bey andern Gattungen durch eine merkbare Zeitfolge ge- trennet sind.
Zuerst wird ein Keim, oder eine Anlage, bereitet, die aber unvollständig ist. Dieß ist der unbefruchte- te Keim oder Saame, von dem die Naturforscher es aus- machen mögen, ob er in dem Weibchen oder in dem Männchen vorhanden sey? Jenes haben sie durch eine große Jnduktion wahrscheinlich gemacht.
Die erste Anlage entstehet durch die Vereinigung der sich entwickelnden und dazu vorher gebildeten Fibern, Theile, Gefäße, in einem entwickelten organischen Kör- per. Wenn es Eyer in Eyern wie Zwiebeln in Zwie- beln giebt, so sieht man, daß eine völlige Entwicke- lung eines Körpers nicht nöthig sey, um in sich eine Anlage zu einem neuen Keim zu bilden. Es braucht keines besondern Keims zu dieser ersten Anlage des neuen Keims. Was in der Reproduktion, als wel- che eine neue Erzeugung ist, vorgeht, kann uns zum Beyspiel für die übrigen dienen. Da nämlich, wo ein Theil abgeschnitten ist, vereinigen sich die Gefäße, es entstehet ein Wulst, ein Hübelchen, ein Knöpfchen, wie Hr. Bonnet es deutlich und genau gesehen und beschrie- ben hat. *) Dieser Wulst, dieß Hübelchen ist mehr als eine bloße Ausdehnung und Entwickelung vorherda- seyender Fibern. Es enthält schon eine neue Verbindung derselben, und ist in so fern eine neue Form. Der ganze Grund zur Bildung dieses Anfangs ist vertheilt durch alle Fibern, Saftdrüsen, Gefäße, welche diese Vereinigung bewirken. Aber einige von den sich verei- nigenden Gefäßen haben ohne Zweifel mehr als andere Antheil an dem ganzen formenden Grunde. Hr. Bon- net hat richtig bemerkt, daß die neuen Anwüchse keine Verlängerungen des abgeschnittenen Strunks sind, son-
dern
*) a. a. O. zweet. Th. Art. 245. 246.
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und Entwickelung des Menſchen.
bey andern Gattungen durch eine merkbare Zeitfolge ge- trennet ſind.
Zuerſt wird ein Keim, oder eine Anlage, bereitet, die aber unvollſtaͤndig iſt. Dieß iſt der unbefruchte- te Keim oder Saame, von dem die Naturforſcher es aus- machen moͤgen, ob er in dem Weibchen oder in dem Maͤnnchen vorhanden ſey? Jenes haben ſie durch eine große Jnduktion wahrſcheinlich gemacht.
Die erſte Anlage entſtehet durch die Vereinigung der ſich entwickelnden und dazu vorher gebildeten Fibern, Theile, Gefaͤße, in einem entwickelten organiſchen Koͤr- per. Wenn es Eyer in Eyern wie Zwiebeln in Zwie- beln giebt, ſo ſieht man, daß eine voͤllige Entwicke- lung eines Koͤrpers nicht noͤthig ſey, um in ſich eine Anlage zu einem neuen Keim zu bilden. Es braucht keines beſondern Keims zu dieſer erſten Anlage des neuen Keims. Was in der Reproduktion, als wel- che eine neue Erzeugung iſt, vorgeht, kann uns zum Beyſpiel fuͤr die uͤbrigen dienen. Da naͤmlich, wo ein Theil abgeſchnitten iſt, vereinigen ſich die Gefaͤße, es entſtehet ein Wulſt, ein Huͤbelchen, ein Knoͤpfchen, wie Hr. Bonnet es deutlich und genau geſehen und beſchrie- ben hat. *) Dieſer Wulſt, dieß Huͤbelchen iſt mehr als eine bloße Ausdehnung und Entwickelung vorherda- ſeyender Fibern. Es enthaͤlt ſchon eine neue Verbindung derſelben, und iſt in ſo fern eine neue Form. Der ganze Grund zur Bildung dieſes Anfangs iſt vertheilt durch alle Fibern, Saftdruͤſen, Gefaͤße, welche dieſe Vereinigung bewirken. Aber einige von den ſich verei- nigenden Gefaͤßen haben ohne Zweifel mehr als andere Antheil an dem ganzen formenden Grunde. Hr. Bon- net hat richtig bemerkt, daß die neuen Anwuͤchſe keine Verlaͤngerungen des abgeſchnittenen Strunks ſind, ſon-
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*) a. a. O. zweet. Th. Art. 245. 246.
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und Entwickelung des Menſchen.
bey andern Gattungen durch eine merkbare Zeitfolge ge-
trennet ſind.
Zuerſt wird ein Keim, oder eine Anlage, bereitet,
die aber unvollſtaͤndig iſt. Dieß iſt der unbefruchte-
te Keim oder Saame, von dem die Naturforſcher es aus-
machen moͤgen, ob er in dem Weibchen oder in dem
Maͤnnchen vorhanden ſey? Jenes haben ſie durch eine
große Jnduktion wahrſcheinlich gemacht.
Die erſte Anlage entſtehet durch die Vereinigung
der ſich entwickelnden und dazu vorher gebildeten Fibern,
Theile, Gefaͤße, in einem entwickelten organiſchen Koͤr-
per. Wenn es Eyer in Eyern wie Zwiebeln in Zwie-
beln giebt, ſo ſieht man, daß eine voͤllige Entwicke-
lung eines Koͤrpers nicht noͤthig ſey, um in ſich eine
Anlage zu einem neuen Keim zu bilden. Es braucht
keines beſondern Keims zu dieſer erſten Anlage des
neuen Keims. Was in der Reproduktion, als wel-
che eine neue Erzeugung iſt, vorgeht, kann uns zum
Beyſpiel fuͤr die uͤbrigen dienen. Da naͤmlich, wo ein
Theil abgeſchnitten iſt, vereinigen ſich die Gefaͤße, es
entſtehet ein Wulſt, ein Huͤbelchen, ein Knoͤpfchen, wie
Hr. Bonnet es deutlich und genau geſehen und beſchrie-
ben hat. *) Dieſer Wulſt, dieß Huͤbelchen iſt mehr als
eine bloße Ausdehnung und Entwickelung vorherda-
ſeyender Fibern. Es enthaͤlt ſchon eine neue Verbindung
derſelben, und iſt in ſo fern eine neue Form. Der
ganze Grund zur Bildung dieſes Anfangs iſt vertheilt
durch alle Fibern, Saftdruͤſen, Gefaͤße, welche dieſe
Vereinigung bewirken. Aber einige von den ſich verei-
nigenden Gefaͤßen haben ohne Zweifel mehr als andere
Antheil an dem ganzen formenden Grunde. Hr. Bon-
net hat richtig bemerkt, daß die neuen Anwuͤchſe keine
Verlaͤngerungen des abgeſchnittenen Strunks ſind, ſon-
dern
*) a. a. O. zweet. Th. Art. 245. 246.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/565>, abgerufen am 22.11.2024.
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