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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Die Bewässerung.
sers erworben haben. Oft wird man den Zulauf des Wassers, besonders aus
Seen und quelligten Stellen, durch einen ihm gegebenen Abzug beträchtlich ver-
mehren, indem dadurch der Gegendruck gehoben wird, den das stehende Wasser
äußert. Die Quellen und ihre Adern werden sich dann mehr öffnen, das Wasser
wird von höheren Orten mit stärkerer Gewalt hindurchdringen und Verstopfungen
aufheben. Dies hat sich insbesondere bei Landseen zugetragen, die vorher keinen
Abfluß hatten, nach erhaltenen Abzug aber sich um so schneller wieder füllten,
und so dem Kanale einen Wasserzufluß lieferten, dem man ihnen vorher nie
zugetraut hätte.

§. 278.

Rücksicht auf
die Berechti-
gungen über
das Wasser.
Ein dritter Umstand, worüber man in manchen Fällen sich erst versichern muß,
ist der, ob man auch vollkommenes Recht über das Wasser auf seinem Areale habe,
und ob nicht ober- und unterhalb liegende Nachbarn der Sache Hindernisse in den
Weg legen dürfen. Dies ist nur zu häufig bei den Wassermühlen der Fall, indem
die oberhalb liegenden bei jeder vorgenommenen Anstauung besorgt sind, daß
ihnen das Wasser in die Räder gestaut werde, die unterhalb liegenden aber, daß
man ihnen das Wasser entziehe. Häufig sind solche Klagen ganz ungegründet;
allein wenn man den Beweis führen soll, daß diese Anlagen den Mühlen nicht
schädlich seyen, so hält es schwer, denen Gerichtshöfen auf eine ihnen verständ-
liche Art dies zu beweisen; und da sie sich an dem Buchstaben der Privilegien und
Rezesse halten, welche in den Zeiten der ersten Kultur zu sehr zum Vortheil und
zur Sicherung der Müller gegeben werden, so läuft man gewöhnlich Gefahr,
einen solchen Prozeß gegen den Eigensinn und den Neid eines Müllers zu verlie-
ren. Auch glauben oft andere Nachbarn, Ursach und Recht zum Widerspruch zu
haben, z. B. der oberhalb liegende aus Besorglichkeit, daß man die Schleusen
schließen werde, wenn eine starke Wasserfluth erfolgt, und er dann von der Ueber-
schwemmung leiden könne, so wenig auch verständiger Weise diese Besorglichkeit
eintreten kann. Der unterhalb liegende glaubt, daß für ihn das Wasser vermin-
dert oder verschlechtert und unrein gemacht, oder aber ihm Schlamm, den er nicht
haben will, zugeführet werde. Wenn man nun gleich hoffen kann, daß eine bes-
sere agrarische Gesetzgebung die Hindernisse von dieser Seite aus dem Wege räu-
men werde, so muß man doch vorsichtig bei der Sache seyn, und den Plan nicht

Die Bewaͤſſerung.
ſers erworben haben. Oft wird man den Zulauf des Waſſers, beſonders aus
Seen und quelligten Stellen, durch einen ihm gegebenen Abzug betraͤchtlich ver-
mehren, indem dadurch der Gegendruck gehoben wird, den das ſtehende Waſſer
aͤußert. Die Quellen und ihre Adern werden ſich dann mehr oͤffnen, das Waſſer
wird von hoͤheren Orten mit ſtaͤrkerer Gewalt hindurchdringen und Verſtopfungen
aufheben. Dies hat ſich insbeſondere bei Landſeen zugetragen, die vorher keinen
Abfluß hatten, nach erhaltenen Abzug aber ſich um ſo ſchneller wieder fuͤllten,
und ſo dem Kanale einen Waſſerzufluß lieferten, dem man ihnen vorher nie
zugetraut haͤtte.

§. 278.

Ruͤckſicht auf
die Berechti-
gungen uͤber
das Waſſer.
Ein dritter Umſtand, woruͤber man in manchen Faͤllen ſich erſt verſichern muß,
iſt der, ob man auch vollkommenes Recht uͤber das Waſſer auf ſeinem Areale habe,
und ob nicht ober- und unterhalb liegende Nachbarn der Sache Hinderniſſe in den
Weg legen duͤrfen. Dies iſt nur zu haͤufig bei den Waſſermuͤhlen der Fall, indem
die oberhalb liegenden bei jeder vorgenommenen Anſtauung beſorgt ſind, daß
ihnen das Waſſer in die Raͤder geſtaut werde, die unterhalb liegenden aber, daß
man ihnen das Waſſer entziehe. Haͤufig ſind ſolche Klagen ganz ungegruͤndet;
allein wenn man den Beweis fuͤhren ſoll, daß dieſe Anlagen den Muͤhlen nicht
ſchaͤdlich ſeyen, ſo haͤlt es ſchwer, denen Gerichtshoͤfen auf eine ihnen verſtaͤnd-
liche Art dies zu beweiſen; und da ſie ſich an dem Buchſtaben der Privilegien und
Rezeſſe halten, welche in den Zeiten der erſten Kultur zu ſehr zum Vortheil und
zur Sicherung der Muͤller gegeben werden, ſo laͤuft man gewoͤhnlich Gefahr,
einen ſolchen Prozeß gegen den Eigenſinn und den Neid eines Muͤllers zu verlie-
ren. Auch glauben oft andere Nachbarn, Urſach und Recht zum Widerſpruch zu
haben, z. B. der oberhalb liegende aus Beſorglichkeit, daß man die Schleuſen
ſchließen werde, wenn eine ſtarke Waſſerfluth erfolgt, und er dann von der Ueber-
ſchwemmung leiden koͤnne, ſo wenig auch verſtaͤndiger Weiſe dieſe Beſorglichkeit
eintreten kann. Der unterhalb liegende glaubt, daß fuͤr ihn das Waſſer vermin-
dert oder verſchlechtert und unrein gemacht, oder aber ihm Schlamm, den er nicht
haben will, zugefuͤhret werde. Wenn man nun gleich hoffen kann, daß eine beſ-
ſere agrariſche Geſetzgebung die Hinderniſſe von dieſer Seite aus dem Wege raͤu-
men werde, ſo muß man doch vorſichtig bei der Sache ſeyn, und den Plan nicht

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[188/0210] Die Bewaͤſſerung. ſers erworben haben. Oft wird man den Zulauf des Waſſers, beſonders aus Seen und quelligten Stellen, durch einen ihm gegebenen Abzug betraͤchtlich ver- mehren, indem dadurch der Gegendruck gehoben wird, den das ſtehende Waſſer aͤußert. Die Quellen und ihre Adern werden ſich dann mehr oͤffnen, das Waſſer wird von hoͤheren Orten mit ſtaͤrkerer Gewalt hindurchdringen und Verſtopfungen aufheben. Dies hat ſich insbeſondere bei Landſeen zugetragen, die vorher keinen Abfluß hatten, nach erhaltenen Abzug aber ſich um ſo ſchneller wieder fuͤllten, und ſo dem Kanale einen Waſſerzufluß lieferten, dem man ihnen vorher nie zugetraut haͤtte. §. 278. Ein dritter Umſtand, woruͤber man in manchen Faͤllen ſich erſt verſichern muß, iſt der, ob man auch vollkommenes Recht uͤber das Waſſer auf ſeinem Areale habe, und ob nicht ober- und unterhalb liegende Nachbarn der Sache Hinderniſſe in den Weg legen duͤrfen. Dies iſt nur zu haͤufig bei den Waſſermuͤhlen der Fall, indem die oberhalb liegenden bei jeder vorgenommenen Anſtauung beſorgt ſind, daß ihnen das Waſſer in die Raͤder geſtaut werde, die unterhalb liegenden aber, daß man ihnen das Waſſer entziehe. Haͤufig ſind ſolche Klagen ganz ungegruͤndet; allein wenn man den Beweis fuͤhren ſoll, daß dieſe Anlagen den Muͤhlen nicht ſchaͤdlich ſeyen, ſo haͤlt es ſchwer, denen Gerichtshoͤfen auf eine ihnen verſtaͤnd- liche Art dies zu beweiſen; und da ſie ſich an dem Buchſtaben der Privilegien und Rezeſſe halten, welche in den Zeiten der erſten Kultur zu ſehr zum Vortheil und zur Sicherung der Muͤller gegeben werden, ſo laͤuft man gewoͤhnlich Gefahr, einen ſolchen Prozeß gegen den Eigenſinn und den Neid eines Muͤllers zu verlie- ren. Auch glauben oft andere Nachbarn, Urſach und Recht zum Widerſpruch zu haben, z. B. der oberhalb liegende aus Beſorglichkeit, daß man die Schleuſen ſchließen werde, wenn eine ſtarke Waſſerfluth erfolgt, und er dann von der Ueber- ſchwemmung leiden koͤnne, ſo wenig auch verſtaͤndiger Weiſe dieſe Beſorglichkeit eintreten kann. Der unterhalb liegende glaubt, daß fuͤr ihn das Waſſer vermin- dert oder verſchlechtert und unrein gemacht, oder aber ihm Schlamm, den er nicht haben will, zugefuͤhret werde. Wenn man nun gleich hoffen kann, daß eine beſ- ſere agrariſche Geſetzgebung die Hinderniſſe von dieſer Seite aus dem Wege raͤu- men werde, ſo muß man doch vorſichtig bei der Sache ſeyn, und den Plan nicht Ruͤckſicht auf die Berechti- gungen uͤber das Waſſer.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/210>, abgerufen am 26.11.2024.