Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Bodenarten.

Die Vortheile und Nachtheile dieser Lage werden hauptsächlich bestimmt durch
die Grundmischung und übrigen Eigenschaften des Bodens. Der thonige, feuchte
und kalte Boden wird verbessert, wenn er seinen Abhang nach der trocknern Ost- und
Südseite hat, und ist ungleich fehlerhafter, wenn er nach Westen und Norden hängt.
Umgekehrt verhält sichs mit dem sandigen und kalkreichen, trocknen und warmen
Boden, für den der westliche Abhang immer der erwünschteste ist, und der nach Süd-
osten abhängend immer um so stärker von der Dürre leidet. Der nördliche Abhang,
wenn er so steil ist, daß ihn die Sonne nur sehr schräg trifft, ist in keinem Falle
wohlthätig.

§. 160.

Beschattung
oder Licht.
Die Sonnenstrahlen und das Licht werden dem Boden zuweilen durch umlie-
gende Gegenstände entzogen, durch Berge, Waldungen, einzelne hohe Bäume und
Gebäude. Ohne Rücksicht auf die Wärme, welche die Sonnenstrahlen geben, ist
das Licht an sich zum Gedeihen der Pflanzen und vielleicht selbst zur Beförderung
gewisser Zersetzungen im Boden unentbehrlich.

Wir wissen, daß alle Pflanzen das Licht suchen, und sich immer nach der Seite
hinneigen, wo sie es finden. Man bemerkt dies im Freien, deutlicher in Zimmern
und Gewächshäusern, und am auffallendsten, wenn man die Gewächse in hölzerne
Kasten setzt, die nur einige Ritzen haben, zu welchen sich dann die Pflanzen mit dem
äußersten Bestreben hindrängen. In dichten Pflanzungen treiben die Gewächse mit
aller ihrer Kraft in die Höhe, wetteifernd, sich den Vortheil des Lichts abzugewin-
nen. Sie wachsen daher um so stärker und schneller in die Länge, je dichter sie stehen,
aber freilich auf Kosten der Stärke ihrer unteren Theile, die dann schwächer bleiben.
Alle im Dunkeln und im Schatten gewachsene Pflanzen haben ein bleiches, kränkeln-
des Ansehn, ein loses, schlaffes, wassersüchtiges Gewebe, und lange, dünne, kraft-
lose, leicht abbrechende Schüsse; nicht den bestimmten ihnen sonst eigenthümlichen,
sondern einen faden wässrigen Geschmack, ein Zustand, den man im Französischen
mit dem besonderen Ausdrucke etiolement benennt. Je stärker dagegen das Licht
ist, welches die Pflanzen trifft, je vertikaler es auf sie fällt, desto stärker, ausgebil-
deter und kräftiger werden die Pflanzen in allen ihren Theilen und Substanzen. Die
grüne Farbe der Blätter hängt ganz von dem Lichte ab, weswegen auch alle unent-
wickelte Blätter bleich sind. Diese besondere Wirkung des Lichts ist, wie genaue

Die Bodenarten.

Die Vortheile und Nachtheile dieſer Lage werden hauptſaͤchlich beſtimmt durch
die Grundmiſchung und uͤbrigen Eigenſchaften des Bodens. Der thonige, feuchte
und kalte Boden wird verbeſſert, wenn er ſeinen Abhang nach der trocknern Oſt- und
Suͤdſeite hat, und iſt ungleich fehlerhafter, wenn er nach Weſten und Norden haͤngt.
Umgekehrt verhaͤlt ſichs mit dem ſandigen und kalkreichen, trocknen und warmen
Boden, fuͤr den der weſtliche Abhang immer der erwuͤnſchteſte iſt, und der nach Suͤd-
oſten abhaͤngend immer um ſo ſtaͤrker von der Duͤrre leidet. Der noͤrdliche Abhang,
wenn er ſo ſteil iſt, daß ihn die Sonne nur ſehr ſchraͤg trifft, iſt in keinem Falle
wohlthaͤtig.

§. 160.

Beſchattung
oder Licht.
Die Sonnenſtrahlen und das Licht werden dem Boden zuweilen durch umlie-
gende Gegenſtaͤnde entzogen, durch Berge, Waldungen, einzelne hohe Baͤume und
Gebaͤude. Ohne Ruͤckſicht auf die Waͤrme, welche die Sonnenſtrahlen geben, iſt
das Licht an ſich zum Gedeihen der Pflanzen und vielleicht ſelbſt zur Befoͤrderung
gewiſſer Zerſetzungen im Boden unentbehrlich.

Wir wiſſen, daß alle Pflanzen das Licht ſuchen, und ſich immer nach der Seite
hinneigen, wo ſie es finden. Man bemerkt dies im Freien, deutlicher in Zimmern
und Gewaͤchshaͤuſern, und am auffallendſten, wenn man die Gewaͤchſe in hoͤlzerne
Kaſten ſetzt, die nur einige Ritzen haben, zu welchen ſich dann die Pflanzen mit dem
aͤußerſten Beſtreben hindraͤngen. In dichten Pflanzungen treiben die Gewaͤchſe mit
aller ihrer Kraft in die Hoͤhe, wetteifernd, ſich den Vortheil des Lichts abzugewin-
nen. Sie wachſen daher um ſo ſtaͤrker und ſchneller in die Laͤnge, je dichter ſie ſtehen,
aber freilich auf Koſten der Staͤrke ihrer unteren Theile, die dann ſchwaͤcher bleiben.
Alle im Dunkeln und im Schatten gewachſene Pflanzen haben ein bleiches, kraͤnkeln-
des Anſehn, ein loſes, ſchlaffes, waſſerſuͤchtiges Gewebe, und lange, duͤnne, kraft-
loſe, leicht abbrechende Schuͤſſe; nicht den beſtimmten ihnen ſonſt eigenthuͤmlichen,
ſondern einen faden waͤſſrigen Geſchmack, ein Zuſtand, den man im Franzoͤſiſchen
mit dem beſonderen Ausdrucke étiolement benennt. Je ſtaͤrker dagegen das Licht
iſt, welches die Pflanzen trifft, je vertikaler es auf ſie faͤllt, deſto ſtaͤrker, ausgebil-
deter und kraͤftiger werden die Pflanzen in allen ihren Theilen und Subſtanzen. Die
gruͤne Farbe der Blaͤtter haͤngt ganz von dem Lichte ab, weswegen auch alle unent-
wickelte Blaͤtter bleich ſind. Dieſe beſondere Wirkung des Lichts iſt, wie genaue

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0204" n="156"/>
            <fw place="top" type="header">Die Bodenarten.</fw><lb/>
            <p>Die Vortheile und Nachtheile die&#x017F;er Lage werden haupt&#x017F;a&#x0364;chlich be&#x017F;timmt durch<lb/>
die Grundmi&#x017F;chung und u&#x0364;brigen Eigen&#x017F;chaften des Bodens. Der thonige, feuchte<lb/>
und kalte Boden wird verbe&#x017F;&#x017F;ert, wenn er &#x017F;einen Abhang nach der trocknern O&#x017F;t- und<lb/>
Su&#x0364;d&#x017F;eite hat, und i&#x017F;t ungleich fehlerhafter, wenn er nach We&#x017F;ten und Norden ha&#x0364;ngt.<lb/>
Umgekehrt verha&#x0364;lt &#x017F;ichs mit dem &#x017F;andigen und kalkreichen, trocknen und warmen<lb/>
Boden, fu&#x0364;r den der we&#x017F;tliche Abhang immer der erwu&#x0364;n&#x017F;chte&#x017F;te i&#x017F;t, und der nach Su&#x0364;d-<lb/>
o&#x017F;ten abha&#x0364;ngend immer um &#x017F;o &#x017F;ta&#x0364;rker von der Du&#x0364;rre leidet. Der no&#x0364;rdliche Abhang,<lb/>
wenn er &#x017F;o &#x017F;teil i&#x017F;t, daß ihn die Sonne nur &#x017F;ehr &#x017F;chra&#x0364;g trifft, i&#x017F;t in keinem Falle<lb/>
wohltha&#x0364;tig.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 160.</head><lb/>
            <p><note place="left">Be&#x017F;chattung<lb/>
oder Licht.</note>Die Sonnen&#x017F;trahlen und das Licht werden dem Boden zuweilen durch umlie-<lb/>
gende Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde entzogen, durch Berge, Waldungen, einzelne hohe Ba&#x0364;ume und<lb/>
Geba&#x0364;ude. Ohne Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die Wa&#x0364;rme, welche die Sonnen&#x017F;trahlen geben, i&#x017F;t<lb/>
das Licht an &#x017F;ich zum Gedeihen der Pflanzen und vielleicht &#x017F;elb&#x017F;t zur Befo&#x0364;rderung<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;er Zer&#x017F;etzungen im Boden unentbehrlich.</p><lb/>
            <p>Wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß alle Pflanzen das Licht &#x017F;uchen, und &#x017F;ich immer nach der Seite<lb/>
hinneigen, wo &#x017F;ie es finden. Man bemerkt dies im Freien, deutlicher in Zimmern<lb/>
und Gewa&#x0364;chsha&#x0364;u&#x017F;ern, und am auffallend&#x017F;ten, wenn man die Gewa&#x0364;ch&#x017F;e in ho&#x0364;lzerne<lb/>
Ka&#x017F;ten &#x017F;etzt, die nur einige Ritzen haben, zu welchen &#x017F;ich dann die Pflanzen mit dem<lb/>
a&#x0364;ußer&#x017F;ten Be&#x017F;treben hindra&#x0364;ngen. In dichten Pflanzungen treiben die Gewa&#x0364;ch&#x017F;e mit<lb/>
aller ihrer Kraft in die Ho&#x0364;he, wetteifernd, &#x017F;ich den Vortheil des Lichts abzugewin-<lb/>
nen. Sie wach&#x017F;en daher um &#x017F;o &#x017F;ta&#x0364;rker und &#x017F;chneller in die La&#x0364;nge, je dichter &#x017F;ie &#x017F;tehen,<lb/>
aber freilich auf Ko&#x017F;ten der Sta&#x0364;rke ihrer unteren Theile, die dann &#x017F;chwa&#x0364;cher bleiben.<lb/>
Alle im Dunkeln und im Schatten gewach&#x017F;ene Pflanzen haben ein bleiches, kra&#x0364;nkeln-<lb/>
des An&#x017F;ehn, ein lo&#x017F;es, &#x017F;chlaffes, wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;u&#x0364;chtiges Gewebe, und lange, du&#x0364;nne, kraft-<lb/>
lo&#x017F;e, leicht abbrechende Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; nicht den be&#x017F;timmten ihnen &#x017F;on&#x017F;t eigenthu&#x0364;mlichen,<lb/>
&#x017F;ondern einen faden wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;rigen Ge&#x017F;chmack, ein Zu&#x017F;tand, den man im Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
mit dem be&#x017F;onderen Ausdrucke <hi rendition="#aq">étiolement</hi> benennt. Je &#x017F;ta&#x0364;rker dagegen das Licht<lb/>
i&#x017F;t, welches die Pflanzen trifft, je vertikaler es auf &#x017F;ie fa&#x0364;llt, de&#x017F;to &#x017F;ta&#x0364;rker, ausgebil-<lb/>
deter und kra&#x0364;ftiger werden die Pflanzen in allen ihren Theilen und Sub&#x017F;tanzen. Die<lb/>
gru&#x0364;ne Farbe der Bla&#x0364;tter ha&#x0364;ngt ganz von dem Lichte ab, weswegen auch alle unent-<lb/>
wickelte Bla&#x0364;tter bleich &#x017F;ind. Die&#x017F;e be&#x017F;ondere Wirkung des Lichts i&#x017F;t, wie genaue<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0204] Die Bodenarten. Die Vortheile und Nachtheile dieſer Lage werden hauptſaͤchlich beſtimmt durch die Grundmiſchung und uͤbrigen Eigenſchaften des Bodens. Der thonige, feuchte und kalte Boden wird verbeſſert, wenn er ſeinen Abhang nach der trocknern Oſt- und Suͤdſeite hat, und iſt ungleich fehlerhafter, wenn er nach Weſten und Norden haͤngt. Umgekehrt verhaͤlt ſichs mit dem ſandigen und kalkreichen, trocknen und warmen Boden, fuͤr den der weſtliche Abhang immer der erwuͤnſchteſte iſt, und der nach Suͤd- oſten abhaͤngend immer um ſo ſtaͤrker von der Duͤrre leidet. Der noͤrdliche Abhang, wenn er ſo ſteil iſt, daß ihn die Sonne nur ſehr ſchraͤg trifft, iſt in keinem Falle wohlthaͤtig. §. 160. Die Sonnenſtrahlen und das Licht werden dem Boden zuweilen durch umlie- gende Gegenſtaͤnde entzogen, durch Berge, Waldungen, einzelne hohe Baͤume und Gebaͤude. Ohne Ruͤckſicht auf die Waͤrme, welche die Sonnenſtrahlen geben, iſt das Licht an ſich zum Gedeihen der Pflanzen und vielleicht ſelbſt zur Befoͤrderung gewiſſer Zerſetzungen im Boden unentbehrlich. Beſchattung oder Licht. Wir wiſſen, daß alle Pflanzen das Licht ſuchen, und ſich immer nach der Seite hinneigen, wo ſie es finden. Man bemerkt dies im Freien, deutlicher in Zimmern und Gewaͤchshaͤuſern, und am auffallendſten, wenn man die Gewaͤchſe in hoͤlzerne Kaſten ſetzt, die nur einige Ritzen haben, zu welchen ſich dann die Pflanzen mit dem aͤußerſten Beſtreben hindraͤngen. In dichten Pflanzungen treiben die Gewaͤchſe mit aller ihrer Kraft in die Hoͤhe, wetteifernd, ſich den Vortheil des Lichts abzugewin- nen. Sie wachſen daher um ſo ſtaͤrker und ſchneller in die Laͤnge, je dichter ſie ſtehen, aber freilich auf Koſten der Staͤrke ihrer unteren Theile, die dann ſchwaͤcher bleiben. Alle im Dunkeln und im Schatten gewachſene Pflanzen haben ein bleiches, kraͤnkeln- des Anſehn, ein loſes, ſchlaffes, waſſerſuͤchtiges Gewebe, und lange, duͤnne, kraft- loſe, leicht abbrechende Schuͤſſe; nicht den beſtimmten ihnen ſonſt eigenthuͤmlichen, ſondern einen faden waͤſſrigen Geſchmack, ein Zuſtand, den man im Franzoͤſiſchen mit dem beſonderen Ausdrucke étiolement benennt. Je ſtaͤrker dagegen das Licht iſt, welches die Pflanzen trifft, je vertikaler es auf ſie faͤllt, deſto ſtaͤrker, ausgebil- deter und kraͤftiger werden die Pflanzen in allen ihren Theilen und Subſtanzen. Die gruͤne Farbe der Blaͤtter haͤngt ganz von dem Lichte ab, weswegen auch alle unent- wickelte Blaͤtter bleich ſind. Dieſe beſondere Wirkung des Lichts iſt, wie genaue

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/204
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/204>, abgerufen am 24.11.2024.