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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Die Koppelwirthschaft.
der Kornbau würde dadurch zu sehr beschränkt, und hielt es für eine Schande der
Kultur, so vieles Land unbestellt liegen zu lassen. Man glaubte, die Verminderung
der Arbeit sei der einzige Grund des Beifalls, den es hin und wieder erhalten habe,
man berief sich auf die Einziehung der Bauerhöfe in Mecklenburg, und versicherte
somit, daß es durch verminderte Nahrung und verminderten Verdienst der Menschen
geradezu zur höchsten Entvölkerung des Staates führe.

Die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin machte daher die Frage
über die Anwendbarkeit der Koppelwirthschaft, vorzüglich in der
Mark Brandenburg
, im Jahre 1791 zur Preisaufgabe, zu deren Beantwor-
tung sehr viele Schriften einliefen; noch mehrere aber durch die über selbige entstan-
dene Streitigkeiten, besonders durch die von dem Staatsminister Grafen von Herz-
berg
über diesen Gegenstand gehaltene Vorlesung, worin er sich gegen die Koppel-
wirthschaft erklärte, herauskamen. Diese Schriften sind von verschiedenem Gehalte,
und haben vielleicht sämmtlich in einzelner Hinsicht Verdienst. Allein sie stellen weder
die Verhältnisse der Wirthschaften klar genug gegen einander, noch geben die meisten
von ihnen eine hinlänglich deutliche Ansicht von der Koppelwirthschaft dem, der sie
gar nicht kennt.

§. 322.

Das Wesentlichste der Koppelwirthschaft, welches aber von den Gegnern dersel-
ben am meisten übersehen worden, ist, daß sie ihren sämmtlichen Grund und Boden,
der dem Pfluge seiner physischen Beschaffenheit nach einigermaßen unterworfen wer-
den kann, in ihrem Wechsel mit aufnimmt. Sie hat kein Fleckchen Landes, welches
sie nicht kultivirt, wenn es der Kultur fähig ist. Nur der zu feuchte, unabwässerliche
Boden ist zu Wiesen; der zu steile und vielleicht zu abgelegene dem Holze gewidmet;
dann aber auch dieser Benutzung ausschließlich. Sie bedarf keiner Weide auf Wie-
sen, oder benutzt diese wenigstens nicht anders dazu, als in dem Falle, daß es ihnen
im Frühjahre und Spätherbste völlig unschädlich wäre. Jahre Holzung aber ist voll-
kommen geschlossen, und kein Stück Vieh unterdrückt den jungen Ausschlag oder be-
nagt die aufgewachsenen Bäume. Besondere Weidereviere aber gestattet sie durchaus
nicht, sondern Alles, was eine Reihe von Jahren zur Viehweide diente, kommt nun,
durch Weidedünger und Rasenfäulniß in Kraft gesetzt, eine andere Reihe von Jahren

Die Koppelwirthſchaft.
der Kornbau wuͤrde dadurch zu ſehr beſchraͤnkt, und hielt es fuͤr eine Schande der
Kultur, ſo vieles Land unbeſtellt liegen zu laſſen. Man glaubte, die Verminderung
der Arbeit ſei der einzige Grund des Beifalls, den es hin und wieder erhalten habe,
man berief ſich auf die Einziehung der Bauerhoͤfe in Mecklenburg, und verſicherte
ſomit, daß es durch verminderte Nahrung und verminderten Verdienſt der Menſchen
geradezu zur hoͤchſten Entvoͤlkerung des Staates fuͤhre.

Die Koͤnigliche Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin machte daher die Frage
uͤber die Anwendbarkeit der Koppelwirthſchaft, vorzuͤglich in der
Mark Brandenburg
, im Jahre 1791 zur Preisaufgabe, zu deren Beantwor-
tung ſehr viele Schriften einliefen; noch mehrere aber durch die uͤber ſelbige entſtan-
dene Streitigkeiten, beſonders durch die von dem Staatsminiſter Grafen von Herz-
berg
uͤber dieſen Gegenſtand gehaltene Vorleſung, worin er ſich gegen die Koppel-
wirthſchaft erklaͤrte, herauskamen. Dieſe Schriften ſind von verſchiedenem Gehalte,
und haben vielleicht ſaͤmmtlich in einzelner Hinſicht Verdienſt. Allein ſie ſtellen weder
die Verhaͤltniſſe der Wirthſchaften klar genug gegen einander, noch geben die meiſten
von ihnen eine hinlaͤnglich deutliche Anſicht von der Koppelwirthſchaft dem, der ſie
gar nicht kennt.

§. 322.

Das Weſentlichſte der Koppelwirthſchaft, welches aber von den Gegnern derſel-
ben am meiſten uͤberſehen worden, iſt, daß ſie ihren ſaͤmmtlichen Grund und Boden,
der dem Pfluge ſeiner phyſiſchen Beſchaffenheit nach einigermaßen unterworfen wer-
den kann, in ihrem Wechſel mit aufnimmt. Sie hat kein Fleckchen Landes, welches
ſie nicht kultivirt, wenn es der Kultur faͤhig iſt. Nur der zu feuchte, unabwaͤſſerliche
Boden iſt zu Wieſen; der zu ſteile und vielleicht zu abgelegene dem Holze gewidmet;
dann aber auch dieſer Benutzung ausſchließlich. Sie bedarf keiner Weide auf Wie-
ſen, oder benutzt dieſe wenigſtens nicht anders dazu, als in dem Falle, daß es ihnen
im Fruͤhjahre und Spaͤtherbſte voͤllig unſchaͤdlich waͤre. Jahre Holzung aber iſt voll-
kommen geſchloſſen, und kein Stuͤck Vieh unterdruͤckt den jungen Ausſchlag oder be-
nagt die aufgewachſenen Baͤume. Beſondere Weidereviere aber geſtattet ſie durchaus
nicht, ſondern Alles, was eine Reihe von Jahren zur Viehweide diente, kommt nun,
durch Weideduͤnger und Raſenfaͤulniß in Kraft geſetzt, eine andere Reihe von Jahren

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[314/0360] Die Koppelwirthſchaft. der Kornbau wuͤrde dadurch zu ſehr beſchraͤnkt, und hielt es fuͤr eine Schande der Kultur, ſo vieles Land unbeſtellt liegen zu laſſen. Man glaubte, die Verminderung der Arbeit ſei der einzige Grund des Beifalls, den es hin und wieder erhalten habe, man berief ſich auf die Einziehung der Bauerhoͤfe in Mecklenburg, und verſicherte ſomit, daß es durch verminderte Nahrung und verminderten Verdienſt der Menſchen geradezu zur hoͤchſten Entvoͤlkerung des Staates fuͤhre. Die Koͤnigliche Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin machte daher die Frage uͤber die Anwendbarkeit der Koppelwirthſchaft, vorzuͤglich in der Mark Brandenburg, im Jahre 1791 zur Preisaufgabe, zu deren Beantwor- tung ſehr viele Schriften einliefen; noch mehrere aber durch die uͤber ſelbige entſtan- dene Streitigkeiten, beſonders durch die von dem Staatsminiſter Grafen von Herz- berg uͤber dieſen Gegenſtand gehaltene Vorleſung, worin er ſich gegen die Koppel- wirthſchaft erklaͤrte, herauskamen. Dieſe Schriften ſind von verſchiedenem Gehalte, und haben vielleicht ſaͤmmtlich in einzelner Hinſicht Verdienſt. Allein ſie ſtellen weder die Verhaͤltniſſe der Wirthſchaften klar genug gegen einander, noch geben die meiſten von ihnen eine hinlaͤnglich deutliche Anſicht von der Koppelwirthſchaft dem, der ſie gar nicht kennt. §. 322. Das Weſentlichſte der Koppelwirthſchaft, welches aber von den Gegnern derſel- ben am meiſten uͤberſehen worden, iſt, daß ſie ihren ſaͤmmtlichen Grund und Boden, der dem Pfluge ſeiner phyſiſchen Beſchaffenheit nach einigermaßen unterworfen wer- den kann, in ihrem Wechſel mit aufnimmt. Sie hat kein Fleckchen Landes, welches ſie nicht kultivirt, wenn es der Kultur faͤhig iſt. Nur der zu feuchte, unabwaͤſſerliche Boden iſt zu Wieſen; der zu ſteile und vielleicht zu abgelegene dem Holze gewidmet; dann aber auch dieſer Benutzung ausſchließlich. Sie bedarf keiner Weide auf Wie- ſen, oder benutzt dieſe wenigſtens nicht anders dazu, als in dem Falle, daß es ihnen im Fruͤhjahre und Spaͤtherbſte voͤllig unſchaͤdlich waͤre. Jahre Holzung aber iſt voll- kommen geſchloſſen, und kein Stuͤck Vieh unterdruͤckt den jungen Ausſchlag oder be- nagt die aufgewachſenen Baͤume. Beſondere Weidereviere aber geſtattet ſie durchaus nicht, ſondern Alles, was eine Reihe von Jahren zur Viehweide diente, kommt nun, durch Weideduͤnger und Raſenfaͤulniß in Kraft geſetzt, eine andere Reihe von Jahren

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/360>, abgerufen am 23.11.2024.