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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
der Bienen? Mich deucht, dieß ist erklärt, sobald
Hr. von Buffon hinzusetzet, was ein Vertheidiger sei-
ner Meinung als eine Folge ansehen könnte, die aus
seinen Grundsätzen von selbst fließet, daß eben diese neuen
Theile aus einer Verbindung von einem Theile des Va-
ters und einem Theile der Mutter entstehen, welche die-
sen letztern, einzeln genommen, nicht ähnlich, sondern
ein mittleres Ganzes sind, so etwas, als die Diagonalbe-
wegung in Beziehung auf die Seitenbewegungen ist,
woraus sie entstehet.

Doch hierauf will ich mich nicht einlassen. Nur ei-
nen Vorwurf muß ich berühren, weil der Begriff von
der organischen Konkretion dadurch aufgekläret
wird. Wie kann nämlich in die Mischung der Saa-
men, nach der buffonischen Jdee, ein Extrakt von
einem Theil des Körpers hinkommen, der dem organi-
sirten Ganzen fehlet? Wie kann der Hottentott Kin-
der mit zwo Hoden erzeugen? und Eltern, denen Ar-
me und Beine fehlen, ein Kind mit vollständigen Glied-
maßen?

Die Antwort hierauf ergiebet sich, so bald man den
Unterschied zwischen dem unmittelbaren und mittel-
baren Einflusse
macht. Jeder Theil im Körper wir-
ket auf die Theile zu, die nach dem Mittelpunkt hinge-
hen, wo die abgesonderten und bildenden Säfte zusammen-
kommen. Dieser Mittelpunkt ist in den Organen der
Zeugung. Aber nicht jeder Theil des Körpers wirket
auf diese Stelle unmittelbar. Jst also die Organisation
in den Zeugungstheilen einmal festgesetzt; laufen die
Fibern aus den übrigen Theilen des Körpers auf eine ge-
wisse Weise dahin zusammen, und führen sie in einer ge-
wissen Richtung die Säfte dahin: so kann die Lage die-
ser innern unmittelbar bildenden Theile wohl dieselbige
bleiben, wenn gleich ihre äußerlichen Enden abgeschnitten
sind. Fehlet der Fuß: so wird dadurch in den Zeu-

gungs-

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
der Bienen? Mich deucht, dieß iſt erklaͤrt, ſobald
Hr. von Buffon hinzuſetzet, was ein Vertheidiger ſei-
ner Meinung als eine Folge anſehen koͤnnte, die aus
ſeinen Grundſaͤtzen von ſelbſt fließet, daß eben dieſe neuen
Theile aus einer Verbindung von einem Theile des Va-
ters und einem Theile der Mutter entſtehen, welche die-
ſen letztern, einzeln genommen, nicht aͤhnlich, ſondern
ein mittleres Ganzes ſind, ſo etwas, als die Diagonalbe-
wegung in Beziehung auf die Seitenbewegungen iſt,
woraus ſie entſtehet.

Doch hierauf will ich mich nicht einlaſſen. Nur ei-
nen Vorwurf muß ich beruͤhren, weil der Begriff von
der organiſchen Konkretion dadurch aufgeklaͤret
wird. Wie kann naͤmlich in die Miſchung der Saa-
men, nach der buffoniſchen Jdee, ein Extrakt von
einem Theil des Koͤrpers hinkommen, der dem organi-
ſirten Ganzen fehlet? Wie kann der Hottentott Kin-
der mit zwo Hoden erzeugen? und Eltern, denen Ar-
me und Beine fehlen, ein Kind mit vollſtaͤndigen Glied-
maßen?

Die Antwort hierauf ergiebet ſich, ſo bald man den
Unterſchied zwiſchen dem unmittelbaren und mittel-
baren Einfluſſe
macht. Jeder Theil im Koͤrper wir-
ket auf die Theile zu, die nach dem Mittelpunkt hinge-
hen, wo die abgeſonderten und bildenden Saͤfte zuſammen-
kommen. Dieſer Mittelpunkt iſt in den Organen der
Zeugung. Aber nicht jeder Theil des Koͤrpers wirket
auf dieſe Stelle unmittelbar. Jſt alſo die Organiſation
in den Zeugungstheilen einmal feſtgeſetzt; laufen die
Fibern aus den uͤbrigen Theilen des Koͤrpers auf eine ge-
wiſſe Weiſe dahin zuſammen, und fuͤhren ſie in einer ge-
wiſſen Richtung die Saͤfte dahin: ſo kann die Lage die-
ſer innern unmittelbar bildenden Theile wohl dieſelbige
bleiben, wenn gleich ihre aͤußerlichen Enden abgeſchnitten
ſind. Fehlet der Fuß: ſo wird dadurch in den Zeu-

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[468/0498] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt der Bienen? Mich deucht, dieß iſt erklaͤrt, ſobald Hr. von Buffon hinzuſetzet, was ein Vertheidiger ſei- ner Meinung als eine Folge anſehen koͤnnte, die aus ſeinen Grundſaͤtzen von ſelbſt fließet, daß eben dieſe neuen Theile aus einer Verbindung von einem Theile des Va- ters und einem Theile der Mutter entſtehen, welche die- ſen letztern, einzeln genommen, nicht aͤhnlich, ſondern ein mittleres Ganzes ſind, ſo etwas, als die Diagonalbe- wegung in Beziehung auf die Seitenbewegungen iſt, woraus ſie entſtehet. Doch hierauf will ich mich nicht einlaſſen. Nur ei- nen Vorwurf muß ich beruͤhren, weil der Begriff von der organiſchen Konkretion dadurch aufgeklaͤret wird. Wie kann naͤmlich in die Miſchung der Saa- men, nach der buffoniſchen Jdee, ein Extrakt von einem Theil des Koͤrpers hinkommen, der dem organi- ſirten Ganzen fehlet? Wie kann der Hottentott Kin- der mit zwo Hoden erzeugen? und Eltern, denen Ar- me und Beine fehlen, ein Kind mit vollſtaͤndigen Glied- maßen? Die Antwort hierauf ergiebet ſich, ſo bald man den Unterſchied zwiſchen dem unmittelbaren und mittel- baren Einfluſſe macht. Jeder Theil im Koͤrper wir- ket auf die Theile zu, die nach dem Mittelpunkt hinge- hen, wo die abgeſonderten und bildenden Saͤfte zuſammen- kommen. Dieſer Mittelpunkt iſt in den Organen der Zeugung. Aber nicht jeder Theil des Koͤrpers wirket auf dieſe Stelle unmittelbar. Jſt alſo die Organiſation in den Zeugungstheilen einmal feſtgeſetzt; laufen die Fibern aus den uͤbrigen Theilen des Koͤrpers auf eine ge- wiſſe Weiſe dahin zuſammen, und fuͤhren ſie in einer ge- wiſſen Richtung die Saͤfte dahin: ſo kann die Lage die- ſer innern unmittelbar bildenden Theile wohl dieſelbige bleiben, wenn gleich ihre aͤußerlichen Enden abgeſchnitten ſind. Fehlet der Fuß: ſo wird dadurch in den Zeu- gungs-

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/498>, abgerufen am 29.06.2024.