Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.sein Gleichmut wie Gefühllosigkeit erscheint. Auf Jagd- und Kriegs- Über wichtige Dinge, über Krieg und Frieden, über Bündnisse sein Gleichmut wie Gefühllosigkeit erscheint. Auf Jagd- und Kriegs- Über wichtige Dinge, über Krieg und Frieden, über Bündnisse <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0060" corresp="http://gei-digital.gei.de/viewer/image/PPN733267742/00000060" n="— 56 —"/> sein Gleichmut wie Gefühllosigkeit erscheint. Auf Jagd- und Kriegs-<lb/> zügen ist er listig, wachsam und ausdauernd; seine Sinne sind wie<lb/> die aller Naturvölker ungemein entwickelt, und mit erstaunlicher<lb/> Sicherheit weiß er die Tierfährten und Fußtritte seiner Feinde zu<lb/> unterscheiden. Der Indianer ist gegen Fremde gastfrei, gegen<lb/> Wohltäter dankbar, aber gegen Feinde und Kriegsgefangene, gleich-<lb/> viel ob sie Weiße oder Indianer sind, rachgierig und grausam. Der<lb/> Verkehr mit dem Indianer ist für einen Fremden nicht leicht. Das<lb/> ist zum guten Teil in der zur Schau getragenen Gleichgültigkeit<lb/> und Verschlossenheit begründet, die im Charakter des roten Mannes<lb/> liegt, zum Teil erklärt sich das aus den damit im Zusammenhang<lb/> stehenden Ansichten, die der Indianer sich über das gebildet hat,<lb/> was er für schicklich hält. Das trifft merkwürdigerweise mit den<lb/> Anforderungen zusammen, die der Europäer in Rücksicht auf ge-<lb/> sellschaftlichen Umgang an einen Mann von Bildung stellt. Wie<lb/> dieser, so ist auch der Indianer im Verkehr höflich und weiß selbst<lb/> dem Gegner und dem ihm unangenehmen Gesellschafter gegenüber<lb/> die Formen des Anstandes zu wahren. Es ist bei ihm nicht Sitte,<lb/> einen Sprechenden zu unterbrechen oder Mißtrauen gegen das ge-<lb/> hörte Wort an den Tag zu legen. Er hält es nicht für schicklich,<lb/> eine Rede sofort zu beantworten; vielmehr fordert sein Anstand,<lb/> je nach der größeren oder geringeren Wichtigkeit, die er der Rede<lb/> beilegt, mit der Antwort zu zögern. Ist der Indianer zu Wider-<lb/> spruch genötigt, so bringt er ihn sicherlich in höflicher Form vor.<lb/> Würdevolles Benehmen und Ernsthaftigkeit zeichnen ihn stets aus<lb/> und werden schon dem Knaben als die Hauptzierden des Mannes<lb/> gepriesen. Schimpfen und Schlagen kommt unter Männern niemals<lb/> vor; sie kämpfen wohl auf Tod und Leben miteinander, aber sie<lb/> behandeln sich achtungsvoll. Wie der Indianer jedem mit gemessener<lb/> Höflichkeit begegnet, so fordert er dieselbe auch für sich. Bei<lb/> Beleidigungen bewahrt er Ruhe und die gleichgültige Miene, die<lb/> er stets zur Schau trägt, obschon er bereits auf Rache sinnt. So<lb/> kommt es, daß der Fremde sich leicht täuschen läßt, wenigstens<lb/> niemals recht weiß, welchen Schluß er aus dem Benehmen des<lb/> Indianers auf dessen Seelenstimmung zu ziehen hat.</p><lb/> <p>Über wichtige Dinge, über Krieg und Frieden, über Bündnisse<lb/> mit anderen Stämmen, wurde in feierlicher Versammlung in einer<lb/> Weise beraten, die dem ernsten Charakter des Indianers, der jede<lb/> Handlung und jedes Wort sorgfältig abwägt, entsprach. Den be-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [— 56 —/0060]
sein Gleichmut wie Gefühllosigkeit erscheint. Auf Jagd- und Kriegs-
zügen ist er listig, wachsam und ausdauernd; seine Sinne sind wie
die aller Naturvölker ungemein entwickelt, und mit erstaunlicher
Sicherheit weiß er die Tierfährten und Fußtritte seiner Feinde zu
unterscheiden. Der Indianer ist gegen Fremde gastfrei, gegen
Wohltäter dankbar, aber gegen Feinde und Kriegsgefangene, gleich-
viel ob sie Weiße oder Indianer sind, rachgierig und grausam. Der
Verkehr mit dem Indianer ist für einen Fremden nicht leicht. Das
ist zum guten Teil in der zur Schau getragenen Gleichgültigkeit
und Verschlossenheit begründet, die im Charakter des roten Mannes
liegt, zum Teil erklärt sich das aus den damit im Zusammenhang
stehenden Ansichten, die der Indianer sich über das gebildet hat,
was er für schicklich hält. Das trifft merkwürdigerweise mit den
Anforderungen zusammen, die der Europäer in Rücksicht auf ge-
sellschaftlichen Umgang an einen Mann von Bildung stellt. Wie
dieser, so ist auch der Indianer im Verkehr höflich und weiß selbst
dem Gegner und dem ihm unangenehmen Gesellschafter gegenüber
die Formen des Anstandes zu wahren. Es ist bei ihm nicht Sitte,
einen Sprechenden zu unterbrechen oder Mißtrauen gegen das ge-
hörte Wort an den Tag zu legen. Er hält es nicht für schicklich,
eine Rede sofort zu beantworten; vielmehr fordert sein Anstand,
je nach der größeren oder geringeren Wichtigkeit, die er der Rede
beilegt, mit der Antwort zu zögern. Ist der Indianer zu Wider-
spruch genötigt, so bringt er ihn sicherlich in höflicher Form vor.
Würdevolles Benehmen und Ernsthaftigkeit zeichnen ihn stets aus
und werden schon dem Knaben als die Hauptzierden des Mannes
gepriesen. Schimpfen und Schlagen kommt unter Männern niemals
vor; sie kämpfen wohl auf Tod und Leben miteinander, aber sie
behandeln sich achtungsvoll. Wie der Indianer jedem mit gemessener
Höflichkeit begegnet, so fordert er dieselbe auch für sich. Bei
Beleidigungen bewahrt er Ruhe und die gleichgültige Miene, die
er stets zur Schau trägt, obschon er bereits auf Rache sinnt. So
kommt es, daß der Fremde sich leicht täuschen läßt, wenigstens
niemals recht weiß, welchen Schluß er aus dem Benehmen des
Indianers auf dessen Seelenstimmung zu ziehen hat.
Über wichtige Dinge, über Krieg und Frieden, über Bündnisse
mit anderen Stämmen, wurde in feierlicher Versammlung in einer
Weise beraten, die dem ernsten Charakter des Indianers, der jede
Handlung und jedes Wort sorgfältig abwägt, entsprach. Den be-
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