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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Die Erbpacht.
sichtsvollere Landwirthe sich zu größern Erbpachtungen melden, da gebe man sie
ihnen, wie sie solche verlangen, vorausgesetzt, daß sie solche eben so theuer be-
zahlen wollen, wie die Liebhaber kleinere. Wo aber eine größere Konkurrenz
von solchen ist, welche nicht das Vermögen und die Uebersicht für größere Wirth-
schaften haben, da gebe man ihnen auch kleine. Diese Nachfrage nach großen,
mittlern und kleinen Erbpachtsbesitzungen wird am sichersten anzeigen, welche
Größe nach dem Kulturzustande des Volks und der ackerbautreibenden Klasse nach
der Art des Grund und Bodens und nach der Lokalität die nutzbarsten sind.

Der Streit über die Vorzüge der großen und der kleinen Wirthschaften kann
ohne bestimmte Lokalität durchaus nicht entschieden werden. Jede hat im Allge-
meinen ihre eigene, die ich in meiner englischen Landwirthschaft, B. II. Abth. 2.
S. 91. und folgenden, kurz gegen einander zu stellen versucht habe. Ich gestehe
aber nach meiner jetzigen Ueberzeugung, daß ich daselbst auf die Schaale der
großen Wirthschaften im Allgemeinen ein zu großes Uebergewicht gelegt habe.
Wo unter den kleinern Besitzern wahre Betriebsamkeit und verhältnißmäßiges
Vermögen sich findet, und sie in ihrem Betriebe uneingeschränkt und anderweitig
nicht zu sehr belastet sind, da wird ein fruchtbarer Grund und Boden durch kleine
Besitzer, die ihn mit eigenen Händen oder doch unter eigenen unverwandten Augen
bearbeiten, nicht nur -- wie vielleicht jeder zugiebt -- mehr produziren, son-
dern auch -- was man um so mehr läugnet -- größern reinen Ertrag geben
können. Die Besorgniß, daß hier von den Produzenten Alles wieder konsumirt
werde und folglich nichts zum Verkauf käme, ist völlig eitel, und kann nur aus
der Ansicht der aus ganz andern Ursachen so jämmerlichen Bauerwirthschaften ge-
wisser Gegenden entstanden seyn. Wenn kleine Erbpächter ihren Kanon bezah-
len, so manche Dinge ankaufen, nach ihrer Art wohl leben und sich dennoch etwas
erübrigen können, -- wie davon so viele Beispiele in manchen Gegenden, deren
Boden keinesweges durch besondere Fruchtbarkeit ausgezeichnet ist, vor Augen
liegen, -- so müssen sie ja nothwendig Ueberschuß zum Verkaufe haben, und
dieser Ueberschuß wird, wenn man die Sache genau untersucht, den übertreffen,
welchen große Güter von einem gleichen Areal aufweisen können.

Jedoch ist dabei auf den Kulturzustand jeder Gegend und auf die Bevölke-
rung Rücksicht zu nehmen. In unbevölkerten und in der Kultur weiter zurück-
stehenden Distrikten, wo die Arbeit nach Verhältniß weit theurer wie der Grund

Die Erbpacht.
ſichtsvollere Landwirthe ſich zu groͤßern Erbpachtungen melden, da gebe man ſie
ihnen, wie ſie ſolche verlangen, vorausgeſetzt, daß ſie ſolche eben ſo theuer be-
zahlen wollen, wie die Liebhaber kleinere. Wo aber eine groͤßere Konkurrenz
von ſolchen iſt, welche nicht das Vermoͤgen und die Ueberſicht fuͤr groͤßere Wirth-
ſchaften haben, da gebe man ihnen auch kleine. Dieſe Nachfrage nach großen,
mittlern und kleinen Erbpachtsbeſitzungen wird am ſicherſten anzeigen, welche
Groͤße nach dem Kulturzuſtande des Volks und der ackerbautreibenden Klaſſe nach
der Art des Grund und Bodens und nach der Lokalitaͤt die nutzbarſten ſind.

Der Streit uͤber die Vorzuͤge der großen und der kleinen Wirthſchaften kann
ohne beſtimmte Lokalitaͤt durchaus nicht entſchieden werden. Jede hat im Allge-
meinen ihre eigene, die ich in meiner engliſchen Landwirthſchaft, B. II. Abth. 2.
S. 91. und folgenden, kurz gegen einander zu ſtellen verſucht habe. Ich geſtehe
aber nach meiner jetzigen Ueberzeugung, daß ich daſelbſt auf die Schaale der
großen Wirthſchaften im Allgemeinen ein zu großes Uebergewicht gelegt habe.
Wo unter den kleinern Beſitzern wahre Betriebſamkeit und verhaͤltnißmaͤßiges
Vermoͤgen ſich findet, und ſie in ihrem Betriebe uneingeſchraͤnkt und anderweitig
nicht zu ſehr belaſtet ſind, da wird ein fruchtbarer Grund und Boden durch kleine
Beſitzer, die ihn mit eigenen Haͤnden oder doch unter eigenen unverwandten Augen
bearbeiten, nicht nur — wie vielleicht jeder zugiebt — mehr produziren, ſon-
dern auch — was man um ſo mehr laͤugnet — groͤßern reinen Ertrag geben
koͤnnen. Die Beſorgniß, daß hier von den Produzenten Alles wieder konſumirt
werde und folglich nichts zum Verkauf kaͤme, iſt voͤllig eitel, und kann nur aus
der Anſicht der aus ganz andern Urſachen ſo jaͤmmerlichen Bauerwirthſchaften ge-
wiſſer Gegenden entſtanden ſeyn. Wenn kleine Erbpaͤchter ihren Kanon bezah-
len, ſo manche Dinge ankaufen, nach ihrer Art wohl leben und ſich dennoch etwas
eruͤbrigen koͤnnen, — wie davon ſo viele Beiſpiele in manchen Gegenden, deren
Boden keinesweges durch beſondere Fruchtbarkeit ausgezeichnet iſt, vor Augen
liegen, — ſo muͤſſen ſie ja nothwendig Ueberſchuß zum Verkaufe haben, und
dieſer Ueberſchuß wird, wenn man die Sache genau unterſucht, den uͤbertreffen,
welchen große Guͤter von einem gleichen Areal aufweiſen koͤnnen.

Jedoch iſt dabei auf den Kulturzuſtand jeder Gegend und auf die Bevoͤlke-
rung Ruͤckſicht zu nehmen. In unbevoͤlkerten und in der Kultur weiter zuruͤck-
ſtehenden Diſtrikten, wo die Arbeit nach Verhaͤltniß weit theurer wie der Grund

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[92/0122] Die Erbpacht. ſichtsvollere Landwirthe ſich zu groͤßern Erbpachtungen melden, da gebe man ſie ihnen, wie ſie ſolche verlangen, vorausgeſetzt, daß ſie ſolche eben ſo theuer be- zahlen wollen, wie die Liebhaber kleinere. Wo aber eine groͤßere Konkurrenz von ſolchen iſt, welche nicht das Vermoͤgen und die Ueberſicht fuͤr groͤßere Wirth- ſchaften haben, da gebe man ihnen auch kleine. Dieſe Nachfrage nach großen, mittlern und kleinen Erbpachtsbeſitzungen wird am ſicherſten anzeigen, welche Groͤße nach dem Kulturzuſtande des Volks und der ackerbautreibenden Klaſſe nach der Art des Grund und Bodens und nach der Lokalitaͤt die nutzbarſten ſind. Der Streit uͤber die Vorzuͤge der großen und der kleinen Wirthſchaften kann ohne beſtimmte Lokalitaͤt durchaus nicht entſchieden werden. Jede hat im Allge- meinen ihre eigene, die ich in meiner engliſchen Landwirthſchaft, B. II. Abth. 2. S. 91. und folgenden, kurz gegen einander zu ſtellen verſucht habe. Ich geſtehe aber nach meiner jetzigen Ueberzeugung, daß ich daſelbſt auf die Schaale der großen Wirthſchaften im Allgemeinen ein zu großes Uebergewicht gelegt habe. Wo unter den kleinern Beſitzern wahre Betriebſamkeit und verhaͤltnißmaͤßiges Vermoͤgen ſich findet, und ſie in ihrem Betriebe uneingeſchraͤnkt und anderweitig nicht zu ſehr belaſtet ſind, da wird ein fruchtbarer Grund und Boden durch kleine Beſitzer, die ihn mit eigenen Haͤnden oder doch unter eigenen unverwandten Augen bearbeiten, nicht nur — wie vielleicht jeder zugiebt — mehr produziren, ſon- dern auch — was man um ſo mehr laͤugnet — groͤßern reinen Ertrag geben koͤnnen. Die Beſorgniß, daß hier von den Produzenten Alles wieder konſumirt werde und folglich nichts zum Verkauf kaͤme, iſt voͤllig eitel, und kann nur aus der Anſicht der aus ganz andern Urſachen ſo jaͤmmerlichen Bauerwirthſchaften ge- wiſſer Gegenden entſtanden ſeyn. Wenn kleine Erbpaͤchter ihren Kanon bezah- len, ſo manche Dinge ankaufen, nach ihrer Art wohl leben und ſich dennoch etwas eruͤbrigen koͤnnen, — wie davon ſo viele Beiſpiele in manchen Gegenden, deren Boden keinesweges durch beſondere Fruchtbarkeit ausgezeichnet iſt, vor Augen liegen, — ſo muͤſſen ſie ja nothwendig Ueberſchuß zum Verkaufe haben, und dieſer Ueberſchuß wird, wenn man die Sache genau unterſucht, den uͤbertreffen, welchen große Guͤter von einem gleichen Areal aufweiſen koͤnnen. Jedoch iſt dabei auf den Kulturzuſtand jeder Gegend und auf die Bevoͤlke- rung Ruͤckſicht zu nehmen. In unbevoͤlkerten und in der Kultur weiter zuruͤck- ſtehenden Diſtrikten, wo die Arbeit nach Verhaͤltniß weit theurer wie der Grund

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/122>, abgerufen am 21.11.2024.