraus zu einer vollkommenen Erziehung herleiten
kann. Das Phyſiſche, oder die eigentliche Natur der
Entwickelung des Menſchen iſt zwar hier und da von
ihm beruͤhrt, und man |wird manche vortreffliche Be-
merkungen bey ihm finden, die hieher gehoͤren; aber ei-
gentlich war es ſeine Sache nicht, dieß zu unterſuchen.

Ueber-
*) Recueils de memoires & d’ obſervations ſur la per-
fectibilité de l’homme par les agens phyſiques &
par Mr. Verdier. Paris
1772 - 1775. Ob nach den
ſechs Sammlungen, die ich geleſen, noch mehrere her-
ausgekommen ſind, iſt mir nicht bekannt.
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[372/0402] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt und Weh, die Gluͤckſeligkeit und die Ungluͤckſelig- keit empfindender und denkender Weſen eine Groͤ- ße hat, die | ſich auf die innere Realitaͤt ihrer Natur bezieht: wie iſt dieſe Beziehung beſchaffen, und wie weit kann jene nach dieſer geſchaͤtzet und gemeſſen werden? Die Unterſuchung uͤber dieſe Fragen muß in der That uns erſt den wahren Werth zeigen, den man den unterſchiedenen Geſtalten der entwickelten Menſch- heit zuſchreiben kann; und alsdenn auch den Werth, die Wichtigkeit und das Verdienſt der Menſchenfreunde, die ſich bemuͤhen, Kenntniſſe, Sitten, Vernunft und Tugend uͤber das Geſchlecht zu verbreiten, zu erheben und zu befeſtigen. Jch ſage den wahren Werth von dieſen; denn auch hier hat die Einbildungskraft nur zu oft etwas Eitles, das bloß Schein iſt, hinzugeſetzt. Es gehoͤrt dieß zu einem Theil der Anthropologie, aber eigent- lich liegt es ganz außer der Geſchichte der Menſchheit. Herr Verdier *) hat in ſeinen Beobachtungen uͤber die Perfektibilitaͤt des Menſchen die Entwickelung von einer andern Seite betrachtet, naͤmlich in ſo fern ſie ei- ne Wirkung von den aͤußern Urſachen und Umſtaͤnden iſt, die auf den Menſchen wirken. Die Abſicht die- ſes Schriftſtellers geht auf die praktiſchen Folgen, die man daraus zu einer vollkommenen Erziehung herleiten kann. Das Phyſiſche, oder die eigentliche Natur der Entwickelung des Menſchen iſt zwar hier und da von ihm beruͤhrt, und man |wird manche vortreffliche Be- merkungen bey ihm finden, die hieher gehoͤren; aber ei- gentlich war es ſeine Sache nicht, dieß zu unterſuchen. Ueber- *) Recueils de memoires & d’ obſervations ſur la per- fectibilité de l’homme par les agens phyſiques & par Mr. Verdier. Paris 1772 - 1775. Ob nach den ſechs Sammlungen, die ich geleſen, noch mehrere her- ausgekommen ſind, iſt mir nicht bekannt.

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/402>, abgerufen am 22.11.2024.