Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Hafer.

4) Der frühzeitige oder Augusthafer, welcher früher gesäet werden kann,
und früher reift, und den man besonders in kalten Berggegenden unterscheidet,
wo anderer Hafer oft kaum im September zur Reife kommt.

Zu denen mit schwarzen Körnern gehören:

5) Der glatte schwarze Hafer, der ein schweres Korn hat, und oft
per Scheffel 10 Pfd. mehr, wie der andre wiegt, folglich ungleich nahrhafter ist.
Er erfordert aber einen kräftigen Boden, und ist besonders für Niederungen ge-
eignet, wogegen er auf der Höhe vom Winde gar leicht ausgeschlagen wird.

6) Der Eichelhafer, welcher zum Theil schwarze, zum Theil weiße Kör-
ner hat, also wohl eine Ausartung oder Vermengung von schwarzem und wei-
ßen Hafer ist. Er soll eine besonders harte Schaale, aber ein mehlreiches
Korn haben.

Eine bestimmt verschiedene und deshalb auch von den Botanikern als eine
besondere Spezies angenommene Haferart ist:

7) der orientalische, türkische, ungarische, Fahnen- oder Kamm-
hafer
. Er hat eine mehr gedrängte Rispe, und die Aehrchen hängen alle nach
einer Seite über. Man hat ihn Anfangs als eine höchst einträgliche Art ge-
rühmt; es hat sich aber nachher gezeigt, daß er es auf gleichem Boden nicht
mehr und nicht weniger, als der gewöhnliche sey. Er reift nicht nur später,
sondern fällt auch nicht so leicht aus, wie anderer Hafer, und deshalb haben ihn
einige Landwirthe, die eine starke Haferaussaat machen, zum Theil zu bauen
fortgefahren. Er hat aber dagegen das Ueble, daß er sich schwerer abdreschen läßt.

Endlich hat man

8) den Rauh- Sand- oder Purrhafer. Ob dieser die Avena stri-
gosa
der Botaniker sey, von dem sie sagen, daß er bei uns wild wachse, wage
ich nicht zu entscheiden. Es ist aber eine allgemeine Erfahrung, daß der gewöhn-
liche Hafer ohne Erneuerung des Saamens auf sandigem Boden, besonders in
Haidgegend en in diesen ausarte; nicht plötzlich, sondern allmählig, Anfangs nur
untermischt. Dagegen arte er wieder ein, wenn er auf besserm Boden gesäet
werde. Verhält sichs hiermit nuu vielleicht eben so, wie mit der Trespe unter
dem Wint ergetreide, daß sich nämlich diese wilde, dem Boden mehr angeeignete
Pflanze ein nistet, und das ausgesäete Korn verdrängt? Oder gehet wirklich eine

Der Hafer.

4) Der fruͤhzeitige oder Auguſthafer, welcher fruͤher geſaͤet werden kann,
und fruͤher reift, und den man beſonders in kalten Berggegenden unterſcheidet,
wo anderer Hafer oft kaum im September zur Reife kommt.

Zu denen mit ſchwarzen Koͤrnern gehoͤren:

5) Der glatte ſchwarze Hafer, der ein ſchweres Korn hat, und oft
per Scheffel 10 Pfd. mehr, wie der andre wiegt, folglich ungleich nahrhafter iſt.
Er erfordert aber einen kraͤftigen Boden, und iſt beſonders fuͤr Niederungen ge-
eignet, wogegen er auf der Hoͤhe vom Winde gar leicht ausgeſchlagen wird.

6) Der Eichelhafer, welcher zum Theil ſchwarze, zum Theil weiße Koͤr-
ner hat, alſo wohl eine Ausartung oder Vermengung von ſchwarzem und wei-
ßen Hafer iſt. Er ſoll eine beſonders harte Schaale, aber ein mehlreiches
Korn haben.

Eine beſtimmt verſchiedene und deshalb auch von den Botanikern als eine
beſondere Spezies angenommene Haferart iſt:

7) der orientaliſche, tuͤrkiſche, ungariſche, Fahnen- oder Kamm-
hafer
. Er hat eine mehr gedraͤngte Rispe, und die Aehrchen haͤngen alle nach
einer Seite uͤber. Man hat ihn Anfangs als eine hoͤchſt eintraͤgliche Art ge-
ruͤhmt; es hat ſich aber nachher gezeigt, daß er es auf gleichem Boden nicht
mehr und nicht weniger, als der gewoͤhnliche ſey. Er reift nicht nur ſpaͤter,
ſondern faͤllt auch nicht ſo leicht aus, wie anderer Hafer, und deshalb haben ihn
einige Landwirthe, die eine ſtarke Haferausſaat machen, zum Theil zu bauen
fortgefahren. Er hat aber dagegen das Ueble, daß er ſich ſchwerer abdreſchen laͤßt.

Endlich hat man

8) den Rauh- Sand- oder Purrhafer. Ob dieſer die Avena stri-
gosa
der Botaniker ſey, von dem ſie ſagen, daß er bei uns wild wachſe, wage
ich nicht zu entſcheiden. Es iſt aber eine allgemeine Erfahrung, daß der gewoͤhn-
liche Hafer ohne Erneuerung des Saamens auf ſandigem Boden, beſonders in
Haidgegend en in dieſen ausarte; nicht ploͤtzlich, ſondern allmaͤhlig, Anfangs nur
untermiſcht. Dagegen arte er wieder ein, wenn er auf beſſerm Boden geſaͤet
werde. Verhaͤlt ſichs hiermit nuu vielleicht eben ſo, wie mit der Trespe unter
dem Wint ergetreide, daß ſich naͤmlich dieſe wilde, dem Boden mehr angeeignete
Pflanze ein niſtet, und das ausgeſaͤete Korn verdraͤngt? Oder gehet wirklich eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0114" n="90"/>
            <fw place="top" type="header">Der Hafer.</fw><lb/>
            <p>4) Der fru&#x0364;hzeitige oder <hi rendition="#g">Augu&#x017F;thafer</hi>, welcher fru&#x0364;her ge&#x017F;a&#x0364;et werden kann,<lb/>
und fru&#x0364;her reift, und den man be&#x017F;onders in kalten Berggegenden unter&#x017F;cheidet,<lb/>
wo anderer Hafer oft kaum im September zur Reife kommt.</p><lb/>
            <p>Zu denen mit &#x017F;chwarzen Ko&#x0364;rnern geho&#x0364;ren:</p><lb/>
            <p>5) Der <hi rendition="#g">glatte &#x017F;chwarze</hi> Hafer, der ein &#x017F;chweres Korn hat, und oft<lb/><hi rendition="#aq">per</hi> Scheffel 10 Pfd. mehr, wie der andre wiegt, folglich ungleich nahrhafter i&#x017F;t.<lb/>
Er erfordert aber einen kra&#x0364;ftigen Boden, und i&#x017F;t be&#x017F;onders fu&#x0364;r Niederungen ge-<lb/>
eignet, wogegen er auf der Ho&#x0364;he vom Winde gar leicht ausge&#x017F;chlagen wird.</p><lb/>
            <p>6) Der <hi rendition="#g">Eichelhafer</hi>, welcher zum Theil &#x017F;chwarze, zum Theil weiße Ko&#x0364;r-<lb/>
ner hat, al&#x017F;o wohl eine Ausartung oder Vermengung von &#x017F;chwarzem und wei-<lb/>
ßen Hafer i&#x017F;t. Er &#x017F;oll eine be&#x017F;onders harte Schaale, aber ein mehlreiches<lb/>
Korn haben.</p><lb/>
            <p>Eine be&#x017F;timmt ver&#x017F;chiedene und deshalb auch von den Botanikern als eine<lb/>
be&#x017F;ondere Spezies angenommene Haferart i&#x017F;t:</p><lb/>
            <p>7) der <hi rendition="#g">orientali&#x017F;che, tu&#x0364;rki&#x017F;che, ungari&#x017F;che, Fahnen</hi>- oder <hi rendition="#g">Kamm-<lb/>
hafer</hi>. Er hat eine mehr gedra&#x0364;ngte Rispe, und die Aehrchen ha&#x0364;ngen alle nach<lb/>
einer Seite u&#x0364;ber. Man hat ihn Anfangs als eine ho&#x0364;ch&#x017F;t eintra&#x0364;gliche Art ge-<lb/>
ru&#x0364;hmt; es hat &#x017F;ich aber nachher gezeigt, daß er es auf gleichem Boden nicht<lb/>
mehr und nicht weniger, als der gewo&#x0364;hnliche &#x017F;ey. Er reift nicht nur &#x017F;pa&#x0364;ter,<lb/>
&#x017F;ondern fa&#x0364;llt auch nicht &#x017F;o leicht aus, wie anderer Hafer, und deshalb haben ihn<lb/>
einige Landwirthe, die eine &#x017F;tarke Haferaus&#x017F;aat machen, zum Theil zu bauen<lb/>
fortgefahren. Er hat aber dagegen das Ueble, daß er &#x017F;ich &#x017F;chwerer abdre&#x017F;chen la&#x0364;ßt.</p><lb/>
            <p>Endlich hat man</p><lb/>
            <p>8) den <hi rendition="#g">Rauh- Sand</hi>- oder <hi rendition="#g">Purrhafer</hi>. Ob die&#x017F;er die <hi rendition="#aq">Avena stri-<lb/>
gosa</hi> der Botaniker &#x017F;ey, von dem &#x017F;ie &#x017F;agen, daß er bei uns wild wach&#x017F;e, wage<lb/>
ich nicht zu ent&#x017F;cheiden. Es i&#x017F;t aber eine allgemeine Erfahrung, daß der gewo&#x0364;hn-<lb/>
liche Hafer ohne Erneuerung des Saamens auf &#x017F;andigem Boden, be&#x017F;onders in<lb/>
Haidgegend en in die&#x017F;en ausarte; nicht plo&#x0364;tzlich, &#x017F;ondern allma&#x0364;hlig, Anfangs nur<lb/>
untermi&#x017F;cht. Dagegen arte er wieder ein, wenn er auf be&#x017F;&#x017F;erm Boden ge&#x017F;a&#x0364;et<lb/>
werde. Verha&#x0364;lt &#x017F;ichs hiermit nuu vielleicht eben &#x017F;o, wie mit der Trespe unter<lb/>
dem Wint ergetreide, daß &#x017F;ich na&#x0364;mlich die&#x017F;e wilde, dem Boden mehr angeeignete<lb/>
Pflanze ein ni&#x017F;tet, und das ausge&#x017F;a&#x0364;ete Korn verdra&#x0364;ngt? Oder gehet wirklich eine<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0114] Der Hafer. 4) Der fruͤhzeitige oder Auguſthafer, welcher fruͤher geſaͤet werden kann, und fruͤher reift, und den man beſonders in kalten Berggegenden unterſcheidet, wo anderer Hafer oft kaum im September zur Reife kommt. Zu denen mit ſchwarzen Koͤrnern gehoͤren: 5) Der glatte ſchwarze Hafer, der ein ſchweres Korn hat, und oft per Scheffel 10 Pfd. mehr, wie der andre wiegt, folglich ungleich nahrhafter iſt. Er erfordert aber einen kraͤftigen Boden, und iſt beſonders fuͤr Niederungen ge- eignet, wogegen er auf der Hoͤhe vom Winde gar leicht ausgeſchlagen wird. 6) Der Eichelhafer, welcher zum Theil ſchwarze, zum Theil weiße Koͤr- ner hat, alſo wohl eine Ausartung oder Vermengung von ſchwarzem und wei- ßen Hafer iſt. Er ſoll eine beſonders harte Schaale, aber ein mehlreiches Korn haben. Eine beſtimmt verſchiedene und deshalb auch von den Botanikern als eine beſondere Spezies angenommene Haferart iſt: 7) der orientaliſche, tuͤrkiſche, ungariſche, Fahnen- oder Kamm- hafer. Er hat eine mehr gedraͤngte Rispe, und die Aehrchen haͤngen alle nach einer Seite uͤber. Man hat ihn Anfangs als eine hoͤchſt eintraͤgliche Art ge- ruͤhmt; es hat ſich aber nachher gezeigt, daß er es auf gleichem Boden nicht mehr und nicht weniger, als der gewoͤhnliche ſey. Er reift nicht nur ſpaͤter, ſondern faͤllt auch nicht ſo leicht aus, wie anderer Hafer, und deshalb haben ihn einige Landwirthe, die eine ſtarke Haferausſaat machen, zum Theil zu bauen fortgefahren. Er hat aber dagegen das Ueble, daß er ſich ſchwerer abdreſchen laͤßt. Endlich hat man 8) den Rauh- Sand- oder Purrhafer. Ob dieſer die Avena stri- gosa der Botaniker ſey, von dem ſie ſagen, daß er bei uns wild wachſe, wage ich nicht zu entſcheiden. Es iſt aber eine allgemeine Erfahrung, daß der gewoͤhn- liche Hafer ohne Erneuerung des Saamens auf ſandigem Boden, beſonders in Haidgegend en in dieſen ausarte; nicht ploͤtzlich, ſondern allmaͤhlig, Anfangs nur untermiſcht. Dagegen arte er wieder ein, wenn er auf beſſerm Boden geſaͤet werde. Verhaͤlt ſichs hiermit nuu vielleicht eben ſo, wie mit der Trespe unter dem Wint ergetreide, daß ſich naͤmlich dieſe wilde, dem Boden mehr angeeignete Pflanze ein niſtet, und das ausgeſaͤete Korn verdraͤngt? Oder gehet wirklich eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/114
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/114>, abgerufen am 24.11.2024.