drücke machen: es wird unangenehm seyn, nicht nur wenn angenehmere Gefühle dadurch verdrängt werden, sondern auch wenn die Kraft der Seele nicht darnach gestimmt ist, den Eindruck leicht aufzunehmen. Das gemäßigte Licht macht Schmerzen, wenn die Augen schwach sind. Jst ein Reiz zur Wirksamkeit vorhan- den, und erfolget ein Bestreben, das der Kraft abge- nöthiget wird, so kommt es doch darauf an, in welchem Zustande diese sich befindet. Sie wird Vergnügen em- pfinden sich zu äußern, wenn sie rege und munter ist: aber ihre eigene Thätigkeit wird ihr zuwider seyn, nicht nur wenn sie deßwegen einen stärkern Trieb nach einer andern Seite hin zurückhalten muß, sondern auch wenn die innere Kraft so schwach ist, daß sie die Mühe ihres Bestrebens fühlet. Man mag diese Relation Uebereinstimmung und Widerspruch oder sonsten nennen wie man will, so liegt in ihr der Grund, warum die gefühlte Veränderung angenehm oder unangenehm gefühlet wird. Jn vielen Beobachtungen zeiget sichs offenbar, daß, wenn die Veränderung dem dermaligen Zustande der Seele, ihren Kräften und Vermögen und ihren übrigen Beschaffenheiten angemessen ist, sie sich mit ihnen vereinige, und die Masse des Absoluten in ihr größer mache, wodurch die Wirklichkeit der Seele größer und sie selbst vollkommner wird. Jn dem ent- gegengesetzten Falle aber wird der Umfang der Gefühle vermindert *).
4) Wenn die Seele des Menschen in dem Zustande der regen Wirksamkeit sich befindet, so ist sie ein Wesen, das sich mit seinen Kräften und Vermögen be- strebet zu wirken und unterhalten zu werden. Die Kräfte streben auf gewisse Arten thätig zu seyn. Die Seele will wirken als Geist, als vorstellendes,
als
*) Zweeter Versuch, 4.
und Entwickelung des Menſchen.
druͤcke machen: es wird unangenehm ſeyn, nicht nur wenn angenehmere Gefuͤhle dadurch verdraͤngt werden, ſondern auch wenn die Kraft der Seele nicht darnach geſtimmt iſt, den Eindruck leicht aufzunehmen. Das gemaͤßigte Licht macht Schmerzen, wenn die Augen ſchwach ſind. Jſt ein Reiz zur Wirkſamkeit vorhan- den, und erfolget ein Beſtreben, das der Kraft abge- noͤthiget wird, ſo kommt es doch darauf an, in welchem Zuſtande dieſe ſich befindet. Sie wird Vergnuͤgen em- pfinden ſich zu aͤußern, wenn ſie rege und munter iſt: aber ihre eigene Thaͤtigkeit wird ihr zuwider ſeyn, nicht nur wenn ſie deßwegen einen ſtaͤrkern Trieb nach einer andern Seite hin zuruͤckhalten muß, ſondern auch wenn die innere Kraft ſo ſchwach iſt, daß ſie die Muͤhe ihres Beſtrebens fuͤhlet. Man mag dieſe Relation Uebereinſtimmung und Widerſpruch oder ſonſten nennen wie man will, ſo liegt in ihr der Grund, warum die gefuͤhlte Veraͤnderung angenehm oder unangenehm gefuͤhlet wird. Jn vielen Beobachtungen zeiget ſichs offenbar, daß, wenn die Veraͤnderung dem dermaligen Zuſtande der Seele, ihren Kraͤften und Vermoͤgen und ihren uͤbrigen Beſchaffenheiten angemeſſen iſt, ſie ſich mit ihnen vereinige, und die Maſſe des Abſoluten in ihr groͤßer mache, wodurch die Wirklichkeit der Seele groͤßer und ſie ſelbſt vollkommner wird. Jn dem ent- gegengeſetzten Falle aber wird der Umfang der Gefuͤhle vermindert *).
4) Wenn die Seele des Menſchen in dem Zuſtande der regen Wirkſamkeit ſich befindet, ſo iſt ſie ein Weſen, das ſich mit ſeinen Kraͤften und Vermoͤgen be- ſtrebet zu wirken und unterhalten zu werden. Die Kraͤfte ſtreben auf gewiſſe Arten thaͤtig zu ſeyn. Die Seele will wirken als Geiſt, als vorſtellendes,
als
*) Zweeter Verſuch, 4.
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und Entwickelung des Menſchen.
druͤcke machen: es wird unangenehm ſeyn, nicht nur
wenn angenehmere Gefuͤhle dadurch verdraͤngt werden,
ſondern auch wenn die Kraft der Seele nicht darnach
geſtimmt iſt, den Eindruck leicht aufzunehmen. Das
gemaͤßigte Licht macht Schmerzen, wenn die Augen
ſchwach ſind. Jſt ein Reiz zur Wirkſamkeit vorhan-
den, und erfolget ein Beſtreben, das der Kraft abge-
noͤthiget wird, ſo kommt es doch darauf an, in welchem
Zuſtande dieſe ſich befindet. Sie wird Vergnuͤgen em-
pfinden ſich zu aͤußern, wenn ſie rege und munter iſt:
aber ihre eigene Thaͤtigkeit wird ihr zuwider ſeyn, nicht
nur wenn ſie deßwegen einen ſtaͤrkern Trieb nach einer
andern Seite hin zuruͤckhalten muß, ſondern auch
wenn die innere Kraft ſo ſchwach iſt, daß ſie die Muͤhe
ihres Beſtrebens fuͤhlet. Man mag dieſe Relation
Uebereinſtimmung und Widerſpruch oder ſonſten
nennen wie man will, ſo liegt in ihr der Grund, warum
die gefuͤhlte Veraͤnderung angenehm oder unangenehm
gefuͤhlet wird. Jn vielen Beobachtungen zeiget ſichs
offenbar, daß, wenn die Veraͤnderung dem dermaligen
Zuſtande der Seele, ihren Kraͤften und Vermoͤgen und
ihren uͤbrigen Beſchaffenheiten angemeſſen iſt, ſie ſich
mit ihnen vereinige, und die Maſſe des Abſoluten in
ihr groͤßer mache, wodurch die Wirklichkeit der Seele
groͤßer und ſie ſelbſt vollkommner wird. Jn dem ent-
gegengeſetzten Falle aber wird der Umfang der Gefuͤhle
vermindert *).
4) Wenn die Seele des Menſchen in dem Zuſtande
der regen Wirkſamkeit ſich befindet, ſo iſt ſie ein
Weſen, das ſich mit ſeinen Kraͤften und Vermoͤgen be-
ſtrebet zu wirken und unterhalten zu werden. Die
Kraͤfte ſtreben auf gewiſſe Arten thaͤtig zu ſeyn. Die
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als
*) Zweeter Verſuch, 4.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 811. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/841>, abgerufen am 23.11.2024.
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