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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
und Richtung erhalten werden, willkürlich, durch die
Kraft der Seele, die zu solchen Wirkungen gewiß nicht
geschickt seyn kann ohne besondere innere Stärke und
Selbstmacht über sich, um sich in sich selbst zu fassen
und außer sich in dem Körper überall gegenwärtig zu
seyn. Jn dieser innern Größe an Seelenvermögen be-
steht die innere Realität der Künste. Einige sind frey-
lich mehr körperlich, mehr bloß organisch, die aber den-
noch, wie erinnert worden, Seelenfertigkeiten erfodern.
Aber in andern, die als Künste und schöne Künste
von den mechanischen unterschieden werden, ist die
große Feinheit und Deutlichkeit der Jdeen ein wichtiger
wesentlicher Bestandtheil. Die Fertigkeit des Seiltän-
zers und des Schwimmers enthält beides, eine organi-
sche Association von körperlichen Bewegungen und Jdeen-
reihen. Nur sind die letztern weder so lebhaft, noch so
auseinandergesetzt, als diejenigen, die der Virtuose in
der Musik gegenwärtig haben und behalten muß. Dar-
aus folget auch, daß wenn eine Rangordnung in den
Künsten gemacht werden sollte, die ihrem innern Ver-
hältnisse entspräche, so müßte auf die Größe des gei-
stigen Antheils
in ihnen gesehen werden. Je mehr
der Geschmack aufgeklärt ist, desto mehr richtet sich auch
das Vergnügen, das man aus ihnen hat, nach eben
dieser Größe der Seelenthätigkeit in ihnen. Und dann
wird auch das Urtheil von ihrem Werth diesem ange-
messener. Es sollte es wenigstens seyn, wenn nicht auf
andere Umstände gesehen werden muß. Die Seltenheit
es zu haben, erhöhet den Werth des an sich mindern
Vergnügens. Und bey den mechanischen Künsten
giebt ihre Nothwendigkeit ihnen einen Werth, der sie,
im Ganzen betrachtet, weit wichtiger macht als die
schönen.

5. Aber

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
und Richtung erhalten werden, willkuͤrlich, durch die
Kraft der Seele, die zu ſolchen Wirkungen gewiß nicht
geſchickt ſeyn kann ohne beſondere innere Staͤrke und
Selbſtmacht uͤber ſich, um ſich in ſich ſelbſt zu faſſen
und außer ſich in dem Koͤrper uͤberall gegenwaͤrtig zu
ſeyn. Jn dieſer innern Groͤße an Seelenvermoͤgen be-
ſteht die innere Realitaͤt der Kuͤnſte. Einige ſind frey-
lich mehr koͤrperlich, mehr bloß organiſch, die aber den-
noch, wie erinnert worden, Seelenfertigkeiten erfodern.
Aber in andern, die als Kuͤnſte und ſchoͤne Kuͤnſte
von den mechaniſchen unterſchieden werden, iſt die
große Feinheit und Deutlichkeit der Jdeen ein wichtiger
weſentlicher Beſtandtheil. Die Fertigkeit des Seiltaͤn-
zers und des Schwimmers enthaͤlt beides, eine organi-
ſche Aſſociation von koͤrperlichen Bewegungen und Jdeen-
reihen. Nur ſind die letztern weder ſo lebhaft, noch ſo
auseinandergeſetzt, als diejenigen, die der Virtuoſe in
der Muſik gegenwaͤrtig haben und behalten muß. Dar-
aus folget auch, daß wenn eine Rangordnung in den
Kuͤnſten gemacht werden ſollte, die ihrem innern Ver-
haͤltniſſe entſpraͤche, ſo muͤßte auf die Groͤße des gei-
ſtigen Antheils
in ihnen geſehen werden. Je mehr
der Geſchmack aufgeklaͤrt iſt, deſto mehr richtet ſich auch
das Vergnuͤgen, das man aus ihnen hat, nach eben
dieſer Groͤße der Seelenthaͤtigkeit in ihnen. Und dann
wird auch das Urtheil von ihrem Werth dieſem ange-
meſſener. Es ſollte es wenigſtens ſeyn, wenn nicht auf
andere Umſtaͤnde geſehen werden muß. Die Seltenheit
es zu haben, erhoͤhet den Werth des an ſich mindern
Vergnuͤgens. Und bey den mechaniſchen Kuͤnſten
giebt ihre Nothwendigkeit ihnen einen Werth, der ſie,
im Ganzen betrachtet, weit wichtiger macht als die
ſchoͤnen.

5. Aber
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[648/0678] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt und Richtung erhalten werden, willkuͤrlich, durch die Kraft der Seele, die zu ſolchen Wirkungen gewiß nicht geſchickt ſeyn kann ohne beſondere innere Staͤrke und Selbſtmacht uͤber ſich, um ſich in ſich ſelbſt zu faſſen und außer ſich in dem Koͤrper uͤberall gegenwaͤrtig zu ſeyn. Jn dieſer innern Groͤße an Seelenvermoͤgen be- ſteht die innere Realitaͤt der Kuͤnſte. Einige ſind frey- lich mehr koͤrperlich, mehr bloß organiſch, die aber den- noch, wie erinnert worden, Seelenfertigkeiten erfodern. Aber in andern, die als Kuͤnſte und ſchoͤne Kuͤnſte von den mechaniſchen unterſchieden werden, iſt die große Feinheit und Deutlichkeit der Jdeen ein wichtiger weſentlicher Beſtandtheil. Die Fertigkeit des Seiltaͤn- zers und des Schwimmers enthaͤlt beides, eine organi- ſche Aſſociation von koͤrperlichen Bewegungen und Jdeen- reihen. Nur ſind die letztern weder ſo lebhaft, noch ſo auseinandergeſetzt, als diejenigen, die der Virtuoſe in der Muſik gegenwaͤrtig haben und behalten muß. Dar- aus folget auch, daß wenn eine Rangordnung in den Kuͤnſten gemacht werden ſollte, die ihrem innern Ver- haͤltniſſe entſpraͤche, ſo muͤßte auf die Groͤße des gei- ſtigen Antheils in ihnen geſehen werden. Je mehr der Geſchmack aufgeklaͤrt iſt, deſto mehr richtet ſich auch das Vergnuͤgen, das man aus ihnen hat, nach eben dieſer Groͤße der Seelenthaͤtigkeit in ihnen. Und dann wird auch das Urtheil von ihrem Werth dieſem ange- meſſener. Es ſollte es wenigſtens ſeyn, wenn nicht auf andere Umſtaͤnde geſehen werden muß. Die Seltenheit es zu haben, erhoͤhet den Werth des an ſich mindern Vergnuͤgens. Und bey den mechaniſchen Kuͤnſten giebt ihre Nothwendigkeit ihnen einen Werth, der ſie, im Ganzen betrachtet, weit wichtiger macht als die ſchoͤnen. 5. Aber

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/678>, abgerufen am 25.11.2024.