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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XII. Versuch. Ueber die Selbstthätigkeit
samkeit im Traume mit den Empfindungen des äußern
Gefühls in Verhältniß stehen möge. Und gesetzt, es
sind nicht klare äußere Empfindungen, ohne welche die
Seele sich als ein selbstthätiges Wesen vor sich selbst
nicht zeigen kann, so sind es doch innerliche körperliche
Gefühle, die hiezu erfodert werden.

Also ist die rege thätige Seelenkraft, das in-
nere wirkende Princip,
wenn sie sich selbstbestim-
met, abhängig von andern Dingen, und die Wirk-
samkeit desselben ist höchstens nichts mehr, als eine von
andern Ursachen erweckte Selbstthätigkeit.

Dieß letztere, nämlich eine erweckte aber wahre
Selbstthätigkeit
ist es auch, was ihre Wirksamkeit
ausmacht. Zu derjenigen Gattung von unselbstthä-
tigen
Wesen, welche selbst kein inneres Princip ihrer
Wirkungen besitzen, und nur Jnstrumente fremder
Kräfte sind, nur Kanäle, wodurch die wahren Quellen
aller Thätigkeit und alles dessen, was hervorgebracht
wird, hindurchgehen, gehört sie ganz gewiß nicht.
Sie ist nicht der Hammer, wozu ihr Körper die Hand
ist, die ihn führet, noch die Kugel, die nur so viel be-
wegende Kraft hat, als ihr durch die Schwere im Fal-
len gegeben ist. Zuverläßig hat sie selbst ein inneres
Princip zur Thätigkeit. Jn ihren äußern Empfindun-
gen verhält sie sich am leidentlichsten, und dennoch giebet
eine etwas genaue Beobachtung gute Gründe an die
Hand, *) zu glauben, daß auch zu den leidentlichsten
Gefühlen, die in ihr entstehen, die innere Naturkraft
etwas thätig beytrage. Diese Mitwirksamkeit des in-
nern Princips ist die Selbstthätigkeit, worinn der Grund
zu dem Vermögen lieget, Vorstellungen zu haben und
zu reproduciren.

Jst
*) Erster Versuch XVI, 4. 5. Eilfter Versuch III.

XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
ſamkeit im Traume mit den Empfindungen des aͤußern
Gefuͤhls in Verhaͤltniß ſtehen moͤge. Und geſetzt, es
ſind nicht klare aͤußere Empfindungen, ohne welche die
Seele ſich als ein ſelbſtthaͤtiges Weſen vor ſich ſelbſt
nicht zeigen kann, ſo ſind es doch innerliche koͤrperliche
Gefuͤhle, die hiezu erfodert werden.

Alſo iſt die rege thaͤtige Seelenkraft, das in-
nere wirkende Princip,
wenn ſie ſich ſelbſtbeſtim-
met, abhaͤngig von andern Dingen, und die Wirk-
ſamkeit deſſelben iſt hoͤchſtens nichts mehr, als eine von
andern Urſachen erweckte Selbſtthaͤtigkeit.

Dieß letztere, naͤmlich eine erweckte aber wahre
Selbſtthaͤtigkeit
iſt es auch, was ihre Wirkſamkeit
ausmacht. Zu derjenigen Gattung von unſelbſtthaͤ-
tigen
Weſen, welche ſelbſt kein inneres Princip ihrer
Wirkungen beſitzen, und nur Jnſtrumente fremder
Kraͤfte ſind, nur Kanaͤle, wodurch die wahren Quellen
aller Thaͤtigkeit und alles deſſen, was hervorgebracht
wird, hindurchgehen, gehoͤrt ſie ganz gewiß nicht.
Sie iſt nicht der Hammer, wozu ihr Koͤrper die Hand
iſt, die ihn fuͤhret, noch die Kugel, die nur ſo viel be-
wegende Kraft hat, als ihr durch die Schwere im Fal-
len gegeben iſt. Zuverlaͤßig hat ſie ſelbſt ein inneres
Princip zur Thaͤtigkeit. Jn ihren aͤußern Empfindun-
gen verhaͤlt ſie ſich am leidentlichſten, und dennoch giebet
eine etwas genaue Beobachtung gute Gruͤnde an die
Hand, *) zu glauben, daß auch zu den leidentlichſten
Gefuͤhlen, die in ihr entſtehen, die innere Naturkraft
etwas thaͤtig beytrage. Dieſe Mitwirkſamkeit des in-
nern Princips iſt die Selbſtthaͤtigkeit, worinn der Grund
zu dem Vermoͤgen lieget, Vorſtellungen zu haben und
zu reproduciren.

Jſt
*) Erſter Verſuch XVI, 4. 5. Eilfter Verſuch III.
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[68/0098] XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit ſamkeit im Traume mit den Empfindungen des aͤußern Gefuͤhls in Verhaͤltniß ſtehen moͤge. Und geſetzt, es ſind nicht klare aͤußere Empfindungen, ohne welche die Seele ſich als ein ſelbſtthaͤtiges Weſen vor ſich ſelbſt nicht zeigen kann, ſo ſind es doch innerliche koͤrperliche Gefuͤhle, die hiezu erfodert werden. Alſo iſt die rege thaͤtige Seelenkraft, das in- nere wirkende Princip, wenn ſie ſich ſelbſtbeſtim- met, abhaͤngig von andern Dingen, und die Wirk- ſamkeit deſſelben iſt hoͤchſtens nichts mehr, als eine von andern Urſachen erweckte Selbſtthaͤtigkeit. Dieß letztere, naͤmlich eine erweckte aber wahre Selbſtthaͤtigkeit iſt es auch, was ihre Wirkſamkeit ausmacht. Zu derjenigen Gattung von unſelbſtthaͤ- tigen Weſen, welche ſelbſt kein inneres Princip ihrer Wirkungen beſitzen, und nur Jnſtrumente fremder Kraͤfte ſind, nur Kanaͤle, wodurch die wahren Quellen aller Thaͤtigkeit und alles deſſen, was hervorgebracht wird, hindurchgehen, gehoͤrt ſie ganz gewiß nicht. Sie iſt nicht der Hammer, wozu ihr Koͤrper die Hand iſt, die ihn fuͤhret, noch die Kugel, die nur ſo viel be- wegende Kraft hat, als ihr durch die Schwere im Fal- len gegeben iſt. Zuverlaͤßig hat ſie ſelbſt ein inneres Princip zur Thaͤtigkeit. Jn ihren aͤußern Empfindun- gen verhaͤlt ſie ſich am leidentlichſten, und dennoch giebet eine etwas genaue Beobachtung gute Gruͤnde an die Hand, *) zu glauben, daß auch zu den leidentlichſten Gefuͤhlen, die in ihr entſtehen, die innere Naturkraft etwas thaͤtig beytrage. Dieſe Mitwirkſamkeit des in- nern Princips iſt die Selbſtthaͤtigkeit, worinn der Grund zu dem Vermoͤgen lieget, Vorſtellungen zu haben und zu reproduciren. Jſt *) Erſter Verſuch XVI, 4. 5. Eilfter Verſuch III.

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/98>, abgerufen am 21.11.2024.