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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Die Bodenarten.
seyn; indem bei neuem Umbruche eines Ackers, der wahrscheinlicher Weise schon
taufende von Jahren uncultivirt gelegen hatte, und auf dem sich keine Pflanze die-
ser Art zeigte, dieses Unkraut den Acker nun über und über bezog. So siehet
man hier im Oderbruche den Ackersenf in einer gewaltigen Menge zuweilen hervor-
kommen, wenn man nie umgebrochenes und vormals sumpfiges Grasland aufbricht,
und im zweiten Jahre die Narbe zerstört und die Erde gelockert hat. Dieser Samen
kann hier nur vor uralten Zeiten hergeschwemmt und mit der Erde vom Wasser ab-
gesetzt seyn. Auch hat man diese Unkrautsarten häufig aus der Erde hervor keimen
sehen, die man mehrere Fuß tief und sogar auf altem Holzgrunde hervorholte. Un-
ter einem Gebäude, welches gewiß 200 Jahre gestanden, fand man eine schwarze
Erde, welche man nebst dem Schutte auf einen Gartenplatz brachte, und es wuchs
eine Saat von Wucherblume (Chrysanthemum segetum) hervor, die man vor-
her auf diesem Platze nie gesehen hatte. Dieser auffallenden Erscheinungen wegen
haben sogar manche geglaubt, daß diese Pflanzen ohne Samen und Keime von der
Natur hervorgebracht würden. Dies ist aber bei Pflanzen dieser Art gegen alle Ana-
logie, und kein Verständiger wird hier eine Ausnahme von der Regel: Omne vi-
vum ex ovo,
annehmen.

Die Menge, worin dieser feine Samen in der Erde liegen kann, übertrifft eben-
falls alle Vorstellung. Wenn man den Acker fein pulvert, so treibt eine dichte Saat
davon hervor, die man durch das Unterpflügen gewiß vollkommen zerstört; indem
die zarte Pflanze dieses nicht verträgt. Sogleich aber erzeugt sich auf der neu her-
vorgebrachten Oberfläche eine andere eben so dichte Saat, und ich habe dies selbst
in einem Sommer sechsmal wiederholt, ohne auch nur eine Abnahme dieses Unkrauts
zu bemerken, und ohne daß es für das folgende Jahr völlig zerstört ward. Mit der
Wucherblume hat man dasselbe bis ins dritte Jahr wiederholt, ohne ihren Samen in
der Ackerkrume völlig vertilgen zu können.

Das einjährige Samenunkraut zeigt sich in der Regel nur unter dem Sommer-
getreide, und das Wintergetreide ist oftmals ganz frei davon, wenn anders die Aus-
saat im Herbste so früh geschehen ist, daß der in der Oberfläche liegende Samen zum
Laufen kommen konnte. Es hält den Winter nicht aus, und vergeht wo nicht ehe,
doch gewiß im Frühjahre. Nur in dem Falle, daß die Oberfläche aufs neue gerührt
worden, an den Rändern der Beete abgekrümelt ist, oder Erdklöße erst im Winter

Zweiter Theil. X

Die Bodenarten.
ſeyn; indem bei neuem Umbruche eines Ackers, der wahrſcheinlicher Weiſe ſchon
taufende von Jahren uncultivirt gelegen hatte, und auf dem ſich keine Pflanze die-
ſer Art zeigte, dieſes Unkraut den Acker nun uͤber und uͤber bezog. So ſiehet
man hier im Oderbruche den Ackerſenf in einer gewaltigen Menge zuweilen hervor-
kommen, wenn man nie umgebrochenes und vormals ſumpfiges Grasland aufbricht,
und im zweiten Jahre die Narbe zerſtoͤrt und die Erde gelockert hat. Dieſer Samen
kann hier nur vor uralten Zeiten hergeſchwemmt und mit der Erde vom Waſſer ab-
geſetzt ſeyn. Auch hat man dieſe Unkrautsarten haͤufig aus der Erde hervor keimen
ſehen, die man mehrere Fuß tief und ſogar auf altem Holzgrunde hervorholte. Un-
ter einem Gebaͤude, welches gewiß 200 Jahre geſtanden, fand man eine ſchwarze
Erde, welche man nebſt dem Schutte auf einen Gartenplatz brachte, und es wuchs
eine Saat von Wucherblume (Chrysanthemum segetum) hervor, die man vor-
her auf dieſem Platze nie geſehen hatte. Dieſer auffallenden Erſcheinungen wegen
haben ſogar manche geglaubt, daß dieſe Pflanzen ohne Samen und Keime von der
Natur hervorgebracht wuͤrden. Dies iſt aber bei Pflanzen dieſer Art gegen alle Ana-
logie, und kein Verſtaͤndiger wird hier eine Ausnahme von der Regel: Omne vi-
vum ex ovo,
annehmen.

Die Menge, worin dieſer feine Samen in der Erde liegen kann, uͤbertrifft eben-
falls alle Vorſtellung. Wenn man den Acker fein pulvert, ſo treibt eine dichte Saat
davon hervor, die man durch das Unterpfluͤgen gewiß vollkommen zerſtoͤrt; indem
die zarte Pflanze dieſes nicht vertraͤgt. Sogleich aber erzeugt ſich auf der neu her-
vorgebrachten Oberflaͤche eine andere eben ſo dichte Saat, und ich habe dies ſelbſt
in einem Sommer ſechsmal wiederholt, ohne auch nur eine Abnahme dieſes Unkrauts
zu bemerken, und ohne daß es fuͤr das folgende Jahr voͤllig zerſtoͤrt ward. Mit der
Wucherblume hat man daſſelbe bis ins dritte Jahr wiederholt, ohne ihren Samen in
der Ackerkrume voͤllig vertilgen zu koͤnnen.

Das einjaͤhrige Samenunkraut zeigt ſich in der Regel nur unter dem Sommer-
getreide, und das Wintergetreide iſt oftmals ganz frei davon, wenn anders die Aus-
ſaat im Herbſte ſo fruͤh geſchehen iſt, daß der in der Oberflaͤche liegende Samen zum
Laufen kommen konnte. Es haͤlt den Winter nicht aus, und vergeht wo nicht ehe,
doch gewiß im Fruͤhjahre. Nur in dem Falle, daß die Oberflaͤche aufs neue geruͤhrt
worden, an den Raͤndern der Beete abgekruͤmelt iſt, oder Erdkloͤße erſt im Winter

Zweiter Theil. X
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[161/0209] Die Bodenarten. ſeyn; indem bei neuem Umbruche eines Ackers, der wahrſcheinlicher Weiſe ſchon taufende von Jahren uncultivirt gelegen hatte, und auf dem ſich keine Pflanze die- ſer Art zeigte, dieſes Unkraut den Acker nun uͤber und uͤber bezog. So ſiehet man hier im Oderbruche den Ackerſenf in einer gewaltigen Menge zuweilen hervor- kommen, wenn man nie umgebrochenes und vormals ſumpfiges Grasland aufbricht, und im zweiten Jahre die Narbe zerſtoͤrt und die Erde gelockert hat. Dieſer Samen kann hier nur vor uralten Zeiten hergeſchwemmt und mit der Erde vom Waſſer ab- geſetzt ſeyn. Auch hat man dieſe Unkrautsarten haͤufig aus der Erde hervor keimen ſehen, die man mehrere Fuß tief und ſogar auf altem Holzgrunde hervorholte. Un- ter einem Gebaͤude, welches gewiß 200 Jahre geſtanden, fand man eine ſchwarze Erde, welche man nebſt dem Schutte auf einen Gartenplatz brachte, und es wuchs eine Saat von Wucherblume (Chrysanthemum segetum) hervor, die man vor- her auf dieſem Platze nie geſehen hatte. Dieſer auffallenden Erſcheinungen wegen haben ſogar manche geglaubt, daß dieſe Pflanzen ohne Samen und Keime von der Natur hervorgebracht wuͤrden. Dies iſt aber bei Pflanzen dieſer Art gegen alle Ana- logie, und kein Verſtaͤndiger wird hier eine Ausnahme von der Regel: Omne vi- vum ex ovo, annehmen. Die Menge, worin dieſer feine Samen in der Erde liegen kann, uͤbertrifft eben- falls alle Vorſtellung. Wenn man den Acker fein pulvert, ſo treibt eine dichte Saat davon hervor, die man durch das Unterpfluͤgen gewiß vollkommen zerſtoͤrt; indem die zarte Pflanze dieſes nicht vertraͤgt. Sogleich aber erzeugt ſich auf der neu her- vorgebrachten Oberflaͤche eine andere eben ſo dichte Saat, und ich habe dies ſelbſt in einem Sommer ſechsmal wiederholt, ohne auch nur eine Abnahme dieſes Unkrauts zu bemerken, und ohne daß es fuͤr das folgende Jahr voͤllig zerſtoͤrt ward. Mit der Wucherblume hat man daſſelbe bis ins dritte Jahr wiederholt, ohne ihren Samen in der Ackerkrume voͤllig vertilgen zu koͤnnen. Das einjaͤhrige Samenunkraut zeigt ſich in der Regel nur unter dem Sommer- getreide, und das Wintergetreide iſt oftmals ganz frei davon, wenn anders die Aus- ſaat im Herbſte ſo fruͤh geſchehen iſt, daß der in der Oberflaͤche liegende Samen zum Laufen kommen konnte. Es haͤlt den Winter nicht aus, und vergeht wo nicht ehe, doch gewiß im Fruͤhjahre. Nur in dem Falle, daß die Oberflaͤche aufs neue geruͤhrt worden, an den Raͤndern der Beete abgekruͤmelt iſt, oder Erdkloͤße erſt im Winter Zweiter Theil. X

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/209>, abgerufen am 21.11.2024.