ten und Faßungen des Gemüths werden. Die Kennt- niß hat also, außer ihrem theoretischen Nutzen, den sie darinn leistet, daß sie zur Einsicht anderer Dinge dien- lich ist, auch noch die unmittelbare praktische Wir- kung, daß sie die Summe des Vergnügens oder des Verdrusses vermehret; und dann die mittelbare, daß, da sie Furcht oder Hoffnung, Muth oder Niederschla- genheit, giebet, zur Wirksamkeit reizet und die innere Vervollkommnung der Seele befördert.
Ein Theil von diesen Wirkungen und Folgen be- ruhet darauf, daß die Kenntniß eine Kenntniß von be- stimmten Sachen ist. Ein anderer aber, und beson- ders ihr Einfluß auf die Ausbildung der Verstandeskräf- te, hat nicht sowohl darinnen seinen Grund, daß wir uns gewisse Gegenstände vorstellen, als vielmehr in den zugleich erhaltenen Vorstellungen von den Denkarten und Denkthätigkeiten, wodurch die Vermögen der Ver- standskraft zu Fertigkeiten erhoben werden. Daher ist es leicht zu erklären, wie die Erhöhung und Ausbildung des Verstandes, und die Vermehrung und Aufhäu- fung von Gelehrsamkeit, zwey unterschiedene Dinge sind, die nicht öfters in einem gleichen Verhältnisse ne- ben einander gehen. Es giebt eine Grenze, über wel- che hinaus der Kopf mit gelehrter Kenntniß überladen wird. Alsdenn leidet der natürliche Menschenverstand durch die zu große Aufsammlung von Jdeen im Ge- dächtniß, und wird mehr davon geschwächt als gestär- ket. Die Menge der Vorstellungen schadet der Deut- lichkeit und Ordnung, und die übertriebene Begierde nach Sachkenntnissen wird eine Veranlassung, daß die zurückbleibenden Spuren von den Denkarten, das ist, die Vorstellungen von den Aktionen der Kräfte, weniger bearbeitet, und also die Kräfte selbst weniger entwickelt und gestärket werden. Schulwitz kann den Mutterwitz schwächen.
Wenn
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und Entwickelung des Menſchen.
ten und Faßungen des Gemuͤths werden. Die Kennt- niß hat alſo, außer ihrem theoretiſchen Nutzen, den ſie darinn leiſtet, daß ſie zur Einſicht anderer Dinge dien- lich iſt, auch noch die unmittelbare praktiſche Wir- kung, daß ſie die Summe des Vergnuͤgens oder des Verdruſſes vermehret; und dann die mittelbare, daß, da ſie Furcht oder Hoffnung, Muth oder Niederſchla- genheit, giebet, zur Wirkſamkeit reizet und die innere Vervollkommnung der Seele befoͤrdert.
Ein Theil von dieſen Wirkungen und Folgen be- ruhet darauf, daß die Kenntniß eine Kenntniß von be- ſtimmten Sachen iſt. Ein anderer aber, und beſon- ders ihr Einfluß auf die Ausbildung der Verſtandeskraͤf- te, hat nicht ſowohl darinnen ſeinen Grund, daß wir uns gewiſſe Gegenſtaͤnde vorſtellen, als vielmehr in den zugleich erhaltenen Vorſtellungen von den Denkarten und Denkthaͤtigkeiten, wodurch die Vermoͤgen der Ver- ſtandskraft zu Fertigkeiten erhoben werden. Daher iſt es leicht zu erklaͤren, wie die Erhoͤhung und Ausbildung des Verſtandes, und die Vermehrung und Aufhaͤu- fung von Gelehrſamkeit, zwey unterſchiedene Dinge ſind, die nicht oͤfters in einem gleichen Verhaͤltniſſe ne- ben einander gehen. Es giebt eine Grenze, uͤber wel- che hinaus der Kopf mit gelehrter Kenntniß uͤberladen wird. Alsdenn leidet der natuͤrliche Menſchenverſtand durch die zu große Aufſammlung von Jdeen im Ge- daͤchtniß, und wird mehr davon geſchwaͤcht als geſtaͤr- ket. Die Menge der Vorſtellungen ſchadet der Deut- lichkeit und Ordnung, und die uͤbertriebene Begierde nach Sachkenntniſſen wird eine Veranlaſſung, daß die zuruͤckbleibenden Spuren von den Denkarten, das iſt, die Vorſtellungen von den Aktionen der Kraͤfte, weniger bearbeitet, und alſo die Kraͤfte ſelbſt weniger entwickelt und geſtaͤrket werden. Schulwitz kann den Mutterwitz ſchwaͤchen.
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und Entwickelung des Menſchen.
ten und Faßungen des Gemuͤths werden. Die Kennt-
niß hat alſo, außer ihrem theoretiſchen Nutzen, den ſie
darinn leiſtet, daß ſie zur Einſicht anderer Dinge dien-
lich iſt, auch noch die unmittelbare praktiſche Wir-
kung, daß ſie die Summe des Vergnuͤgens oder des
Verdruſſes vermehret; und dann die mittelbare, daß,
da ſie Furcht oder Hoffnung, Muth oder Niederſchla-
genheit, giebet, zur Wirkſamkeit reizet und die innere
Vervollkommnung der Seele befoͤrdert.
Ein Theil von dieſen Wirkungen und Folgen be-
ruhet darauf, daß die Kenntniß eine Kenntniß von be-
ſtimmten Sachen iſt. Ein anderer aber, und beſon-
ders ihr Einfluß auf die Ausbildung der Verſtandeskraͤf-
te, hat nicht ſowohl darinnen ſeinen Grund, daß wir
uns gewiſſe Gegenſtaͤnde vorſtellen, als vielmehr in den
zugleich erhaltenen Vorſtellungen von den Denkarten
und Denkthaͤtigkeiten, wodurch die Vermoͤgen der Ver-
ſtandskraft zu Fertigkeiten erhoben werden. Daher iſt
es leicht zu erklaͤren, wie die Erhoͤhung und Ausbildung
des Verſtandes, und die Vermehrung und Aufhaͤu-
fung von Gelehrſamkeit, zwey unterſchiedene Dinge
ſind, die nicht oͤfters in einem gleichen Verhaͤltniſſe ne-
ben einander gehen. Es giebt eine Grenze, uͤber wel-
che hinaus der Kopf mit gelehrter Kenntniß uͤberladen
wird. Alsdenn leidet der natuͤrliche Menſchenverſtand
durch die zu große Aufſammlung von Jdeen im Ge-
daͤchtniß, und wird mehr davon geſchwaͤcht als geſtaͤr-
ket. Die Menge der Vorſtellungen ſchadet der Deut-
lichkeit und Ordnung, und die uͤbertriebene Begierde
nach Sachkenntniſſen wird eine Veranlaſſung, daß die
zuruͤckbleibenden Spuren von den Denkarten, das iſt,
die Vorſtellungen von den Aktionen der Kraͤfte, weniger
bearbeitet, und alſo die Kraͤfte ſelbſt weniger entwickelt
und geſtaͤrket werden. Schulwitz kann den Mutterwitz
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/693>, abgerufen am 27.11.2024.
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