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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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und Entwickelung des Menschen.
tig behaupten, daß die Menschen an innerer Würde
und Größe, in ihrem ausgebildeten Zustande, einander
gleich sind. Nur daß es eine ungemeine Ausschwei-
fung der Phantasie seyn würde, wie der Verfasser des
Alfreds
erinnert, wenn jemand aus jener allgemeinen
Gleichheit der einzelnen Personen, die zu einer Gesell-
schaft verbunden sind, schließen wollte, sie müßten auch
alle gleiche Rechte und Befugnisse auf andere in den
Gesellschaften haben, und daß der Unterschied der Stän-
de seiner Natur nach eine Ungerechtigkeit enthalte.

Aber ferner, wenn man die Verschiedenheit der
Menschen und den Abstand an der innern Entwickelung
des Geistes, wovon einige in diesem Leben zurückblei-
ben, mit denjenigen Gütern vergleichet, welche die Vor-

sehung
Einwohner der Neuen Welt wären nicht mehr ausge-
artet gewesen, als die Jndianer, die sich von den Por-
tugiesen bezwingen ließen. Beides beweiset nichts
mehr, als das gewöhnliche große Uebergewicht der po-
lizirten Völker und disciplinirter Armeen über Barbaren
und Wilde, besondere Nebenursachen bey Seite gesetzt.
Dazu besaßen die Ostindianer schon den Gebrauch des
Feuergewehrs, da die Mexikaner und Peruaner außer der
Volksmenge nichts anders als Pfeile, Bogen und Aexte
den Spaniern entgegen zu stellen hatten. Sonsten ist es
wohl aus verschiedenen Begebenheiten zu ersehen und
auch leicht zu begreifen, daß die Wildheit in der Neuen
Welt im Ganzen ausgebreiteter, und da, wo sie am
stärksten war, noch stärker gewesen ist, als bey den
unkultivirten Völkern in der alten Welt. Jene hatten
viele Jahrhunderte durch, vor der spanischen Entde-
ckung, mit keinem polizirten Staate in einer Verbin-
dung gestanden. Selbst die Peruaner und Mexikaner,
die kultivirtesten unter ihnen, hatten es doch damals
so sehr hoch in der Kultur nicht gebracht. Jn der al-
ten Welt war mehr Licht und mehrere Verbindung der
Völker, daß auch die entferntesten einige Lichtstra-
len erhielten, die die Geistesfinsterniß auch da, wo sie
am größten war, doch etwas mildern mußten.

und Entwickelung des Menſchen.
tig behaupten, daß die Menſchen an innerer Wuͤrde
und Groͤße, in ihrem ausgebildeten Zuſtande, einander
gleich ſind. Nur daß es eine ungemeine Ausſchwei-
fung der Phantaſie ſeyn wuͤrde, wie der Verfaſſer des
Alfreds
erinnert, wenn jemand aus jener allgemeinen
Gleichheit der einzelnen Perſonen, die zu einer Geſell-
ſchaft verbunden ſind, ſchließen wollte, ſie muͤßten auch
alle gleiche Rechte und Befugniſſe auf andere in den
Geſellſchaften haben, und daß der Unterſchied der Staͤn-
de ſeiner Natur nach eine Ungerechtigkeit enthalte.

Aber ferner, wenn man die Verſchiedenheit der
Menſchen und den Abſtand an der innern Entwickelung
des Geiſtes, wovon einige in dieſem Leben zuruͤckblei-
ben, mit denjenigen Guͤtern vergleichet, welche die Vor-

ſehung
Einwohner der Neuen Welt waͤren nicht mehr ausge-
artet geweſen, als die Jndianer, die ſich von den Por-
tugieſen bezwingen ließen. Beides beweiſet nichts
mehr, als das gewoͤhnliche große Uebergewicht der po-
lizirten Voͤlker und diſciplinirter Armeen uͤber Barbaren
und Wilde, beſondere Nebenurſachen bey Seite geſetzt.
Dazu beſaßen die Oſtindianer ſchon den Gebrauch des
Feuergewehrs, da die Mexikaner und Peruaner außer der
Volksmenge nichts anders als Pfeile, Bogen und Aexte
den Spaniern entgegen zu ſtellen hatten. Sonſten iſt es
wohl aus verſchiedenen Begebenheiten zu erſehen und
auch leicht zu begreifen, daß die Wildheit in der Neuen
Welt im Ganzen ausgebreiteter, und da, wo ſie am
ſtaͤrkſten war, noch ſtaͤrker geweſen iſt, als bey den
unkultivirten Voͤlkern in der alten Welt. Jene hatten
viele Jahrhunderte durch, vor der ſpaniſchen Entde-
ckung, mit keinem polizirten Staate in einer Verbin-
dung geſtanden. Selbſt die Peruaner und Mexikaner,
die kultivirteſten unter ihnen, hatten es doch damals
ſo ſehr hoch in der Kultur nicht gebracht. Jn der al-
ten Welt war mehr Licht und mehrere Verbindung der
Voͤlker, daß auch die entfernteſten einige Lichtſtra-
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am groͤßten war, doch etwas mildern mußten.
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[687/0717] und Entwickelung des Menſchen. tig behaupten, daß die Menſchen an innerer Wuͤrde und Groͤße, in ihrem ausgebildeten Zuſtande, einander gleich ſind. Nur daß es eine ungemeine Ausſchwei- fung der Phantaſie ſeyn wuͤrde, wie der Verfaſſer des Alfreds erinnert, wenn jemand aus jener allgemeinen Gleichheit der einzelnen Perſonen, die zu einer Geſell- ſchaft verbunden ſind, ſchließen wollte, ſie muͤßten auch alle gleiche Rechte und Befugniſſe auf andere in den Geſellſchaften haben, und daß der Unterſchied der Staͤn- de ſeiner Natur nach eine Ungerechtigkeit enthalte. Aber ferner, wenn man die Verſchiedenheit der Menſchen und den Abſtand an der innern Entwickelung des Geiſtes, wovon einige in dieſem Leben zuruͤckblei- ben, mit denjenigen Guͤtern vergleichet, welche die Vor- ſehung *) *) Einwohner der Neuen Welt waͤren nicht mehr ausge- artet geweſen, als die Jndianer, die ſich von den Por- tugieſen bezwingen ließen. Beides beweiſet nichts mehr, als das gewoͤhnliche große Uebergewicht der po- lizirten Voͤlker und diſciplinirter Armeen uͤber Barbaren und Wilde, beſondere Nebenurſachen bey Seite geſetzt. Dazu beſaßen die Oſtindianer ſchon den Gebrauch des Feuergewehrs, da die Mexikaner und Peruaner außer der Volksmenge nichts anders als Pfeile, Bogen und Aexte den Spaniern entgegen zu ſtellen hatten. Sonſten iſt es wohl aus verſchiedenen Begebenheiten zu erſehen und auch leicht zu begreifen, daß die Wildheit in der Neuen Welt im Ganzen ausgebreiteter, und da, wo ſie am ſtaͤrkſten war, noch ſtaͤrker geweſen iſt, als bey den unkultivirten Voͤlkern in der alten Welt. Jene hatten viele Jahrhunderte durch, vor der ſpaniſchen Entde- ckung, mit keinem polizirten Staate in einer Verbin- dung geſtanden. Selbſt die Peruaner und Mexikaner, die kultivirteſten unter ihnen, hatten es doch damals ſo ſehr hoch in der Kultur nicht gebracht. Jn der al- ten Welt war mehr Licht und mehrere Verbindung der Voͤlker, daß auch die entfernteſten einige Lichtſtra- len erhielten, die die Geiſtesfinſterniß auch da, wo ſie am groͤßten war, doch etwas mildern mußten.

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/717>, abgerufen am 26.11.2024.