Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Ackerwerkzeuge.
Pfluges bei kraftvollem Zugvieh dadurch ausgewichen, daß er zur Seite springt. Hat
der Pflugführer sich einige Uebung damit erworben, so wird er es im Gefühl haben,
ob der Widerstand oder sein Pflug stärker sey, und in beiden Fällen sich helfen: den
Pflug dagegen anstemmen, oder seine Ausweichung durch einen gelinden Druck noch
befördern. Ich habe vormals selbst geglaubt, daß für einen rauhen, steinigen, mit
Wurzeln durchwachsenen Boden bei dem ersten Aufbruche und der Urbarmachung
eines wilden Grundes ein großer Räderpflug zweckmäßiger sey, aber die Erfahrung
hat mich vom Gegentheil belehrt, indem ich durch den räderlosen Smalschen oder
Baileyschen Pflug neue Aufbrüche von ganz mit Baumwurzeln durchwachsenen Bo-
den mit ungleich geringerer Kraft gemacht habe, als mit einem starken Räderpfluge
möglich gewesen wäre. Ich habe mit zwei Pferden Boden dieser Art umgebrochen,
auf welchen man einen Räderpflug mit weniger als sechs Pferden zu bespannen frucht-
los gehalten hätte, wozu dann freilich die bessere Konstruktion des Pflugkörpers und
die Stärke des nach Smalscher Art befestigten Messers beitrug.

Wenn der räderlose Pflug durch die minder feste Haltung, welche ihm die Spitze
des Baums giebt, eine minder feste Richtung hat, so wird dies bei weitem durch den
Vortheil überwogen, daß der Pflugführer nun eine Gewalt über ihn hat, die bei dem
Räderpfluge fast ganz wegfällt. Er kann ihn mit einem gelinden Druck mehr links in
das Land hinein, oder mehr rechts heraus, durch eine Hebung der Sterzen tiefer in
den Boden, durch einen gelinden Druck mehr herausbringen, und wenn auf einer
ebenen Fläche von diesen Abweichungen keine nöthig ist, seinen Gang fortgehen las-
sen. Dieser große Vorzug fällt am meisten auf unebnen, hüglichten, sich bald sen-
kenden, bald erhebenden Boden ins Auge. Der Räderpflug wirkt hier durchaus
falsch, und macht eine Furche von ungleicher Tiefe. Wenn es nämlich auf einen Hü-
gel hinaufgeht, so steht das Vorgestell höher, als der Pflugkörper, folglich hebt sich
die Spitze des Schaars, und streicht ganz flach oder völlig über die Oberfläche her.
Geht es bergab, so steht das Vorgestell niedriger, wie der Pflugkörper, und so senkt
sich das Schaar, und der Pflug geht zu tief ein. Dies kann ohne jedesmaliges Um-
stellen des Pfluges durchaus nicht verhütet werden, und alle Anstrengungen des Füh-
rers dagegen sind vergebens. Nicht deutlicher wird dieses, als wenn man ein Feld,
was in breite, hohe Beete aufgepflügt worden, mit einem Räderpfluge quer durchar-
beiten will. Wenn der Pflug zu den Rücken hinaufgeht, so greift er kaum ein, und

Dritter Theil. E

Die Ackerwerkzeuge.
Pfluges bei kraftvollem Zugvieh dadurch ausgewichen, daß er zur Seite ſpringt. Hat
der Pflugfuͤhrer ſich einige Uebung damit erworben, ſo wird er es im Gefuͤhl haben,
ob der Widerſtand oder ſein Pflug ſtaͤrker ſey, und in beiden Faͤllen ſich helfen: den
Pflug dagegen anſtemmen, oder ſeine Ausweichung durch einen gelinden Druck noch
befoͤrdern. Ich habe vormals ſelbſt geglaubt, daß fuͤr einen rauhen, ſteinigen, mit
Wurzeln durchwachſenen Boden bei dem erſten Aufbruche und der Urbarmachung
eines wilden Grundes ein großer Raͤderpflug zweckmaͤßiger ſey, aber die Erfahrung
hat mich vom Gegentheil belehrt, indem ich durch den raͤderloſen Smalſchen oder
Baileyſchen Pflug neue Aufbruͤche von ganz mit Baumwurzeln durchwachſenen Bo-
den mit ungleich geringerer Kraft gemacht habe, als mit einem ſtarken Raͤderpfluge
moͤglich geweſen waͤre. Ich habe mit zwei Pferden Boden dieſer Art umgebrochen,
auf welchen man einen Raͤderpflug mit weniger als ſechs Pferden zu beſpannen frucht-
los gehalten haͤtte, wozu dann freilich die beſſere Konſtruktion des Pflugkoͤrpers und
die Staͤrke des nach Smalſcher Art befeſtigten Meſſers beitrug.

Wenn der raͤderloſe Pflug durch die minder feſte Haltung, welche ihm die Spitze
des Baums giebt, eine minder feſte Richtung hat, ſo wird dies bei weitem durch den
Vortheil uͤberwogen, daß der Pflugfuͤhrer nun eine Gewalt uͤber ihn hat, die bei dem
Raͤderpfluge faſt ganz wegfaͤllt. Er kann ihn mit einem gelinden Druck mehr links in
das Land hinein, oder mehr rechts heraus, durch eine Hebung der Sterzen tiefer in
den Boden, durch einen gelinden Druck mehr herausbringen, und wenn auf einer
ebenen Flaͤche von dieſen Abweichungen keine noͤthig iſt, ſeinen Gang fortgehen laſ-
ſen. Dieſer große Vorzug faͤllt am meiſten auf unebnen, huͤglichten, ſich bald ſen-
kenden, bald erhebenden Boden ins Auge. Der Raͤderpflug wirkt hier durchaus
falſch, und macht eine Furche von ungleicher Tiefe. Wenn es naͤmlich auf einen Huͤ-
gel hinaufgeht, ſo ſteht das Vorgeſtell hoͤher, als der Pflugkoͤrper, folglich hebt ſich
die Spitze des Schaars, und ſtreicht ganz flach oder voͤllig uͤber die Oberflaͤche her.
Geht es bergab, ſo ſteht das Vorgeſtell niedriger, wie der Pflugkoͤrper, und ſo ſenkt
ſich das Schaar, und der Pflug geht zu tief ein. Dies kann ohne jedesmaliges Um-
ſtellen des Pfluges durchaus nicht verhuͤtet werden, und alle Anſtrengungen des Fuͤh-
rers dagegen ſind vergebens. Nicht deutlicher wird dieſes, als wenn man ein Feld,
was in breite, hohe Beete aufgepfluͤgt worden, mit einem Raͤderpfluge quer durchar-
beiten will. Wenn der Pflug zu den Ruͤcken hinaufgeht, ſo greift er kaum ein, und

Dritter Theil. E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0055" n="33"/><fw place="top" type="header">Die Ackerwerkzeuge.</fw><lb/>
Pfluges bei kraftvollem Zugvieh dadurch ausgewichen, daß er zur Seite &#x017F;pringt. Hat<lb/>
der Pflugfu&#x0364;hrer &#x017F;ich einige Uebung damit erworben, &#x017F;o wird er es im Gefu&#x0364;hl haben,<lb/>
ob der Wider&#x017F;tand oder &#x017F;ein Pflug &#x017F;ta&#x0364;rker &#x017F;ey, und in beiden Fa&#x0364;llen &#x017F;ich helfen: den<lb/>
Pflug dagegen an&#x017F;temmen, oder &#x017F;eine Ausweichung durch einen gelinden Druck noch<lb/>
befo&#x0364;rdern. Ich habe vormals &#x017F;elb&#x017F;t geglaubt, daß fu&#x0364;r einen rauhen, &#x017F;teinigen, mit<lb/>
Wurzeln durchwach&#x017F;enen Boden bei dem er&#x017F;ten Aufbruche und der Urbarmachung<lb/>
eines wilden Grundes ein großer Ra&#x0364;derpflug zweckma&#x0364;ßiger &#x017F;ey, aber die Erfahrung<lb/>
hat mich vom Gegentheil belehrt, indem ich durch den ra&#x0364;derlo&#x017F;en Smal&#x017F;chen oder<lb/>
Bailey&#x017F;chen Pflug neue Aufbru&#x0364;che von ganz mit Baumwurzeln durchwach&#x017F;enen Bo-<lb/>
den mit ungleich geringerer Kraft gemacht habe, als mit einem &#x017F;tarken Ra&#x0364;derpfluge<lb/>
mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Ich habe mit zwei Pferden Boden die&#x017F;er Art umgebrochen,<lb/>
auf welchen man einen Ra&#x0364;derpflug mit weniger als &#x017F;echs Pferden zu be&#x017F;pannen frucht-<lb/>
los gehalten ha&#x0364;tte, wozu dann freilich die be&#x017F;&#x017F;ere Kon&#x017F;truktion des Pflugko&#x0364;rpers und<lb/>
die Sta&#x0364;rke des nach Smal&#x017F;cher Art befe&#x017F;tigten Me&#x017F;&#x017F;ers beitrug.</p><lb/>
              <p>Wenn der ra&#x0364;derlo&#x017F;e Pflug durch die minder fe&#x017F;te Haltung, welche ihm die Spitze<lb/>
des Baums giebt, eine minder fe&#x017F;te Richtung hat, &#x017F;o wird dies bei weitem durch den<lb/>
Vortheil u&#x0364;berwogen, daß der Pflugfu&#x0364;hrer nun eine Gewalt u&#x0364;ber ihn hat, die bei dem<lb/>
Ra&#x0364;derpfluge fa&#x017F;t ganz wegfa&#x0364;llt. Er kann ihn mit einem gelinden Druck mehr links in<lb/>
das Land hinein, oder mehr rechts heraus, durch eine Hebung der Sterzen tiefer in<lb/>
den Boden, durch einen gelinden Druck mehr herausbringen, und wenn auf einer<lb/>
ebenen Fla&#x0364;che von die&#x017F;en Abweichungen keine no&#x0364;thig i&#x017F;t, &#x017F;einen Gang fortgehen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Die&#x017F;er große Vorzug fa&#x0364;llt am mei&#x017F;ten auf unebnen, hu&#x0364;glichten, &#x017F;ich bald &#x017F;en-<lb/>
kenden, bald erhebenden Boden ins Auge. Der Ra&#x0364;derpflug wirkt hier durchaus<lb/>
fal&#x017F;ch, und macht eine Furche von ungleicher Tiefe. Wenn es na&#x0364;mlich auf einen Hu&#x0364;-<lb/>
gel hinaufgeht, &#x017F;o &#x017F;teht das Vorge&#x017F;tell ho&#x0364;her, als der Pflugko&#x0364;rper, folglich hebt &#x017F;ich<lb/>
die Spitze des Schaars, und &#x017F;treicht ganz flach oder vo&#x0364;llig u&#x0364;ber die Oberfla&#x0364;che her.<lb/>
Geht es bergab, &#x017F;o &#x017F;teht das Vorge&#x017F;tell niedriger, wie der Pflugko&#x0364;rper, und &#x017F;o &#x017F;enkt<lb/>
&#x017F;ich das Schaar, und der Pflug geht zu tief ein. Dies kann ohne jedesmaliges Um-<lb/>
&#x017F;tellen des Pfluges durchaus nicht verhu&#x0364;tet werden, und alle An&#x017F;trengungen des Fu&#x0364;h-<lb/>
rers dagegen &#x017F;ind vergebens. Nicht deutlicher wird die&#x017F;es, als wenn man ein Feld,<lb/>
was in breite, hohe Beete aufgepflu&#x0364;gt worden, mit einem Ra&#x0364;derpfluge quer durchar-<lb/>
beiten will. Wenn der Pflug zu den Ru&#x0364;cken hinaufgeht, &#x017F;o greift er kaum ein, und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Dritter Theil. E</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0055] Die Ackerwerkzeuge. Pfluges bei kraftvollem Zugvieh dadurch ausgewichen, daß er zur Seite ſpringt. Hat der Pflugfuͤhrer ſich einige Uebung damit erworben, ſo wird er es im Gefuͤhl haben, ob der Widerſtand oder ſein Pflug ſtaͤrker ſey, und in beiden Faͤllen ſich helfen: den Pflug dagegen anſtemmen, oder ſeine Ausweichung durch einen gelinden Druck noch befoͤrdern. Ich habe vormals ſelbſt geglaubt, daß fuͤr einen rauhen, ſteinigen, mit Wurzeln durchwachſenen Boden bei dem erſten Aufbruche und der Urbarmachung eines wilden Grundes ein großer Raͤderpflug zweckmaͤßiger ſey, aber die Erfahrung hat mich vom Gegentheil belehrt, indem ich durch den raͤderloſen Smalſchen oder Baileyſchen Pflug neue Aufbruͤche von ganz mit Baumwurzeln durchwachſenen Bo- den mit ungleich geringerer Kraft gemacht habe, als mit einem ſtarken Raͤderpfluge moͤglich geweſen waͤre. Ich habe mit zwei Pferden Boden dieſer Art umgebrochen, auf welchen man einen Raͤderpflug mit weniger als ſechs Pferden zu beſpannen frucht- los gehalten haͤtte, wozu dann freilich die beſſere Konſtruktion des Pflugkoͤrpers und die Staͤrke des nach Smalſcher Art befeſtigten Meſſers beitrug. Wenn der raͤderloſe Pflug durch die minder feſte Haltung, welche ihm die Spitze des Baums giebt, eine minder feſte Richtung hat, ſo wird dies bei weitem durch den Vortheil uͤberwogen, daß der Pflugfuͤhrer nun eine Gewalt uͤber ihn hat, die bei dem Raͤderpfluge faſt ganz wegfaͤllt. Er kann ihn mit einem gelinden Druck mehr links in das Land hinein, oder mehr rechts heraus, durch eine Hebung der Sterzen tiefer in den Boden, durch einen gelinden Druck mehr herausbringen, und wenn auf einer ebenen Flaͤche von dieſen Abweichungen keine noͤthig iſt, ſeinen Gang fortgehen laſ- ſen. Dieſer große Vorzug faͤllt am meiſten auf unebnen, huͤglichten, ſich bald ſen- kenden, bald erhebenden Boden ins Auge. Der Raͤderpflug wirkt hier durchaus falſch, und macht eine Furche von ungleicher Tiefe. Wenn es naͤmlich auf einen Huͤ- gel hinaufgeht, ſo ſteht das Vorgeſtell hoͤher, als der Pflugkoͤrper, folglich hebt ſich die Spitze des Schaars, und ſtreicht ganz flach oder voͤllig uͤber die Oberflaͤche her. Geht es bergab, ſo ſteht das Vorgeſtell niedriger, wie der Pflugkoͤrper, und ſo ſenkt ſich das Schaar, und der Pflug geht zu tief ein. Dies kann ohne jedesmaliges Um- ſtellen des Pfluges durchaus nicht verhuͤtet werden, und alle Anſtrengungen des Fuͤh- rers dagegen ſind vergebens. Nicht deutlicher wird dieſes, als wenn man ein Feld, was in breite, hohe Beete aufgepfluͤgt worden, mit einem Raͤderpfluge quer durchar- beiten will. Wenn der Pflug zu den Ruͤcken hinaufgeht, ſo greift er kaum ein, und Dritter Theil. E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/55
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/55>, abgerufen am 23.11.2024.