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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Bemerkungen.
Ernte, kaum mehr vortheilhaft bleiben würde, falls man ihm keinen neuen Nah-
rungsstoff gäbe -- als die äußerste Erschöpfung, wohin man einen Ackerboden
kommen lassen sollte. Ein guter Gerstboden, der nicht über 50 bis 60 Prozent
Sand, vielleicht etwas Kalk und 2 Prozent Humus hat, wird ohne muthwillige
Erschöpfung nicht so tief heruntersinken, und wir werden ihn bei einer sechs-
jährigen
Düngung und abgenommenen 4 Getreidefrüchten immer noch eine
Kraft von 60 Graden beimessen, und wenn wir ihn weiter erschöpfen wollten, noch
Ernten in diesem Verhältnisse von ihm erwarten können. Bei andern Feldsyste-
men und natürlich reicheren Boden wird er noch höhere Grade von Kraft besitzen,
wenn man ihm dennoch neuen Dünger zuführt. Je mehr Thon ein Boden ent-
hält, um desto später wird er in den Zustand kommen, den wir eigentlich mit jenen
40 Graden bezeichnen, weil er seine Nahrungstheile fester anhält, und zwar be-
friedigende Ernten versagt, dem ungeachtet aber doch noch Kraft in sich hat; wie
wir daraus erkennen, daß wir ihm noch Ernten abzwingen können, durch solche
Mittel, welche die in ihm verschlossenen Nahrungsstoffe nur aufschließen. Es ge-
hört viele Kunst dazu, um ihn ganz auszusaugen; dann aber freilich ein desto grö-
ßerer Aufwand, um ihn wieder in die erforderliche Kraft zu setzen.

Jene Bodenkraft, die wir nur deshalb die natürliche nennen, weil sie
zurückbleibt, wenn wir ihr eine Erfrischung geben, und insbesondere dann, wenn
wir eine neue Rotation mit der Hauptdüngung anfangen, steigt und fällt auf dem-
selben Acker, nach dem Verhältniß der gegebenen Düngung zu den abgenommenen
Ernten am Ende jeder Rotation, und tritt in einem höheren oder geringeren
Grade zur folgenden über.

Ich habe durch den §. 258. Veranlassung gegeben, die Aussaugung alle[r]
Früchte gleich, und zwar zu 30 Prozent, der jedesmal im Acker befindlichen Kraft
anzunehmen, und mich in der zweiten Anmerkung nicht deutlich genug erklärt über
das Verhältniß, in welchem die stärker anziehende Früchte sich davon mehr zu-
eigneten, und dann auch in demselben Verhältnisse stärkere Ernten gäben. Es
kam mir damals nur auf das Resultat bei ganzen Rotationen an. Diese Verschie-
denheit findet aber nach allen Erfahrungen statt. Weizen, welcher auf einem ihm

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Bemerkungen.
Ernte, kaum mehr vortheilhaft bleiben wuͤrde, falls man ihm keinen neuen Nah-
rungsſtoff gaͤbe — als die aͤußerſte Erſchoͤpfung, wohin man einen Ackerboden
kommen laſſen ſollte. Ein guter Gerſtboden, der nicht uͤber 50 bis 60 Prozent
Sand, vielleicht etwas Kalk und 2 Prozent Humus hat, wird ohne muthwillige
Erſchoͤpfung nicht ſo tief herunterſinken, und wir werden ihn bei einer ſechs-
jaͤhrigen
Duͤngung und abgenommenen 4 Getreidefruͤchten immer noch eine
Kraft von 60 Graden beimeſſen, und wenn wir ihn weiter erſchoͤpfen wollten, noch
Ernten in dieſem Verhaͤltniſſe von ihm erwarten koͤnnen. Bei andern Feldſyſte-
men und natuͤrlich reicheren Boden wird er noch hoͤhere Grade von Kraft beſitzen,
wenn man ihm dennoch neuen Duͤnger zufuͤhrt. Je mehr Thon ein Boden ent-
haͤlt, um deſto ſpaͤter wird er in den Zuſtand kommen, den wir eigentlich mit jenen
40 Graden bezeichnen, weil er ſeine Nahrungstheile feſter anhaͤlt, und zwar be-
friedigende Ernten verſagt, dem ungeachtet aber doch noch Kraft in ſich hat; wie
wir daraus erkennen, daß wir ihm noch Ernten abzwingen koͤnnen, durch ſolche
Mittel, welche die in ihm verſchloſſenen Nahrungsſtoffe nur aufſchließen. Es ge-
hoͤrt viele Kunſt dazu, um ihn ganz auszuſaugen; dann aber freilich ein deſto groͤ-
ßerer Aufwand, um ihn wieder in die erforderliche Kraft zu ſetzen.

Jene Bodenkraft, die wir nur deshalb die natuͤrliche nennen, weil ſie
zuruͤckbleibt, wenn wir ihr eine Erfriſchung geben, und insbeſondere dann, wenn
wir eine neue Rotation mit der Hauptduͤngung anfangen, ſteigt und faͤllt auf dem-
ſelben Acker, nach dem Verhaͤltniß der gegebenen Duͤngung zu den abgenommenen
Ernten am Ende jeder Rotation, und tritt in einem hoͤheren oder geringeren
Grade zur folgenden uͤber.

Ich habe durch den §. 258. Veranlaſſung gegeben, die Ausſaugung alle[r]
Fruͤchte gleich, und zwar zu 30 Prozent, der jedesmal im Acker befindlichen Kraft
anzunehmen, und mich in der zweiten Anmerkung nicht deutlich genug erklaͤrt uͤber
das Verhaͤltniß, in welchem die ſtaͤrker anziehende Fruͤchte ſich davon mehr zu-
eigneten, und dann auch in demſelben Verhaͤltniſſe ſtaͤrkere Ernten gaͤben. Es
kam mir damals nur auf das Reſultat bei ganzen Rotationen an. Dieſe Verſchie-
denheit findet aber nach allen Erfahrungen ſtatt. Weizen, welcher auf einem ihm

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[XV/0021] Bemerkungen. Ernte, kaum mehr vortheilhaft bleiben wuͤrde, falls man ihm keinen neuen Nah- rungsſtoff gaͤbe — als die aͤußerſte Erſchoͤpfung, wohin man einen Ackerboden kommen laſſen ſollte. Ein guter Gerſtboden, der nicht uͤber 50 bis 60 Prozent Sand, vielleicht etwas Kalk und 2 Prozent Humus hat, wird ohne muthwillige Erſchoͤpfung nicht ſo tief herunterſinken, und wir werden ihn bei einer ſechs- jaͤhrigen Duͤngung und abgenommenen 4 Getreidefruͤchten immer noch eine Kraft von 60 Graden beimeſſen, und wenn wir ihn weiter erſchoͤpfen wollten, noch Ernten in dieſem Verhaͤltniſſe von ihm erwarten koͤnnen. Bei andern Feldſyſte- men und natuͤrlich reicheren Boden wird er noch hoͤhere Grade von Kraft beſitzen, wenn man ihm dennoch neuen Duͤnger zufuͤhrt. Je mehr Thon ein Boden ent- haͤlt, um deſto ſpaͤter wird er in den Zuſtand kommen, den wir eigentlich mit jenen 40 Graden bezeichnen, weil er ſeine Nahrungstheile feſter anhaͤlt, und zwar be- friedigende Ernten verſagt, dem ungeachtet aber doch noch Kraft in ſich hat; wie wir daraus erkennen, daß wir ihm noch Ernten abzwingen koͤnnen, durch ſolche Mittel, welche die in ihm verſchloſſenen Nahrungsſtoffe nur aufſchließen. Es ge- hoͤrt viele Kunſt dazu, um ihn ganz auszuſaugen; dann aber freilich ein deſto groͤ- ßerer Aufwand, um ihn wieder in die erforderliche Kraft zu ſetzen. Jene Bodenkraft, die wir nur deshalb die natuͤrliche nennen, weil ſie zuruͤckbleibt, wenn wir ihr eine Erfriſchung geben, und insbeſondere dann, wenn wir eine neue Rotation mit der Hauptduͤngung anfangen, ſteigt und faͤllt auf dem- ſelben Acker, nach dem Verhaͤltniß der gegebenen Duͤngung zu den abgenommenen Ernten am Ende jeder Rotation, und tritt in einem hoͤheren oder geringeren Grade zur folgenden uͤber. Ich habe durch den §. 258. Veranlaſſung gegeben, die Ausſaugung aller Fruͤchte gleich, und zwar zu 30 Prozent, der jedesmal im Acker befindlichen Kraft anzunehmen, und mich in der zweiten Anmerkung nicht deutlich genug erklaͤrt uͤber das Verhaͤltniß, in welchem die ſtaͤrker anziehende Fruͤchte ſich davon mehr zu- eigneten, und dann auch in demſelben Verhaͤltniſſe ſtaͤrkere Ernten gaͤben. Es kam mir damals nur auf das Reſultat bei ganzen Rotationen an. Dieſe Verſchie- denheit findet aber nach allen Erfahrungen ſtatt. Weizen, welcher auf einem ihm c 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/21>, abgerufen am 24.11.2024.