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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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so ferner, fällt uns mit der, die sich in den äußern Sin-
nen, im Gehör und Gesicht, offenbaret, zuerst auf. Und
wenn man dasjenige zergliedert, was hiebey vorgeht, so
kommt man auf die Spur zu dem, was in Hinsicht der
übrigen Vermögen geschieht, oder wenigstens doch zu
analogischen Vermuthungen.

Die Werkzeuge der Bewegungen und die Sinnglie-
der, die leicht und schnell bewegbar seyn mußten, wenn
die körperlichen Geschicklichkeiten bestehen und die Sin-
ne ihre Stärke und Lebhaftigkeit behalten sollten, wer-
den fester, ungeschmeidiger und steifer. Bey den Or-
ganen der willkürlichen Bewegungen ist dieß am deut-
lichsten, wenn man auch bey den Ohren und Augen et-
wan daran zweifeln möchte, bey denen die Verände-
rung weniger äußerlich merklich ist. So bringt es be-
kanntermaßen die Natur der Fibern in dem thierischen
Körper mit sich. Nach denselben Gesetzen, wornach
der Körper wächset, wornach fast ganz flüßige Säfte in
weiche gallertartige, die gallertartigen in fasernartige,
einige in knorpelartige und Knorpel in feste Knochen über-
gehen, geht auch die nie stillstehende Natur weiter.
Durch die unaufhörliche Aktion auf die Theile treibet sie
die Partikeln näher an einander, und verbindet sie durch
die dazwischen gebrachten neuen Nahrungstheile, und
bringt dadurch das Verdicken, das Verfestigen und Ver-
trocknen, in allen Theilen, endlich über die Grenze hin-
aus, wo Stärke und Biegsamkeit in dem vollkommen-
sten Verhältnisse sich befanden.

Diese Steifigkeit ist der Fehler, der in den Gliedern
entsteht. Jm übrigen behalten sie ihre vorigen Gestal-
ten, Größe, Formen beynahe; auch beynahe dieselbige
Lage und Beziehungen auf einander, die sie bey der Aus-
bildung durch Natur und Kunst erlanget haben. Die
Spuren der vorigen körperlichen Bewegungen, und der
organischen Associationen derselben, gehen nicht weg.

Man
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und Entwickelung des Menſchen.
ſo ferner, faͤllt uns mit der, die ſich in den aͤußern Sin-
nen, im Gehoͤr und Geſicht, offenbaret, zuerſt auf. Und
wenn man dasjenige zergliedert, was hiebey vorgeht, ſo
kommt man auf die Spur zu dem, was in Hinſicht der
uͤbrigen Vermoͤgen geſchieht, oder wenigſtens doch zu
analogiſchen Vermuthungen.

Die Werkzeuge der Bewegungen und die Sinnglie-
der, die leicht und ſchnell bewegbar ſeyn mußten, wenn
die koͤrperlichen Geſchicklichkeiten beſtehen und die Sin-
ne ihre Staͤrke und Lebhaftigkeit behalten ſollten, wer-
den feſter, ungeſchmeidiger und ſteifer. Bey den Or-
ganen der willkuͤrlichen Bewegungen iſt dieß am deut-
lichſten, wenn man auch bey den Ohren und Augen et-
wan daran zweifeln moͤchte, bey denen die Veraͤnde-
rung weniger aͤußerlich merklich iſt. So bringt es be-
kanntermaßen die Natur der Fibern in dem thieriſchen
Koͤrper mit ſich. Nach denſelben Geſetzen, wornach
der Koͤrper waͤchſet, wornach faſt ganz fluͤßige Saͤfte in
weiche gallertartige, die gallertartigen in faſernartige,
einige in knorpelartige und Knorpel in feſte Knochen uͤber-
gehen, geht auch die nie ſtillſtehende Natur weiter.
Durch die unaufhoͤrliche Aktion auf die Theile treibet ſie
die Partikeln naͤher an einander, und verbindet ſie durch
die dazwiſchen gebrachten neuen Nahrungstheile, und
bringt dadurch das Verdicken, das Verfeſtigen und Ver-
trocknen, in allen Theilen, endlich uͤber die Grenze hin-
aus, wo Staͤrke und Biegſamkeit in dem vollkommen-
ſten Verhaͤltniſſe ſich befanden.

Dieſe Steifigkeit iſt der Fehler, der in den Gliedern
entſteht. Jm uͤbrigen behalten ſie ihre vorigen Geſtal-
ten, Groͤße, Formen beynahe; auch beynahe dieſelbige
Lage und Beziehungen auf einander, die ſie bey der Aus-
bildung durch Natur und Kunſt erlanget haben. Die
Spuren der vorigen koͤrperlichen Bewegungen, und der
organiſchen Aſſociationen derſelben, gehen nicht weg.

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[745/0775] und Entwickelung des Menſchen. ſo ferner, faͤllt uns mit der, die ſich in den aͤußern Sin- nen, im Gehoͤr und Geſicht, offenbaret, zuerſt auf. Und wenn man dasjenige zergliedert, was hiebey vorgeht, ſo kommt man auf die Spur zu dem, was in Hinſicht der uͤbrigen Vermoͤgen geſchieht, oder wenigſtens doch zu analogiſchen Vermuthungen. Die Werkzeuge der Bewegungen und die Sinnglie- der, die leicht und ſchnell bewegbar ſeyn mußten, wenn die koͤrperlichen Geſchicklichkeiten beſtehen und die Sin- ne ihre Staͤrke und Lebhaftigkeit behalten ſollten, wer- den feſter, ungeſchmeidiger und ſteifer. Bey den Or- ganen der willkuͤrlichen Bewegungen iſt dieß am deut- lichſten, wenn man auch bey den Ohren und Augen et- wan daran zweifeln moͤchte, bey denen die Veraͤnde- rung weniger aͤußerlich merklich iſt. So bringt es be- kanntermaßen die Natur der Fibern in dem thieriſchen Koͤrper mit ſich. Nach denſelben Geſetzen, wornach der Koͤrper waͤchſet, wornach faſt ganz fluͤßige Saͤfte in weiche gallertartige, die gallertartigen in faſernartige, einige in knorpelartige und Knorpel in feſte Knochen uͤber- gehen, geht auch die nie ſtillſtehende Natur weiter. Durch die unaufhoͤrliche Aktion auf die Theile treibet ſie die Partikeln naͤher an einander, und verbindet ſie durch die dazwiſchen gebrachten neuen Nahrungstheile, und bringt dadurch das Verdicken, das Verfeſtigen und Ver- trocknen, in allen Theilen, endlich uͤber die Grenze hin- aus, wo Staͤrke und Biegſamkeit in dem vollkommen- ſten Verhaͤltniſſe ſich befanden. Dieſe Steifigkeit iſt der Fehler, der in den Gliedern entſteht. Jm uͤbrigen behalten ſie ihre vorigen Geſtal- ten, Groͤße, Formen beynahe; auch beynahe dieſelbige Lage und Beziehungen auf einander, die ſie bey der Aus- bildung durch Natur und Kunſt erlanget haben. Die Spuren der vorigen koͤrperlichen Bewegungen, und der organiſchen Aſſociationen derſelben, gehen nicht weg. Man A a a 5

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 745. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/775>, abgerufen am 22.11.2024.