Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

und Freyheit.
durch diese ihre Aeußerungen geschwächet werde und
versiege. Das Gewicht eines Körpers vermindert sich
nicht, so lange fort auch der Körper seinen Druck auf
einen andern schon geäußert hat; und die Ausdehnungs-
kraft der Luft wird nicht geschwächet, wenn sie gleich
mehrmalen nach einander angewendet worden ist. Aber
eine Kanonenkugel verliert ihre bewegende Kraft, in-
dem sie solche auf andere Körper verwendet.

Dieß sind eigenmächtige Aktionen, die von
ihren Gegenständen, auf die sie verwender wer-
den, bloß aufgenommen werden.

Aber es kann auch dieser ganze dermalige inne-
re zureichende Grund der Aktion
eine Wirkung
seyn, welche durch den Einfluß eines andern Dinges in
das handelnde Wesen hervorgebracht ist, und entweder
immerfort durch eben diesen Einfluß unterhalten werden
muß, oder doch nicht länger in der thätigen Substanz
bestehet, als bis sie sich thätig damit beweiset, und es
anwendet. Alsdenn ist es eine fremde Kraft, wo-
durch das wirkende Wesen thätig ist. Es ist zwar auch
selbstthätig in den dermaligen Umständen, unter de-
nen es wirket, weil das Princip der Aktion innerlich in
der handelnden Substanz sich befindet. Aber man ent-
ziehe diese der Einwirkung der äußern Ursache, von der
sie den Zustand empfängt, worauf das Vermögen be-
ruhet, so ist sie tod und unvermögend, wie die Kugel,
der man ihre Bewegung entzogen, und die man von
allem weitern Einfluß einer bewegenden Kraft ent-
fernt hat.

Dieß ist eine Aktion aus fremder Macht.

Es gehört keine besondere Subtilität dazu, hiebey
noch eine Verschiedenheit gewahrzunehmen. Jst der
fremde Einfluß in die thätige Substanz ununter-
brochen erfoderlich,
so ist diese Substanz schlechthin
nichts als ein leidendes Jnstrument, durch welches die

fremde
D 4

und Freyheit.
durch dieſe ihre Aeußerungen geſchwaͤchet werde und
verſiege. Das Gewicht eines Koͤrpers vermindert ſich
nicht, ſo lange fort auch der Koͤrper ſeinen Druck auf
einen andern ſchon geaͤußert hat; und die Ausdehnungs-
kraft der Luft wird nicht geſchwaͤchet, wenn ſie gleich
mehrmalen nach einander angewendet worden iſt. Aber
eine Kanonenkugel verliert ihre bewegende Kraft, in-
dem ſie ſolche auf andere Koͤrper verwendet.

Dieß ſind eigenmaͤchtige Aktionen, die von
ihren Gegenſtaͤnden, auf die ſie verwender wer-
den, bloß aufgenommen werden.

Aber es kann auch dieſer ganze dermalige inne-
re zureichende Grund der Aktion
eine Wirkung
ſeyn, welche durch den Einfluß eines andern Dinges in
das handelnde Weſen hervorgebracht iſt, und entweder
immerfort durch eben dieſen Einfluß unterhalten werden
muß, oder doch nicht laͤnger in der thaͤtigen Subſtanz
beſtehet, als bis ſie ſich thaͤtig damit beweiſet, und es
anwendet. Alsdenn iſt es eine fremde Kraft, wo-
durch das wirkende Weſen thaͤtig iſt. Es iſt zwar auch
ſelbſtthaͤtig in den dermaligen Umſtaͤnden, unter de-
nen es wirket, weil das Princip der Aktion innerlich in
der handelnden Subſtanz ſich befindet. Aber man ent-
ziehe dieſe der Einwirkung der aͤußern Urſache, von der
ſie den Zuſtand empfaͤngt, worauf das Vermoͤgen be-
ruhet, ſo iſt ſie tod und unvermoͤgend, wie die Kugel,
der man ihre Bewegung entzogen, und die man von
allem weitern Einfluß einer bewegenden Kraft ent-
fernt hat.

Dieß iſt eine Aktion aus fremder Macht.

Es gehoͤrt keine beſondere Subtilitaͤt dazu, hiebey
noch eine Verſchiedenheit gewahrzunehmen. Jſt der
fremde Einfluß in die thaͤtige Subſtanz ununter-
brochen erfoderlich,
ſo iſt dieſe Subſtanz ſchlechthin
nichts als ein leidendes Jnſtrument, durch welches die

fremde
D 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0085" n="55"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Freyheit.</hi></fw><lb/>
durch die&#x017F;e ihre Aeußerungen ge&#x017F;chwa&#x0364;chet werde und<lb/>
ver&#x017F;iege. Das Gewicht eines Ko&#x0364;rpers vermindert &#x017F;ich<lb/>
nicht, &#x017F;o lange fort auch der Ko&#x0364;rper &#x017F;einen Druck auf<lb/>
einen andern &#x017F;chon gea&#x0364;ußert hat; und die Ausdehnungs-<lb/>
kraft der Luft wird nicht ge&#x017F;chwa&#x0364;chet, wenn &#x017F;ie gleich<lb/>
mehrmalen nach einander angewendet worden i&#x017F;t. Aber<lb/>
eine Kanonenkugel verliert ihre bewegende Kraft, in-<lb/>
dem &#x017F;ie &#x017F;olche auf andere Ko&#x0364;rper verwendet.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#fr">Dieß &#x017F;ind eigenma&#x0364;chtige Aktionen, die von<lb/>
ihren Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden, auf die &#x017F;ie verwender wer-<lb/>
den, bloß aufgenommen werden.</hi> </p><lb/>
          <p>Aber es kann auch <hi rendition="#fr">die&#x017F;er ganze dermalige inne-<lb/>
re zureichende Grund der Aktion</hi> eine Wirkung<lb/>
&#x017F;eyn, welche durch den Einfluß eines andern Dinges in<lb/>
das handelnde We&#x017F;en hervorgebracht i&#x017F;t, und entweder<lb/>
immerfort durch eben die&#x017F;en Einfluß unterhalten werden<lb/>
muß, oder doch nicht la&#x0364;nger in der tha&#x0364;tigen Sub&#x017F;tanz<lb/>
be&#x017F;tehet, als bis &#x017F;ie &#x017F;ich tha&#x0364;tig damit bewei&#x017F;et, und es<lb/>
anwendet. Alsdenn i&#x017F;t es eine <hi rendition="#fr">fremde Kraft,</hi> wo-<lb/>
durch das wirkende We&#x017F;en tha&#x0364;tig i&#x017F;t. Es i&#x017F;t zwar auch<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;ttha&#x0364;tig in den <hi rendition="#fr">dermaligen</hi> Um&#x017F;ta&#x0364;nden, unter de-<lb/>
nen es wirket, weil das Princip der Aktion innerlich in<lb/>
der handelnden Sub&#x017F;tanz &#x017F;ich befindet. Aber man ent-<lb/>
ziehe die&#x017F;e der Einwirkung der a&#x0364;ußern Ur&#x017F;ache, von der<lb/>
&#x017F;ie den Zu&#x017F;tand empfa&#x0364;ngt, worauf das Vermo&#x0364;gen be-<lb/>
ruhet, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie tod und unvermo&#x0364;gend, wie die Kugel,<lb/>
der man ihre Bewegung entzogen, und die man von<lb/>
allem weitern Einfluß einer bewegenden Kraft ent-<lb/>
fernt hat.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#fr">Dieß i&#x017F;t eine Aktion aus fremder Macht.</hi> </p><lb/>
          <p>Es geho&#x0364;rt keine be&#x017F;ondere Subtilita&#x0364;t dazu, hiebey<lb/>
noch eine Ver&#x017F;chiedenheit gewahrzunehmen. J&#x017F;t der<lb/><hi rendition="#fr">fremde Einfluß</hi> in die tha&#x0364;tige Sub&#x017F;tanz <hi rendition="#fr">ununter-<lb/>
brochen erfoderlich,</hi> &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;e Sub&#x017F;tanz &#x017F;chlechthin<lb/>
nichts als ein leidendes Jn&#x017F;trument, durch welches die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 4</fw><fw place="bottom" type="catch">fremde</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0085] und Freyheit. durch dieſe ihre Aeußerungen geſchwaͤchet werde und verſiege. Das Gewicht eines Koͤrpers vermindert ſich nicht, ſo lange fort auch der Koͤrper ſeinen Druck auf einen andern ſchon geaͤußert hat; und die Ausdehnungs- kraft der Luft wird nicht geſchwaͤchet, wenn ſie gleich mehrmalen nach einander angewendet worden iſt. Aber eine Kanonenkugel verliert ihre bewegende Kraft, in- dem ſie ſolche auf andere Koͤrper verwendet. Dieß ſind eigenmaͤchtige Aktionen, die von ihren Gegenſtaͤnden, auf die ſie verwender wer- den, bloß aufgenommen werden. Aber es kann auch dieſer ganze dermalige inne- re zureichende Grund der Aktion eine Wirkung ſeyn, welche durch den Einfluß eines andern Dinges in das handelnde Weſen hervorgebracht iſt, und entweder immerfort durch eben dieſen Einfluß unterhalten werden muß, oder doch nicht laͤnger in der thaͤtigen Subſtanz beſtehet, als bis ſie ſich thaͤtig damit beweiſet, und es anwendet. Alsdenn iſt es eine fremde Kraft, wo- durch das wirkende Weſen thaͤtig iſt. Es iſt zwar auch ſelbſtthaͤtig in den dermaligen Umſtaͤnden, unter de- nen es wirket, weil das Princip der Aktion innerlich in der handelnden Subſtanz ſich befindet. Aber man ent- ziehe dieſe der Einwirkung der aͤußern Urſache, von der ſie den Zuſtand empfaͤngt, worauf das Vermoͤgen be- ruhet, ſo iſt ſie tod und unvermoͤgend, wie die Kugel, der man ihre Bewegung entzogen, und die man von allem weitern Einfluß einer bewegenden Kraft ent- fernt hat. Dieß iſt eine Aktion aus fremder Macht. Es gehoͤrt keine beſondere Subtilitaͤt dazu, hiebey noch eine Verſchiedenheit gewahrzunehmen. Jſt der fremde Einfluß in die thaͤtige Subſtanz ununter- brochen erfoderlich, ſo iſt dieſe Subſtanz ſchlechthin nichts als ein leidendes Jnſtrument, durch welches die fremde D 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/85
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/85>, abgerufen am 21.11.2024.