Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.Werthschätzung eines Landguts. werden, der hat eigentlich nur ein Landgut von 50,000 Rthlr. gekauft. Hätte erdas ganze Kapital dem landwirthschaftlichen Gewerbe widmen wollen, so würde er dabei seinen Zweck verfehlt haben. §. 100. Des Zehn- Ueber die Nachtheiligkeit des Zehntens für das zehntpflichtige Gut, und die Der Zehntberechtigte kann zwar vom Zehnten einen ungemein großen Nutzen, Werthſchaͤtzung eines Landguts. werden, der hat eigentlich nur ein Landgut von 50,000 Rthlr. gekauft. Haͤtte erdas ganze Kapital dem landwirthſchaftlichen Gewerbe widmen wollen, ſo wuͤrde er dabei ſeinen Zweck verfehlt haben. §. 100. Des Zehn- Ueber die Nachtheiligkeit des Zehntens fuͤr das zehntpflichtige Gut, und die Der Zehntberechtigte kann zwar vom Zehnten einen ungemein großen Nutzen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0092" n="62"/><fw place="top" type="header">Werthſchaͤtzung eines Landguts.</fw><lb/> werden, der hat eigentlich nur ein Landgut von 50,000 Rthlr. gekauft. Haͤtte er<lb/> das ganze Kapital dem landwirthſchaftlichen Gewerbe widmen wollen, ſo wuͤrde er<lb/> dabei ſeinen Zweck verfehlt haben.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 100.</head><lb/> <p><note place="left">Des Zehn-<lb/> tens.</note>Zu den wichtigſten Naturalienfaͤllen gehoͤrt der Korn-Zehnten, den einige Guͤ-<lb/> ter von andern Feldern ziehen, einige aber auch geben muͤſſen. Er iſt eine Berechti-<lb/> gung von ſehr großer Wichtigkeit, die nicht nur auf den unmittelbaren Ertrag des<lb/> Gutes, ſondern auch vermoͤge des Strohes auf das ganze Bewirthſchaftungsſyſtem<lb/> einen ſehr wichtigen Einfluß hat. Deshalb verdient er eine beſonders genaue Erkun-<lb/> digung uͤber die Art und Weiſe, wie er gezogen wird, uͤber die beſtehenden Anord-<lb/> nungen und Pflichten des Zehntnehmers und Zehntgebers, beſonders ob er erſterem<lb/> auf den Hof gefahren, oder von ihm abgeholt werde, und in Anſehung aller dabei<lb/> vorkommenden Verrichtungen und Gebraͤuche.</p><lb/> <p>Ueber die Nachtheiligkeit des Zehntens fuͤr das zehntpflichtige Gut, und die<lb/> Unmoͤglichkeit, Meliorationen und eine hoͤhere Kultur dabei einzufuͤhren, habe ich<lb/> mich in meiner engliſchen Landwirthſchaft, Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 89, ausfuͤhrlich erklaͤrt, und<lb/> der Zehnten ſchließt alle Kultur um ſo mehr aus, je ſchlechter der Boden iſt; denn<lb/> es giebt der Faͤlle viele, wo er den ganzen reinen Ertrag, und zuweilen mehr, voͤllig<lb/> wegnimmt, weswegen wir denn auch manche Beiſpiele haben, daß der Zehnten <hi rendition="#aq">per</hi><lb/> Morgen hoͤher, als das Land ſelbſt, bezahlt wird. Hieraus erhellet von ſelbſt, daß<lb/> ein zehntpflichtiges Gut zu kaufen — wenn anders nicht die ſicherſte Hoffnung, den<lb/> Zehnten auf eine andere Weiſe zu kompenſiren, vorhanden iſt — durchaus keinem<lb/> nachdenkenden Landwirthe einfallen koͤnne.</p><lb/> <p>Der Zehntberechtigte kann zwar vom Zehnten einen ungemein großen Nutzen,<lb/> beſonders zur Aufhelfung eines ausgeſogenen Gutes, ziehen, indem er die Erhal-<lb/> tung eines ſtaͤrkern Viehſtandes, und folglich eine reichere Bedingung moͤglich macht.<lb/> Indeſſen iſt es merkwuͤrdig, daß in Gegenden, wo faſt alle groͤßere Oekonomien<lb/> Zehnten von pflichtigen Feldern ziehen, und wo man glaubt, daß ſolche ohne Zehn-<lb/> ten gar nicht beſtehen koͤnnen, dieſe Wirthſchaften dennoch auf einem ſehr mittel-<lb/> maͤßigen Grade ſtehen, und ihren Ertrag nicht in dem Verhaͤltniſſe, wie man von<lb/> der oft ſehr großen Strohzufuhr erwarten koͤnnte, vermehrt haben. Die Einrich-<lb/> tung der auf Zehnten berechneten Wirthſchaften iſt oft ſo fehlerhaft, daß es Wohl-<lb/> that ſeyn koͤnnte, durch Aufhebung des Zehntens eine andere zu erzwingen, wo-<lb/> durch mehrentheils der reine Ertrag ohne Naturalzehnten hoͤher, als mit dem Zehn-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0092]
Werthſchaͤtzung eines Landguts.
werden, der hat eigentlich nur ein Landgut von 50,000 Rthlr. gekauft. Haͤtte er
das ganze Kapital dem landwirthſchaftlichen Gewerbe widmen wollen, ſo wuͤrde er
dabei ſeinen Zweck verfehlt haben.
§. 100.
Zu den wichtigſten Naturalienfaͤllen gehoͤrt der Korn-Zehnten, den einige Guͤ-
ter von andern Feldern ziehen, einige aber auch geben muͤſſen. Er iſt eine Berechti-
gung von ſehr großer Wichtigkeit, die nicht nur auf den unmittelbaren Ertrag des
Gutes, ſondern auch vermoͤge des Strohes auf das ganze Bewirthſchaftungsſyſtem
einen ſehr wichtigen Einfluß hat. Deshalb verdient er eine beſonders genaue Erkun-
digung uͤber die Art und Weiſe, wie er gezogen wird, uͤber die beſtehenden Anord-
nungen und Pflichten des Zehntnehmers und Zehntgebers, beſonders ob er erſterem
auf den Hof gefahren, oder von ihm abgeholt werde, und in Anſehung aller dabei
vorkommenden Verrichtungen und Gebraͤuche.
Des Zehn-
tens.
Ueber die Nachtheiligkeit des Zehntens fuͤr das zehntpflichtige Gut, und die
Unmoͤglichkeit, Meliorationen und eine hoͤhere Kultur dabei einzufuͤhren, habe ich
mich in meiner engliſchen Landwirthſchaft, Th. III. S. 89, ausfuͤhrlich erklaͤrt, und
der Zehnten ſchließt alle Kultur um ſo mehr aus, je ſchlechter der Boden iſt; denn
es giebt der Faͤlle viele, wo er den ganzen reinen Ertrag, und zuweilen mehr, voͤllig
wegnimmt, weswegen wir denn auch manche Beiſpiele haben, daß der Zehnten per
Morgen hoͤher, als das Land ſelbſt, bezahlt wird. Hieraus erhellet von ſelbſt, daß
ein zehntpflichtiges Gut zu kaufen — wenn anders nicht die ſicherſte Hoffnung, den
Zehnten auf eine andere Weiſe zu kompenſiren, vorhanden iſt — durchaus keinem
nachdenkenden Landwirthe einfallen koͤnne.
Der Zehntberechtigte kann zwar vom Zehnten einen ungemein großen Nutzen,
beſonders zur Aufhelfung eines ausgeſogenen Gutes, ziehen, indem er die Erhal-
tung eines ſtaͤrkern Viehſtandes, und folglich eine reichere Bedingung moͤglich macht.
Indeſſen iſt es merkwuͤrdig, daß in Gegenden, wo faſt alle groͤßere Oekonomien
Zehnten von pflichtigen Feldern ziehen, und wo man glaubt, daß ſolche ohne Zehn-
ten gar nicht beſtehen koͤnnen, dieſe Wirthſchaften dennoch auf einem ſehr mittel-
maͤßigen Grade ſtehen, und ihren Ertrag nicht in dem Verhaͤltniſſe, wie man von
der oft ſehr großen Strohzufuhr erwarten koͤnnte, vermehrt haben. Die Einrich-
tung der auf Zehnten berechneten Wirthſchaften iſt oft ſo fehlerhaft, daß es Wohl-
that ſeyn koͤnnte, durch Aufhebung des Zehntens eine andere zu erzwingen, wo-
durch mehrentheils der reine Ertrag ohne Naturalzehnten hoͤher, als mit dem Zehn-
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