können dieß Gefühl von dem Besitz der Vollkommen- heit nicht entbehren, oder es fehlt uns die Zufriedenheit mit uns selbst. Es entsteht ein Gefühl des Leeren und des Mangels, das uns fast zwinget, da wo es an wah- ren Empfindungen fehlet, den Raum des Herzens mit Einbildungen auszufüllen.
-- -- Opinion -- --
Each want of happineß by Hope supply'd, And each vacuity of sense by Pride.
Pope.
Dennoch darf man sich nicht wundern, wenn man sieht, daß die Vorstellung von dem Werth auch wahrer gefühlter Vollkommenheit nicht bey allen Menschen denselbigen Grad der Stärke erlanget. Es sind unend- lich viele Veranlassungen, die den Trieb der Natur mehr auf die einzelnen Empfindungen hinziehen, und es ver- hindern, daß die Vorstellung von einer Seelenkraft und von dem Werthe derselben lebhaft werde und sich fest- setze. Was bekümmert sich der weiche Wollüstling um innere Geistesstärke, da er nur Freuden kennet, die von äußern Eindrücken kommen, und von der innern Quelle höherer Güter weniger gefühlet hat? Hat aber das Gefühl an innerer Vollkommenheit sich einmal festge- setzet: so läßt es sich bis dahin erhöhen, daß die Be- gierde nach derselben auch nicht einmal von dem Gedan- ken, wir werden vielleicht nie einen erheblichen Gebrauch von ihr machen, völlig vernichtet wird. Etwas muß sie freilich dadurch geschwächet werden. So viel muß man zugeben, wenn man jemanden völlig überzeugte, diese oder jene Geschicklichkeit sey ihm auf die Zukunft ganz unnütz, und wenn man ihm diesen Gedanken öf-
ters
und Entwickelung des Menſchen.
koͤnnen dieß Gefuͤhl von dem Beſitz der Vollkommen- heit nicht entbehren, oder es fehlt uns die Zufriedenheit mit uns ſelbſt. Es entſteht ein Gefuͤhl des Leeren und des Mangels, das uns faſt zwinget, da wo es an wah- ren Empfindungen fehlet, den Raum des Herzens mit Einbildungen auszufuͤllen.
— — Opinion — —
Each want of happineß by Hope ſupply’d, And each vacuity of ſenſe by Pride.
Pope.
Dennoch darf man ſich nicht wundern, wenn man ſieht, daß die Vorſtellung von dem Werth auch wahrer gefuͤhlter Vollkommenheit nicht bey allen Menſchen denſelbigen Grad der Staͤrke erlanget. Es ſind unend- lich viele Veranlaſſungen, die den Trieb der Natur mehr auf die einzelnen Empfindungen hinziehen, und es ver- hindern, daß die Vorſtellung von einer Seelenkraft und von dem Werthe derſelben lebhaft werde und ſich feſt- ſetze. Was bekuͤmmert ſich der weiche Wolluͤſtling um innere Geiſtesſtaͤrke, da er nur Freuden kennet, die von aͤußern Eindruͤcken kommen, und von der innern Quelle hoͤherer Guͤter weniger gefuͤhlet hat? Hat aber das Gefuͤhl an innerer Vollkommenheit ſich einmal feſtge- ſetzet: ſo laͤßt es ſich bis dahin erhoͤhen, daß die Be- gierde nach derſelben auch nicht einmal von dem Gedan- ken, wir werden vielleicht nie einen erheblichen Gebrauch von ihr machen, voͤllig vernichtet wird. Etwas muß ſie freilich dadurch geſchwaͤchet werden. So viel muß man zugeben, wenn man jemanden voͤllig uͤberzeugte, dieſe oder jene Geſchicklichkeit ſey ihm auf die Zukunft ganz unnuͤtz, und wenn man ihm dieſen Gedanken oͤf-
ters
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und Entwickelung des Menſchen.
koͤnnen dieß Gefuͤhl von dem Beſitz der Vollkommen-
heit nicht entbehren, oder es fehlt uns die Zufriedenheit
mit uns ſelbſt. Es entſteht ein Gefuͤhl des Leeren und
des Mangels, das uns faſt zwinget, da wo es an wah-
ren Empfindungen fehlet, den Raum des Herzens mit
Einbildungen auszufuͤllen.
— — Opinion — —
Each want of happineß by Hope ſupply’d,
And each vacuity of ſenſe by Pride.
Pope.
Dennoch darf man ſich nicht wundern, wenn man
ſieht, daß die Vorſtellung von dem Werth auch wahrer
gefuͤhlter Vollkommenheit nicht bey allen Menſchen
denſelbigen Grad der Staͤrke erlanget. Es ſind unend-
lich viele Veranlaſſungen, die den Trieb der Natur mehr
auf die einzelnen Empfindungen hinziehen, und es ver-
hindern, daß die Vorſtellung von einer Seelenkraft und
von dem Werthe derſelben lebhaft werde und ſich feſt-
ſetze. Was bekuͤmmert ſich der weiche Wolluͤſtling um
innere Geiſtesſtaͤrke, da er nur Freuden kennet, die von
aͤußern Eindruͤcken kommen, und von der innern Quelle
hoͤherer Guͤter weniger gefuͤhlet hat? Hat aber das
Gefuͤhl an innerer Vollkommenheit ſich einmal feſtge-
ſetzet: ſo laͤßt es ſich bis dahin erhoͤhen, daß die Be-
gierde nach derſelben auch nicht einmal von dem Gedan-
ken, wir werden vielleicht nie einen erheblichen Gebrauch
von ihr machen, voͤllig vernichtet wird. Etwas muß
ſie freilich dadurch geſchwaͤchet werden. So viel muß
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dieſe oder jene Geſchicklichkeit ſey ihm auf die Zukunft
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 831. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/861>, abgerufen am 21.11.2024.
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