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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Mineralische Düngungsmittel.
Gyps weniger Beifall, als bei den englischen Landwirthen. Ich erklärte dies, in
meinem Werke über englische Landwirthschaft, aus den vielen Kalktheilen, womit
der Boden in den meiste Provinzen Englands von Natur oder durch Kunst überhäuft
ist. Allein ich irrte, weil der Gyps auf kalkhaltigem Boden, ja sogar in den Gegen-
den, wo es viele Gypsfelsen giebt, und die Erdmischung also wahrscheinlich schon
Gypstheile enthält, dennoch durch seine Ueberstreuung sehr wirksam ist. Vielleicht
verschloß das Vorurtheil gegen Alles, was aus Frankreich, zum Theil auch aus
Deutschland kömmt, den Engländern die Augen. Die Empfehlungen aus Amerika
scheinen sie ihnen neuerlich aber wieder geöffnet zu haben.

§. 80.

In den Erfahrungen über die düngende Wirkung des Gypses scheint allerdingsWirkung der-
selben.

viel Widersprechendes zu liegen, und gewiß ist es, daß mancherlei noch nicht völlig
ergründete Umstände solche sehr modifiziren. Der Gyps wirkt wenigstens mehr auf
trockenem als auf feuchtem Boden, und mehr bei trockener als bei feuchter Witterung.
Letztere hält seine Wirkung wenigstens zurück, und scheint sie, besonders bei gebrann-
tem Gyps, ganz zu vereiteln. Auf einem ausgesogenen Boden, der wenig oder gar
keinen Humus mehr enthält, wirkt er gar nichts. Auf die Vegetation mancher
Pflanzen hat er nur einen sehr unmerklichen Einfluß, dagegen auf andere einen sehr
großen. Zu letzteren gehören alle bekannteren Pflanzen mit schmetterlingsförmigen
und Kreuzblumen. Er wirkt ohne allem Zweifel auf die Gewächse selbst, und des-
halb am stärksten, wenn sich sein Staub auf den Blättern ansetzt und lange darauf
haftet. Ich habe dies sehr überzeugend bei einer Weißdornhecke gesehen, deren eine
vom Gypsstaube etwas berührte Seite nach acht Tagen auf das Lebhafteste ausgrünte,
wogegen die andere, welche von dem Staube nichts erhalten hatte, auffallend gegen
jene zurückblieb. Er wirkt doch aber nicht allein auf die Weise, sondern zugleich auf
den Boden, weswegen ich schon vor längerer Zeit meine Meinung, als sey jenes seine
einzige Wirkung, zurückgenommen hatte. Noch mehr habe ich mich von seiner Wir-
kung auf den Boden durch einen kürzlich angestellten Versuch überzeugt. Wir streu-
ten im Herbste 1808, auf eine genau abgestochene Quadratruthe, Gyps über Rocken-
saat. Im Frühjahr 1809 ward dieser ziemlich abgetragene Acker mit weißem Klee
zur Weide besäet. Es ist sonst sehr wenig Klee aufgekommen: auf der gegypsten
Stelle aber steht er abgeschnitten dicht und üppig.


Mineraliſche Duͤngungsmittel.
Gyps weniger Beifall, als bei den engliſchen Landwirthen. Ich erklaͤrte dies, in
meinem Werke uͤber engliſche Landwirthſchaft, aus den vielen Kalktheilen, womit
der Boden in den meiſte Provinzen Englands von Natur oder durch Kunſt uͤberhaͤuft
iſt. Allein ich irrte, weil der Gyps auf kalkhaltigem Boden, ja ſogar in den Gegen-
den, wo es viele Gypsfelſen giebt, und die Erdmiſchung alſo wahrſcheinlich ſchon
Gypstheile enthaͤlt, dennoch durch ſeine Ueberſtreuung ſehr wirkſam iſt. Vielleicht
verſchloß das Vorurtheil gegen Alles, was aus Frankreich, zum Theil auch aus
Deutſchland koͤmmt, den Englaͤndern die Augen. Die Empfehlungen aus Amerika
ſcheinen ſie ihnen neuerlich aber wieder geoͤffnet zu haben.

§. 80.

In den Erfahrungen uͤber die duͤngende Wirkung des Gypſes ſcheint allerdingsWirkung der-
ſelben.

viel Widerſprechendes zu liegen, und gewiß iſt es, daß mancherlei noch nicht voͤllig
ergruͤndete Umſtaͤnde ſolche ſehr modifiziren. Der Gyps wirkt wenigſtens mehr auf
trockenem als auf feuchtem Boden, und mehr bei trockener als bei feuchter Witterung.
Letztere haͤlt ſeine Wirkung wenigſtens zuruͤck, und ſcheint ſie, beſonders bei gebrann-
tem Gyps, ganz zu vereiteln. Auf einem ausgeſogenen Boden, der wenig oder gar
keinen Humus mehr enthaͤlt, wirkt er gar nichts. Auf die Vegetation mancher
Pflanzen hat er nur einen ſehr unmerklichen Einfluß, dagegen auf andere einen ſehr
großen. Zu letzteren gehoͤren alle bekannteren Pflanzen mit ſchmetterlingsfoͤrmigen
und Kreuzblumen. Er wirkt ohne allem Zweifel auf die Gewaͤchſe ſelbſt, und des-
halb am ſtaͤrkſten, wenn ſich ſein Staub auf den Blaͤttern anſetzt und lange darauf
haftet. Ich habe dies ſehr uͤberzeugend bei einer Weißdornhecke geſehen, deren eine
vom Gypsſtaube etwas beruͤhrte Seite nach acht Tagen auf das Lebhafteſte ausgruͤnte,
wogegen die andere, welche von dem Staube nichts erhalten hatte, auffallend gegen
jene zuruͤckblieb. Er wirkt doch aber nicht allein auf die Weiſe, ſondern zugleich auf
den Boden, weswegen ich ſchon vor laͤngerer Zeit meine Meinung, als ſey jenes ſeine
einzige Wirkung, zuruͤckgenommen hatte. Noch mehr habe ich mich von ſeiner Wir-
kung auf den Boden durch einen kuͤrzlich angeſtellten Verſuch uͤberzeugt. Wir ſtreu-
ten im Herbſte 1808, auf eine genau abgeſtochene Quadratruthe, Gyps uͤber Rocken-
ſaat. Im Fruͤhjahr 1809 ward dieſer ziemlich abgetragene Acker mit weißem Klee
zur Weide beſaͤet. Es iſt ſonſt ſehr wenig Klee aufgekommen: auf der gegypsten
Stelle aber ſteht er abgeſchnitten dicht und uͤppig.


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[261/0309] Mineraliſche Duͤngungsmittel. Gyps weniger Beifall, als bei den engliſchen Landwirthen. Ich erklaͤrte dies, in meinem Werke uͤber engliſche Landwirthſchaft, aus den vielen Kalktheilen, womit der Boden in den meiſte Provinzen Englands von Natur oder durch Kunſt uͤberhaͤuft iſt. Allein ich irrte, weil der Gyps auf kalkhaltigem Boden, ja ſogar in den Gegen- den, wo es viele Gypsfelſen giebt, und die Erdmiſchung alſo wahrſcheinlich ſchon Gypstheile enthaͤlt, dennoch durch ſeine Ueberſtreuung ſehr wirkſam iſt. Vielleicht verſchloß das Vorurtheil gegen Alles, was aus Frankreich, zum Theil auch aus Deutſchland koͤmmt, den Englaͤndern die Augen. Die Empfehlungen aus Amerika ſcheinen ſie ihnen neuerlich aber wieder geoͤffnet zu haben. §. 80. In den Erfahrungen uͤber die duͤngende Wirkung des Gypſes ſcheint allerdings viel Widerſprechendes zu liegen, und gewiß iſt es, daß mancherlei noch nicht voͤllig ergruͤndete Umſtaͤnde ſolche ſehr modifiziren. Der Gyps wirkt wenigſtens mehr auf trockenem als auf feuchtem Boden, und mehr bei trockener als bei feuchter Witterung. Letztere haͤlt ſeine Wirkung wenigſtens zuruͤck, und ſcheint ſie, beſonders bei gebrann- tem Gyps, ganz zu vereiteln. Auf einem ausgeſogenen Boden, der wenig oder gar keinen Humus mehr enthaͤlt, wirkt er gar nichts. Auf die Vegetation mancher Pflanzen hat er nur einen ſehr unmerklichen Einfluß, dagegen auf andere einen ſehr großen. Zu letzteren gehoͤren alle bekannteren Pflanzen mit ſchmetterlingsfoͤrmigen und Kreuzblumen. Er wirkt ohne allem Zweifel auf die Gewaͤchſe ſelbſt, und des- halb am ſtaͤrkſten, wenn ſich ſein Staub auf den Blaͤttern anſetzt und lange darauf haftet. Ich habe dies ſehr uͤberzeugend bei einer Weißdornhecke geſehen, deren eine vom Gypsſtaube etwas beruͤhrte Seite nach acht Tagen auf das Lebhafteſte ausgruͤnte, wogegen die andere, welche von dem Staube nichts erhalten hatte, auffallend gegen jene zuruͤckblieb. Er wirkt doch aber nicht allein auf die Weiſe, ſondern zugleich auf den Boden, weswegen ich ſchon vor laͤngerer Zeit meine Meinung, als ſey jenes ſeine einzige Wirkung, zuruͤckgenommen hatte. Noch mehr habe ich mich von ſeiner Wir- kung auf den Boden durch einen kuͤrzlich angeſtellten Verſuch uͤberzeugt. Wir ſtreu- ten im Herbſte 1808, auf eine genau abgeſtochene Quadratruthe, Gyps uͤber Rocken- ſaat. Im Fruͤhjahr 1809 ward dieſer ziemlich abgetragene Acker mit weißem Klee zur Weide beſaͤet. Es iſt ſonſt ſehr wenig Klee aufgekommen: auf der gegypsten Stelle aber ſteht er abgeſchnitten dicht und uͤppig. Wirkung der- ſelben.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/309>, abgerufen am 21.11.2024.