Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite
und Entwickelung des Menschen.

Die hervortretenden Säfte mögen nun schon zu-
gleich die neuen Formen selbst seyn, da sie in bestimm-
ten Richtungen, in bestimmter Menge und mit der Ge-
schwindigkeit heraustreten, wies die Form des Keims,
die Figur und Bildung an der Stelle, wo sie sich als
an einer Basis| anlegen, das ist, die Figur und Bil-
dung des Vegetationspunkts, ingleichen die Kraft
des Keims und die Beschaffenheit der Säfte selbst mit
sich bringt; oder sie mögen anfangs excernirt, und dar-
auf erst organisirt werden: so kann beides auf eine sol-
che Art geschehen, daß der vorige Umfang des präexi-
stirenden Keims nicht ausgedehnet und erweitert wird.
Alsdenn findet eine Apposition Statt. So stellte
sich Wolf zuerst das Anwachsen in dem Embryon und
die Excretion der Säfte in den neuen Blättern zum
Theil vor. Er änderte aber nachher seine Meinung. *)

Der große dänische Naturkündiger Hr. Etatsrath
Müller behauptet, daß der Anwachs der Schnecken-
häuser auf diese Art geschehe. **)

Der wesentliche Grundsatz, der das System der
Evolution und der Epigenesis unterscheidet, ist die
Entstehung neuer Formen, die in jenem geläugnet, in
diesem behauptet wird. Es giebt eine andere Jdee von
der Evolution, die einige für die allgemeine Evolution
angesehen haben, welche sich sehr wohl mit der Epige-
nesis vereinigen läßt.

Wenn die neue Form, der neue Sproß, der Theil,
oder das Gefäs, in dem Jnnern des Keims, unter der
Oberfläche desselben bereitet wird, und nicht heraustritt,
ohne diese Oberfläche zu dehnen und mit sich zu neh-

men,
*) §. 240. Nov. th. gener. §. 228. Schol. edit. nov.
1774.
**) S. die Vorrede zum Vol. II. der Histor. vermium
terr.
S. XXV.
II Theil. J i
und Entwickelung des Menſchen.

Die hervortretenden Saͤfte moͤgen nun ſchon zu-
gleich die neuen Formen ſelbſt ſeyn, da ſie in beſtimm-
ten Richtungen, in beſtimmter Menge und mit der Ge-
ſchwindigkeit heraustreten, wies die Form des Keims,
die Figur und Bildung an der Stelle, wo ſie ſich als
an einer Baſis| anlegen, das iſt, die Figur und Bil-
dung des Vegetationspunkts, ingleichen die Kraft
des Keims und die Beſchaffenheit der Saͤfte ſelbſt mit
ſich bringt; oder ſie moͤgen anfangs excernirt, und dar-
auf erſt organiſirt werden: ſo kann beides auf eine ſol-
che Art geſchehen, daß der vorige Umfang des praͤexi-
ſtirenden Keims nicht ausgedehnet und erweitert wird.
Alsdenn findet eine Appoſition Statt. So ſtellte
ſich Wolf zuerſt das Anwachſen in dem Embryon und
die Excretion der Saͤfte in den neuen Blaͤttern zum
Theil vor. Er aͤnderte aber nachher ſeine Meinung. *)

Der große daͤniſche Naturkuͤndiger Hr. Etatsrath
Muͤller behauptet, daß der Anwachs der Schnecken-
haͤuſer auf dieſe Art geſchehe. **)

Der weſentliche Grundſatz, der das Syſtem der
Evolution und der Epigeneſis unterſcheidet, iſt die
Entſtehung neuer Formen, die in jenem gelaͤugnet, in
dieſem behauptet wird. Es giebt eine andere Jdee von
der Evolution, die einige fuͤr die allgemeine Evolution
angeſehen haben, welche ſich ſehr wohl mit der Epige-
neſis vereinigen laͤßt.

Wenn die neue Form, der neue Sproß, der Theil,
oder das Gefaͤs, in dem Jnnern des Keims, unter der
Oberflaͤche deſſelben bereitet wird, und nicht heraustritt,
ohne dieſe Oberflaͤche zu dehnen und mit ſich zu neh-

men,
*) §. 240. Nov. th. gener. §. 228. Schol. edit. nov.
1774.
**) S. die Vorrede zum Vol. II. der Hiſtor. vermium
terr.
S. XXV.
II Theil. J i
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0527" n="497"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und Entwickelung des Men&#x017F;chen.</hi> </fw><lb/>
              <p>Die hervortretenden Sa&#x0364;fte mo&#x0364;gen nun &#x017F;chon zu-<lb/>
gleich die neuen Formen &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eyn, da &#x017F;ie in be&#x017F;timm-<lb/>
ten Richtungen, in be&#x017F;timmter Menge und mit der Ge-<lb/>
&#x017F;chwindigkeit heraustreten, wies die Form des Keims,<lb/>
die Figur und Bildung an der Stelle, wo &#x017F;ie &#x017F;ich als<lb/>
an einer Ba&#x017F;is| anlegen, das i&#x017F;t, die Figur und Bil-<lb/>
dung des <hi rendition="#fr">Vegetationspunkts,</hi> ingleichen die Kraft<lb/>
des Keims und die Be&#x017F;chaffenheit der Sa&#x0364;fte &#x017F;elb&#x017F;t mit<lb/>
&#x017F;ich bringt; oder &#x017F;ie mo&#x0364;gen anfangs excernirt, und dar-<lb/>
auf er&#x017F;t organi&#x017F;irt werden: &#x017F;o kann beides auf eine &#x017F;ol-<lb/>
che Art ge&#x017F;chehen, daß der vorige Umfang des pra&#x0364;exi-<lb/>
&#x017F;tirenden Keims nicht ausgedehnet und erweitert wird.<lb/>
Alsdenn findet eine <hi rendition="#fr">Appo&#x017F;ition</hi> Statt. So &#x017F;tellte<lb/>
&#x017F;ich <hi rendition="#fr">Wolf</hi> zuer&#x017F;t das Anwach&#x017F;en in dem Embryon und<lb/>
die Excretion der Sa&#x0364;fte in den neuen Bla&#x0364;ttern zum<lb/>
Theil vor. Er a&#x0364;nderte aber nachher &#x017F;eine Meinung. <note place="foot" n="*)">§. 240. <hi rendition="#aq">Nov. th. gener. §. 228. Schol. edit. nov.</hi><lb/>
1774.</note></p><lb/>
              <p>Der große da&#x0364;ni&#x017F;che Naturku&#x0364;ndiger Hr. Etatsrath<lb/><hi rendition="#fr">Mu&#x0364;ller</hi> behauptet, daß der Anwachs der Schnecken-<lb/>
ha&#x0364;u&#x017F;er auf die&#x017F;e Art ge&#x017F;chehe. <note place="foot" n="**)">S. die Vorrede zum <hi rendition="#aq">Vol. II.</hi> der <hi rendition="#aq">Hi&#x017F;tor. vermium<lb/>
terr.</hi> S. <hi rendition="#aq">XXV.</hi></note></p><lb/>
              <p>Der we&#x017F;entliche Grund&#x017F;atz, der das Sy&#x017F;tem der<lb/><hi rendition="#fr">Evolution</hi> und der <hi rendition="#fr">Epigene&#x017F;is</hi> unter&#x017F;cheidet, i&#x017F;t die<lb/>
Ent&#x017F;tehung neuer Formen, die in jenem gela&#x0364;ugnet, in<lb/>
die&#x017F;em behauptet wird. Es giebt eine andere Jdee von<lb/>
der Evolution, die einige fu&#x0364;r die allgemeine Evolution<lb/>
ange&#x017F;ehen haben, welche &#x017F;ich &#x017F;ehr wohl mit der Epige-<lb/>
ne&#x017F;is vereinigen la&#x0364;ßt.</p><lb/>
              <p>Wenn die neue Form, der neue Sproß, der Theil,<lb/>
oder das Gefa&#x0364;s, in dem Jnnern des Keims, unter der<lb/>
Oberfla&#x0364;che de&#x017F;&#x017F;elben bereitet wird, und nicht heraustritt,<lb/>
ohne die&#x017F;e Oberfla&#x0364;che zu dehnen und mit &#x017F;ich zu neh-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi><hi rendition="#fr">Theil.</hi> J i</fw><fw place="bottom" type="catch">men,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[497/0527] und Entwickelung des Menſchen. Die hervortretenden Saͤfte moͤgen nun ſchon zu- gleich die neuen Formen ſelbſt ſeyn, da ſie in beſtimm- ten Richtungen, in beſtimmter Menge und mit der Ge- ſchwindigkeit heraustreten, wies die Form des Keims, die Figur und Bildung an der Stelle, wo ſie ſich als an einer Baſis| anlegen, das iſt, die Figur und Bil- dung des Vegetationspunkts, ingleichen die Kraft des Keims und die Beſchaffenheit der Saͤfte ſelbſt mit ſich bringt; oder ſie moͤgen anfangs excernirt, und dar- auf erſt organiſirt werden: ſo kann beides auf eine ſol- che Art geſchehen, daß der vorige Umfang des praͤexi- ſtirenden Keims nicht ausgedehnet und erweitert wird. Alsdenn findet eine Appoſition Statt. So ſtellte ſich Wolf zuerſt das Anwachſen in dem Embryon und die Excretion der Saͤfte in den neuen Blaͤttern zum Theil vor. Er aͤnderte aber nachher ſeine Meinung. *) Der große daͤniſche Naturkuͤndiger Hr. Etatsrath Muͤller behauptet, daß der Anwachs der Schnecken- haͤuſer auf dieſe Art geſchehe. **) Der weſentliche Grundſatz, der das Syſtem der Evolution und der Epigeneſis unterſcheidet, iſt die Entſtehung neuer Formen, die in jenem gelaͤugnet, in dieſem behauptet wird. Es giebt eine andere Jdee von der Evolution, die einige fuͤr die allgemeine Evolution angeſehen haben, welche ſich ſehr wohl mit der Epige- neſis vereinigen laͤßt. Wenn die neue Form, der neue Sproß, der Theil, oder das Gefaͤs, in dem Jnnern des Keims, unter der Oberflaͤche deſſelben bereitet wird, und nicht heraustritt, ohne dieſe Oberflaͤche zu dehnen und mit ſich zu neh- men, *) §. 240. Nov. th. gener. §. 228. Schol. edit. nov. 1774. **) S. die Vorrede zum Vol. II. der Hiſtor. vermium terr. S. XXV. II Theil. J i

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/527
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/527>, abgerufen am 22.11.2024.