Wären die Zinsen des Grundkapitals zu 4 Prozent anzunehmen, so müßten sie für dieses schon zu 6 Prozent berechnet werden.
Das umlaufende oder Betriebskapital ist den größten Gefahren un- terworfen, ist die Bedingung des ganzen Gewerbes, und erfordert zu seiner Verwal- tung große Aufmerksamkeit und Kenntnisse. Deshalb muß es, wie das Betriebs- kapital jedes Gewerbes, hohe Zinsen tragen und mindestens zu 12 Prozent angesetzt werden. Denn hierin besteht der Vortheil, der eigentlich aus dem Gewerbe her- vorgeht.
Wenn demnach ein Eigenthümer sein Gut selbst bewirthschaftet, so muß er wohl unterscheiden, wie er den Ertrag seines Gutes als Rente dieser verschiedenen Kapitale zu berechnen habe. Den Grundwerth seines Guts würde er auch verzins't erhalten, wenn er es verpachtete oder verkaufte, und das Kapital anderwärts sicher belegte. Dasselbe wäre der Fall mit dem Inventarium, wenn er es etwa unter gleicher Unsicherheit einem andern überließe. Die Zinsen beider müssen also vom Ertrage der Wirthschaft abgezogen werden, und was dann bleibt, ist der reine Er- werb der Wirthschaftsführung, der aus dem angelegten Betriebskapital hervorgeht, und der mit diesem in Verhältnissen steht, wenn man gleiche Kenntnisse und Fleiß voraussetzt. Wollte man noch genauer unterscheiden, so könnte man noch ein beson- deres Kapital gesammelter Kenntnisse, -- welches allerdings nur durch Anstren- gung und Aufwand gleich andern Kapitalen erworben wird -- annehmen, und wenn z. B. ein geschickter Wirthschaftsverwalter, einen über Verhältniß jener sämmtlichen Kapitale hinausgehenden Ertrag durch seine Geschicklichkeit hervor- brächte, so wäre der Ueberschuß seinem Kenntnißkapitale zuzuschreiben.
§. 53.
Durch diese genaue Unterscheidung wird der höchst fehlerhafte Schluß vom Er- trage eines Landguts auf dessen Werth vermieden, und wiederum das Schwankende der Erwartungen, die man sich nach dem Grundwerthe des Guts oder vom Ertrage der Wirthschaft macht, fester bestimmt.
§. 54.
In welchem Verhältnisse diese Kapitale gegen einander stehen müssen, läßt sichVerhältnisse dieser Kapi- tale gegen einander. nicht im Allgemeinen bestimmen, sondern nur in jedem einzelnen Falle nach genauer Erwägung der Lokalitäten. Nur dieses: wer ein beschränktes Kapital besitzt, wird
D 2
Das Kapital.
Waͤren die Zinſen des Grundkapitals zu 4 Prozent anzunehmen, ſo muͤßten ſie fuͤr dieſes ſchon zu 6 Prozent berechnet werden.
Das umlaufende oder Betriebskapital iſt den groͤßten Gefahren un- terworfen, iſt die Bedingung des ganzen Gewerbes, und erfordert zu ſeiner Verwal- tung große Aufmerkſamkeit und Kenntniſſe. Deshalb muß es, wie das Betriebs- kapital jedes Gewerbes, hohe Zinſen tragen und mindeſtens zu 12 Prozent angeſetzt werden. Denn hierin beſteht der Vortheil, der eigentlich aus dem Gewerbe her- vorgeht.
Wenn demnach ein Eigenthuͤmer ſein Gut ſelbſt bewirthſchaftet, ſo muß er wohl unterſcheiden, wie er den Ertrag ſeines Gutes als Rente dieſer verſchiedenen Kapitale zu berechnen habe. Den Grundwerth ſeines Guts wuͤrde er auch verzinſ't erhalten, wenn er es verpachtete oder verkaufte, und das Kapital anderwaͤrts ſicher belegte. Daſſelbe waͤre der Fall mit dem Inventarium, wenn er es etwa unter gleicher Unſicherheit einem andern uͤberließe. Die Zinſen beider muͤſſen alſo vom Ertrage der Wirthſchaft abgezogen werden, und was dann bleibt, iſt der reine Er- werb der Wirthſchaftsfuͤhrung, der aus dem angelegten Betriebskapital hervorgeht, und der mit dieſem in Verhaͤltniſſen ſteht, wenn man gleiche Kenntniſſe und Fleiß vorausſetzt. Wollte man noch genauer unterſcheiden, ſo koͤnnte man noch ein beſon- deres Kapital geſammelter Kenntniſſe, — welches allerdings nur durch Anſtren- gung und Aufwand gleich andern Kapitalen erworben wird — annehmen, und wenn z. B. ein geſchickter Wirthſchaftsverwalter, einen uͤber Verhaͤltniß jener ſaͤmmtlichen Kapitale hinausgehenden Ertrag durch ſeine Geſchicklichkeit hervor- braͤchte, ſo waͤre der Ueberſchuß ſeinem Kenntnißkapitale zuzuſchreiben.
§. 53.
Durch dieſe genaue Unterſcheidung wird der hoͤchſt fehlerhafte Schluß vom Er- trage eines Landguts auf deſſen Werth vermieden, und wiederum das Schwankende der Erwartungen, die man ſich nach dem Grundwerthe des Guts oder vom Ertrage der Wirthſchaft macht, feſter beſtimmt.
§. 54.
In welchem Verhaͤltniſſe dieſe Kapitale gegen einander ſtehen muͤſſen, laͤßt ſichVerhaͤltniſſe dieſer Kapi- tale gegen einander. nicht im Allgemeinen beſtimmen, ſondern nur in jedem einzelnen Falle nach genauer Erwaͤgung der Lokalitaͤten. Nur dieſes: wer ein beſchraͤnktes Kapital beſitzt, wird
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Das Kapital.
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Das umlaufende oder Betriebskapital iſt den groͤßten Gefahren un-
terworfen, iſt die Bedingung des ganzen Gewerbes, und erfordert zu ſeiner Verwal-
tung große Aufmerkſamkeit und Kenntniſſe. Deshalb muß es, wie das Betriebs-
kapital jedes Gewerbes, hohe Zinſen tragen und mindeſtens zu 12 Prozent angeſetzt
werden. Denn hierin beſteht der Vortheil, der eigentlich aus dem Gewerbe her-
vorgeht.
Wenn demnach ein Eigenthuͤmer ſein Gut ſelbſt bewirthſchaftet, ſo muß er
wohl unterſcheiden, wie er den Ertrag ſeines Gutes als Rente dieſer verſchiedenen
Kapitale zu berechnen habe. Den Grundwerth ſeines Guts wuͤrde er auch verzinſ't
erhalten, wenn er es verpachtete oder verkaufte, und das Kapital anderwaͤrts ſicher
belegte. Daſſelbe waͤre der Fall mit dem Inventarium, wenn er es etwa unter
gleicher Unſicherheit einem andern uͤberließe. Die Zinſen beider muͤſſen alſo vom
Ertrage der Wirthſchaft abgezogen werden, und was dann bleibt, iſt der reine Er-
werb der Wirthſchaftsfuͤhrung, der aus dem angelegten Betriebskapital hervorgeht,
und der mit dieſem in Verhaͤltniſſen ſteht, wenn man gleiche Kenntniſſe und Fleiß
vorausſetzt. Wollte man noch genauer unterſcheiden, ſo koͤnnte man noch ein beſon-
deres Kapital geſammelter Kenntniſſe, — welches allerdings nur durch Anſtren-
gung und Aufwand gleich andern Kapitalen erworben wird — annehmen, und
wenn z. B. ein geſchickter Wirthſchaftsverwalter, einen uͤber Verhaͤltniß jener
ſaͤmmtlichen Kapitale hinausgehenden Ertrag durch ſeine Geſchicklichkeit hervor-
braͤchte, ſo waͤre der Ueberſchuß ſeinem Kenntnißkapitale zuzuſchreiben.
§. 53.
Durch dieſe genaue Unterſcheidung wird der hoͤchſt fehlerhafte Schluß vom Er-
trage eines Landguts auf deſſen Werth vermieden, und wiederum das Schwankende
der Erwartungen, die man ſich nach dem Grundwerthe des Guts oder vom Ertrage
der Wirthſchaft macht, feſter beſtimmt.
§. 54.
In welchem Verhaͤltniſſe dieſe Kapitale gegen einander ſtehen muͤſſen, laͤßt ſich
nicht im Allgemeinen beſtimmen, ſondern nur in jedem einzelnen Falle nach genauer
Erwaͤgung der Lokalitaͤten. Nur dieſes: wer ein beſchraͤnktes Kapital beſitzt, wird
Verhaͤltniſſe
dieſer Kapi-
tale gegen
einander.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/57>, abgerufen am 16.02.2025.
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