Buch, daß ich, so viel als immer möglich ist, gegen diese beiden Bewegungen nach der einen und nach der andern Stelle hin, gleichgültig werde, und wenn ja etwan eine dieser Aktionen ohne mein Wissen noch et- was voraus behalten sollte, das mich zu ihr vorzüglich geneigt machen möchte, so kann ich doch die Sache so einrichten, daß der Einfluß davon in meine Bestim- mung so geringe ist, daß ich ihn mit aller mir mögli- chen Aufmerksamkeit nicht wahrnehmen kann. Was geschieht? Jch frage mich selbst, nach welcher Seite ich wohl die Hand hinlegen wolle, nach dieser oder jener? und so lange ich mich frage und mich bedenke, wechsele ich die Vorstellungen von beiden Aktionen in mir schnell mit einander ab. Es geschieht aber nichts, höchstens schwebt meine Hand etwas hin und her, oder neiget sich eigentlich nur wechselsweise nach beiden Seiten. Endlich werde ich des Versuchs überdrüßig; noch einige Augenblicke fahre ich vielleicht fort mich zu bedenken, aber endlich entschließe ich mich zum Entscheiden. Für welche Seite entscheide ich nun? Beide sind mir, so viel ich immer bemerken kann, gleichgültig. Jch be- wege die Hand nach der Stelle und in der Richtung hin, wovon die Jdee mir am lebhaftesten in dem Au- genblick gegenwärtig war, da ich mich entschlossen hatte zu entscheiden.
Jch bestimmte mich zum Entscheiden, weil mir dieß mehr gefiel, als die längere Fortsetzung des vergeb- lichen Bedenkens. Jch bestimmte mich zur Rechten, nicht darum, weil ich in dieser Aktion den geringsten Vorzug antraf, sie für leichter, bequemer oder angeneh- mer ansah, als die andere, sondern nur allein darum, weil diese, da mir beides gleichgültig war, eben zuerst mir in den Sinn kam. Dieser letztere Umstand ist nicht der zureichende Grund der ganzen Hand- lung; -- hiezu gehöret viel mehr; -- sondern der Grund,
warum
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
Buch, daß ich, ſo viel als immer moͤglich iſt, gegen dieſe beiden Bewegungen nach der einen und nach der andern Stelle hin, gleichguͤltig werde, und wenn ja etwan eine dieſer Aktionen ohne mein Wiſſen noch et- was voraus behalten ſollte, das mich zu ihr vorzuͤglich geneigt machen moͤchte, ſo kann ich doch die Sache ſo einrichten, daß der Einfluß davon in meine Beſtim- mung ſo geringe iſt, daß ich ihn mit aller mir moͤgli- chen Aufmerkſamkeit nicht wahrnehmen kann. Was geſchieht? Jch frage mich ſelbſt, nach welcher Seite ich wohl die Hand hinlegen wolle, nach dieſer oder jener? und ſo lange ich mich frage und mich bedenke, wechſele ich die Vorſtellungen von beiden Aktionen in mir ſchnell mit einander ab. Es geſchieht aber nichts, hoͤchſtens ſchwebt meine Hand etwas hin und her, oder neiget ſich eigentlich nur wechſelsweiſe nach beiden Seiten. Endlich werde ich des Verſuchs uͤberdruͤßig; noch einige Augenblicke fahre ich vielleicht fort mich zu bedenken, aber endlich entſchließe ich mich zum Entſcheiden. Fuͤr welche Seite entſcheide ich nun? Beide ſind mir, ſo viel ich immer bemerken kann, gleichguͤltig. Jch be- wege die Hand nach der Stelle und in der Richtung hin, wovon die Jdee mir am lebhafteſten in dem Au- genblick gegenwaͤrtig war, da ich mich entſchloſſen hatte zu entſcheiden.
Jch beſtimmte mich zum Entſcheiden, weil mir dieß mehr gefiel, als die laͤngere Fortſetzung des vergeb- lichen Bedenkens. Jch beſtimmte mich zur Rechten, nicht darum, weil ich in dieſer Aktion den geringſten Vorzug antraf, ſie fuͤr leichter, bequemer oder angeneh- mer anſah, als die andere, ſondern nur allein darum, weil dieſe, da mir beides gleichguͤltig war, eben zuerſt mir in den Sinn kam. Dieſer letztere Umſtand iſt nicht der zureichende Grund der ganzen Hand- lung; — hiezu gehoͤret viel mehr; — ſondern der Grund,
warum
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XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
Buch, daß ich, ſo viel als immer moͤglich iſt, gegen
dieſe beiden Bewegungen nach der einen und nach der
andern Stelle hin, gleichguͤltig werde, und wenn ja
etwan eine dieſer Aktionen ohne mein Wiſſen noch et-
was voraus behalten ſollte, das mich zu ihr vorzuͤglich
geneigt machen moͤchte, ſo kann ich doch die Sache ſo
einrichten, daß der Einfluß davon in meine Beſtim-
mung ſo geringe iſt, daß ich ihn mit aller mir moͤgli-
chen Aufmerkſamkeit nicht wahrnehmen kann. Was
geſchieht? Jch frage mich ſelbſt, nach welcher Seite
ich wohl die Hand hinlegen wolle, nach dieſer oder jener?
und ſo lange ich mich frage und mich bedenke, wechſele
ich die Vorſtellungen von beiden Aktionen in mir ſchnell
mit einander ab. Es geſchieht aber nichts, hoͤchſtens
ſchwebt meine Hand etwas hin und her, oder neiget
ſich eigentlich nur wechſelsweiſe nach beiden Seiten.
Endlich werde ich des Verſuchs uͤberdruͤßig; noch einige
Augenblicke fahre ich vielleicht fort mich zu bedenken,
aber endlich entſchließe ich mich zum Entſcheiden. Fuͤr
welche Seite entſcheide ich nun? Beide ſind mir, ſo
viel ich immer bemerken kann, gleichguͤltig. Jch be-
wege die Hand nach der Stelle und in der Richtung
hin, wovon die Jdee mir am lebhafteſten in dem Au-
genblick gegenwaͤrtig war, da ich mich entſchloſſen hatte
zu entſcheiden.
Jch beſtimmte mich zum Entſcheiden, weil mir
dieß mehr gefiel, als die laͤngere Fortſetzung des vergeb-
lichen Bedenkens. Jch beſtimmte mich zur Rechten,
nicht darum, weil ich in dieſer Aktion den geringſten
Vorzug antraf, ſie fuͤr leichter, bequemer oder angeneh-
mer anſah, als die andere, ſondern nur allein darum,
weil dieſe, da mir beides gleichguͤltig war, eben zuerſt
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/74>, abgerufen am 21.11.2024.
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