verbunden. Und diese letztere ist besonders alsdenn das wesentliche Stück, wenn die Ermüdung nur partial ist, wie in dem, der so lange geschrieben hat, daß ihm die Finger starr sind, und nun noch bewegende Kraft genug besitzet, um zu gehen und zu springen.
Die Steifigkeit ist eine Folge des zu starken oder zu lange anhaltenden Gebrauchs der Glieder auf eine ein- förmige Art. Das Geblüt und die Säfte dringen zu häufig in die gespannten Fibern, setzen sich zwischen ih- nen, und benehmen ihnen die vorige Geschmeidigkeit und Schnellkraft. Dieß kann nicht geschehen ohne einen Aufwand von Kräften. Daher auch jede partiale Er- müdung etwas zu der Ermüdung im Ganzen beyträgt. Denn obgleich eine Abwechselung mit der Arbeit in ei- nem solchen Falle eine wahre Erholung ist, die uns ge- schickt macht, nachher die erstere vom neuen zu verrichten: so ist doch gewiß, daß woferne nicht inzwischen der ganze Körper seine Ruhe gehabt und neue Kraft gesammlet hat, die zwote Wiederholung der erstern Arbeit nicht mehr mit der gleichen Munterkeit geschehen könne, wo- mit diese das erstemal verrichtet ward.
Auf eine ähnliche Art verhält es sich mit der Er- müdung der Geisteskräfte. Jst solche nur in ei- nigen Vermögen, so ist sie mehr eine Ungeschicklichkeit, gewisse Vorstellungsreihen und Thätigkeiten auf die er- foderliche Art hervorzuziehen und mit einander zu ver- binden, die in den zu erweckenden Jdeen selbst liegt, als daß es an dem wirksamen thätigen Princip mangeln sollte, wodurch die Seele sich zu ihren Handlungen be- stimmet. Denn wenn sie mit ihren Beschäftigungen nur abwechselt, so findet sie sich noch thätig genug zu vielen andern, wenn sie gleich auch etwas an Munter- keit durch die erste Beschäfftigung, die sie ermüdete, verloren hat. Allein wenn die Ermüdung, nachdem man vorher mehrmalen und auf vielerley Art abgewechselt
hat,
IITheil. A a a
und Entwickelung des Menſchen.
verbunden. Und dieſe letztere iſt beſonders alsdenn das weſentliche Stuͤck, wenn die Ermuͤdung nur partial iſt, wie in dem, der ſo lange geſchrieben hat, daß ihm die Finger ſtarr ſind, und nun noch bewegende Kraft genug beſitzet, um zu gehen und zu ſpringen.
Die Steifigkeit iſt eine Folge des zu ſtarken oder zu lange anhaltenden Gebrauchs der Glieder auf eine ein- foͤrmige Art. Das Gebluͤt und die Saͤfte dringen zu haͤufig in die geſpannten Fibern, ſetzen ſich zwiſchen ih- nen, und benehmen ihnen die vorige Geſchmeidigkeit und Schnellkraft. Dieß kann nicht geſchehen ohne einen Aufwand von Kraͤften. Daher auch jede partiale Er- muͤdung etwas zu der Ermuͤdung im Ganzen beytraͤgt. Denn obgleich eine Abwechſelung mit der Arbeit in ei- nem ſolchen Falle eine wahre Erholung iſt, die uns ge- ſchickt macht, nachher die erſtere vom neuen zu verrichten: ſo iſt doch gewiß, daß woferne nicht inzwiſchen der ganze Koͤrper ſeine Ruhe gehabt und neue Kraft geſammlet hat, die zwote Wiederholung der erſtern Arbeit nicht mehr mit der gleichen Munterkeit geſchehen koͤnne, wo- mit dieſe das erſtemal verrichtet ward.
Auf eine aͤhnliche Art verhaͤlt es ſich mit der Er- muͤdung der Geiſteskraͤfte. Jſt ſolche nur in ei- nigen Vermoͤgen, ſo iſt ſie mehr eine Ungeſchicklichkeit, gewiſſe Vorſtellungsreihen und Thaͤtigkeiten auf die er- foderliche Art hervorzuziehen und mit einander zu ver- binden, die in den zu erweckenden Jdeen ſelbſt liegt, als daß es an dem wirkſamen thaͤtigen Princip mangeln ſollte, wodurch die Seele ſich zu ihren Handlungen be- ſtimmet. Denn wenn ſie mit ihren Beſchaͤftigungen nur abwechſelt, ſo findet ſie ſich noch thaͤtig genug zu vielen andern, wenn ſie gleich auch etwas an Munter- keit durch die erſte Beſchaͤfftigung, die ſie ermuͤdete, verloren hat. Allein wenn die Ermuͤdung, nachdem man vorher mehrmalen und auf vielerley Art abgewechſelt
hat,
IITheil. A a a
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und Entwickelung des Menſchen.
verbunden. Und dieſe letztere iſt beſonders alsdenn das
weſentliche Stuͤck, wenn die Ermuͤdung nur partial iſt,
wie in dem, der ſo lange geſchrieben hat, daß ihm die
Finger ſtarr ſind, und nun noch bewegende Kraft genug
beſitzet, um zu gehen und zu ſpringen.
Die Steifigkeit iſt eine Folge des zu ſtarken oder
zu lange anhaltenden Gebrauchs der Glieder auf eine ein-
foͤrmige Art. Das Gebluͤt und die Saͤfte dringen zu
haͤufig in die geſpannten Fibern, ſetzen ſich zwiſchen ih-
nen, und benehmen ihnen die vorige Geſchmeidigkeit und
Schnellkraft. Dieß kann nicht geſchehen ohne einen
Aufwand von Kraͤften. Daher auch jede partiale Er-
muͤdung etwas zu der Ermuͤdung im Ganzen beytraͤgt.
Denn obgleich eine Abwechſelung mit der Arbeit in ei-
nem ſolchen Falle eine wahre Erholung iſt, die uns ge-
ſchickt macht, nachher die erſtere vom neuen zu verrichten:
ſo iſt doch gewiß, daß woferne nicht inzwiſchen der ganze
Koͤrper ſeine Ruhe gehabt und neue Kraft geſammlet
hat, die zwote Wiederholung der erſtern Arbeit nicht
mehr mit der gleichen Munterkeit geſchehen koͤnne, wo-
mit dieſe das erſtemal verrichtet ward.
Auf eine aͤhnliche Art verhaͤlt es ſich mit der Er-
muͤdung der Geiſteskraͤfte. Jſt ſolche nur in ei-
nigen Vermoͤgen, ſo iſt ſie mehr eine Ungeſchicklichkeit,
gewiſſe Vorſtellungsreihen und Thaͤtigkeiten auf die er-
foderliche Art hervorzuziehen und mit einander zu ver-
binden, die in den zu erweckenden Jdeen ſelbſt liegt,
als daß es an dem wirkſamen thaͤtigen Princip mangeln
ſollte, wodurch die Seele ſich zu ihren Handlungen be-
ſtimmet. Denn wenn ſie mit ihren Beſchaͤftigungen
nur abwechſelt, ſo findet ſie ſich noch thaͤtig genug zu
vielen andern, wenn ſie gleich auch etwas an Munter-
keit durch die erſte Beſchaͤfftigung, die ſie ermuͤdete,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/767>, abgerufen am 22.11.2024.
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