Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Hirse.
Saamen muß dann dünne ausgebreitet, und täglich mit der Harke umgerührt wer-
den, bis er vollkommen trocken ist, weil er sich sonst erhitzt, und danach bitter wird.
Das mehrentheils noch feuchte Stroh wird dann gebunden, und zum Trocknen an
die Luft gebracht, weil es sonst dumpfig werden würde, und weil es als Futter
sehr schätzbar ist.

Wenn gleich das einzelne Abschneiden der reifen Aehren für den größeren
Landwirth nicht anwendbar ist, so verlohnt sichs doch reichlich, wenn man so viel,
als zur Aussaat bestimmt ist, auf diese Weise einerntet. Der völlig reife und ge-
hörig behandelte Saamen läuft gleichmäßiger, giebt vollkommnere Pflanzen, und
schützt gegen den Staubbrand, der sonst in der Hirse sehr häufig erscheint. Man
schlägt diese, an einem luftigen Orte wohl getrocknete Saathirse dann erst aus, wenn
man sie säen will.

Das Enthülsen auf der Mühle oder durch Stampfen ist bekannt.

§. 108.

Die Hirse ist anerkannt eine sehr nahrhafte Substanz, die von den meisten
Menschen gern genossen wird, und den Reiß ersetzen kann. Ihr Preis richtet sich
daher auch gewöhnlich nach dem Preise des Reißes, und sie gilt die Hälfte des letztern.

Die Hirse kann auch als Futterkraut nützlich angebauet werden, und wird
dann dicht gesäet, und wenn sie Rispen entwickelt, gemähet.

§. 109.

Die sogenannte Moorhirse gehört in ein andres Pflanzengeschlecht. EineMoorhirse.
Art derselben wird zwar bei uns in warmen Sommern, aber bisher nur in Gär-
ten, reif, nämlich Holcus sorghum. Andre Arten erfordern ein ungleich wär-
meres Klima. Es ist nicht wahrscheinlich, daß sie jemals bei uns einheimisch
gemacht werden könnte, und ich erwähne daher dieser sonst sehr fruchtreichen Ge-
treideart nur.

Der Reiß mit allen seinen Abarten paßt noch weniger für unser Klima,Reiß.
und ob man gleich in den Schriften verschiedener landwirthschaftlichen Societä-
ten Nachrichten von seinem angeblichen Anbau findet; so zweifle ich doch, daß
man außer dem Treibhause jemals eine Pflanze im nördlichen Deutschlande zur
Reife gebracht habe, indem viele damit im südlichen Frankreich angestellte Ver-
suche mißrathen sind. Erst jenseits der Alpen kann er gebauet werden. Einen

Vierter Theil. N

Die Hirſe.
Saamen muß dann duͤnne ausgebreitet, und taͤglich mit der Harke umgeruͤhrt wer-
den, bis er vollkommen trocken iſt, weil er ſich ſonſt erhitzt, und danach bitter wird.
Das mehrentheils noch feuchte Stroh wird dann gebunden, und zum Trocknen an
die Luft gebracht, weil es ſonſt dumpfig werden wuͤrde, und weil es als Futter
ſehr ſchaͤtzbar iſt.

Wenn gleich das einzelne Abſchneiden der reifen Aehren fuͤr den groͤßeren
Landwirth nicht anwendbar iſt, ſo verlohnt ſichs doch reichlich, wenn man ſo viel,
als zur Ausſaat beſtimmt iſt, auf dieſe Weiſe einerntet. Der voͤllig reife und ge-
hoͤrig behandelte Saamen laͤuft gleichmaͤßiger, giebt vollkommnere Pflanzen, und
ſchuͤtzt gegen den Staubbrand, der ſonſt in der Hirſe ſehr haͤufig erſcheint. Man
ſchlaͤgt dieſe, an einem luftigen Orte wohl getrocknete Saathirſe dann erſt aus, wenn
man ſie ſaͤen will.

Das Enthuͤlſen auf der Muͤhle oder durch Stampfen iſt bekannt.

§. 108.

Die Hirſe iſt anerkannt eine ſehr nahrhafte Subſtanz, die von den meiſten
Menſchen gern genoſſen wird, und den Reiß erſetzen kann. Ihr Preis richtet ſich
daher auch gewoͤhnlich nach dem Preiſe des Reißes, und ſie gilt die Haͤlfte des letztern.

Die Hirſe kann auch als Futterkraut nuͤtzlich angebauet werden, und wird
dann dicht geſaͤet, und wenn ſie Rispen entwickelt, gemaͤhet.

§. 109.

Die ſogenannte Moorhirſe gehoͤrt in ein andres Pflanzengeſchlecht. EineMoorhirſe.
Art derſelben wird zwar bei uns in warmen Sommern, aber bisher nur in Gaͤr-
ten, reif, naͤmlich Holcus sorghum. Andre Arten erfordern ein ungleich waͤr-
meres Klima. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß ſie jemals bei uns einheimiſch
gemacht werden koͤnnte, und ich erwaͤhne daher dieſer ſonſt ſehr fruchtreichen Ge-
treideart nur.

Der Reiß mit allen ſeinen Abarten paßt noch weniger fuͤr unſer Klima,Reiß.
und ob man gleich in den Schriften verſchiedener landwirthſchaftlichen Societaͤ-
ten Nachrichten von ſeinem angeblichen Anbau findet; ſo zweifle ich doch, daß
man außer dem Treibhauſe jemals eine Pflanze im noͤrdlichen Deutſchlande zur
Reife gebracht habe, indem viele damit im ſuͤdlichen Frankreich angeſtellte Ver-
ſuche mißrathen ſind. Erſt jenſeits der Alpen kann er gebauet werden. Einen

Vierter Theil. N
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0121" n="97"/><fw place="top" type="header">Die Hir&#x017F;e.</fw><lb/>
Saamen muß dann du&#x0364;nne ausgebreitet, und ta&#x0364;glich mit der Harke umgeru&#x0364;hrt wer-<lb/>
den, bis er vollkommen trocken i&#x017F;t, weil er &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t erhitzt, und danach bitter wird.<lb/>
Das mehrentheils noch feuchte Stroh wird dann gebunden, und zum Trocknen an<lb/>
die Luft gebracht, weil es &#x017F;on&#x017F;t dumpfig werden wu&#x0364;rde, und weil es als Futter<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;cha&#x0364;tzbar i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Wenn gleich das einzelne Ab&#x017F;chneiden der reifen Aehren fu&#x0364;r den gro&#x0364;ßeren<lb/>
Landwirth nicht anwendbar i&#x017F;t, &#x017F;o verlohnt &#x017F;ichs doch reichlich, wenn man &#x017F;o viel,<lb/>
als zur Aus&#x017F;aat be&#x017F;timmt i&#x017F;t, auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e einerntet. Der vo&#x0364;llig reife und ge-<lb/>
ho&#x0364;rig behandelte Saamen la&#x0364;uft gleichma&#x0364;ßiger, giebt vollkommnere Pflanzen, und<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzt gegen den Staubbrand, der &#x017F;on&#x017F;t in der Hir&#x017F;e &#x017F;ehr ha&#x0364;ufig er&#x017F;cheint. Man<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;gt die&#x017F;e, an einem luftigen Orte wohl getrocknete Saathir&#x017F;e dann er&#x017F;t aus, wenn<lb/>
man &#x017F;ie &#x017F;a&#x0364;en will.</p><lb/>
            <p>Das Enthu&#x0364;l&#x017F;en auf der Mu&#x0364;hle oder durch Stampfen i&#x017F;t bekannt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 108.</head><lb/>
            <p>Die Hir&#x017F;e i&#x017F;t anerkannt eine &#x017F;ehr nahrhafte Sub&#x017F;tanz, die von den mei&#x017F;ten<lb/>
Men&#x017F;chen gern geno&#x017F;&#x017F;en wird, und den Reiß er&#x017F;etzen kann. Ihr Preis richtet &#x017F;ich<lb/>
daher auch gewo&#x0364;hnlich nach dem Prei&#x017F;e des Reißes, und &#x017F;ie gilt die Ha&#x0364;lfte des letztern.</p><lb/>
            <p>Die Hir&#x017F;e kann auch als Futterkraut nu&#x0364;tzlich angebauet werden, und wird<lb/>
dann dicht ge&#x017F;a&#x0364;et, und wenn &#x017F;ie Rispen entwickelt, gema&#x0364;het.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 109.</head><lb/>
            <p>Die &#x017F;ogenannte Moorhir&#x017F;e geho&#x0364;rt in ein andres Pflanzenge&#x017F;chlecht. Eine<note place="right">Moorhir&#x017F;e.</note><lb/>
Art der&#x017F;elben wird zwar bei uns in warmen Sommern, aber bisher nur in Ga&#x0364;r-<lb/>
ten, reif, na&#x0364;mlich <hi rendition="#aq">Holcus sorghum</hi>. Andre Arten erfordern ein ungleich wa&#x0364;r-<lb/>
meres Klima. Es i&#x017F;t nicht wahr&#x017F;cheinlich, daß &#x017F;ie jemals bei uns einheimi&#x017F;ch<lb/>
gemacht werden ko&#x0364;nnte, und ich erwa&#x0364;hne daher die&#x017F;er &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ehr fruchtreichen Ge-<lb/>
treideart nur.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#g">Reiß</hi> mit allen &#x017F;einen Abarten paßt noch weniger fu&#x0364;r un&#x017F;er Klima,<note place="right">Reiß.</note><lb/>
und ob man gleich in den Schriften ver&#x017F;chiedener landwirth&#x017F;chaftlichen Societa&#x0364;-<lb/>
ten Nachrichten von &#x017F;einem angeblichen Anbau findet; &#x017F;o zweifle ich doch, daß<lb/>
man außer dem Treibhau&#x017F;e jemals eine Pflanze im no&#x0364;rdlichen Deut&#x017F;chlande zur<lb/>
Reife gebracht habe, indem viele damit im &#x017F;u&#x0364;dlichen Frankreich ange&#x017F;tellte Ver-<lb/>
&#x017F;uche mißrathen &#x017F;ind. Er&#x017F;t jen&#x017F;eits der Alpen kann er gebauet werden. Einen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Vierter Theil. N</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0121] Die Hirſe. Saamen muß dann duͤnne ausgebreitet, und taͤglich mit der Harke umgeruͤhrt wer- den, bis er vollkommen trocken iſt, weil er ſich ſonſt erhitzt, und danach bitter wird. Das mehrentheils noch feuchte Stroh wird dann gebunden, und zum Trocknen an die Luft gebracht, weil es ſonſt dumpfig werden wuͤrde, und weil es als Futter ſehr ſchaͤtzbar iſt. Wenn gleich das einzelne Abſchneiden der reifen Aehren fuͤr den groͤßeren Landwirth nicht anwendbar iſt, ſo verlohnt ſichs doch reichlich, wenn man ſo viel, als zur Ausſaat beſtimmt iſt, auf dieſe Weiſe einerntet. Der voͤllig reife und ge- hoͤrig behandelte Saamen laͤuft gleichmaͤßiger, giebt vollkommnere Pflanzen, und ſchuͤtzt gegen den Staubbrand, der ſonſt in der Hirſe ſehr haͤufig erſcheint. Man ſchlaͤgt dieſe, an einem luftigen Orte wohl getrocknete Saathirſe dann erſt aus, wenn man ſie ſaͤen will. Das Enthuͤlſen auf der Muͤhle oder durch Stampfen iſt bekannt. §. 108. Die Hirſe iſt anerkannt eine ſehr nahrhafte Subſtanz, die von den meiſten Menſchen gern genoſſen wird, und den Reiß erſetzen kann. Ihr Preis richtet ſich daher auch gewoͤhnlich nach dem Preiſe des Reißes, und ſie gilt die Haͤlfte des letztern. Die Hirſe kann auch als Futterkraut nuͤtzlich angebauet werden, und wird dann dicht geſaͤet, und wenn ſie Rispen entwickelt, gemaͤhet. §. 109. Die ſogenannte Moorhirſe gehoͤrt in ein andres Pflanzengeſchlecht. Eine Art derſelben wird zwar bei uns in warmen Sommern, aber bisher nur in Gaͤr- ten, reif, naͤmlich Holcus sorghum. Andre Arten erfordern ein ungleich waͤr- meres Klima. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß ſie jemals bei uns einheimiſch gemacht werden koͤnnte, und ich erwaͤhne daher dieſer ſonſt ſehr fruchtreichen Ge- treideart nur. Moorhirſe. Der Reiß mit allen ſeinen Abarten paßt noch weniger fuͤr unſer Klima, und ob man gleich in den Schriften verſchiedener landwirthſchaftlichen Societaͤ- ten Nachrichten von ſeinem angeblichen Anbau findet; ſo zweifle ich doch, daß man außer dem Treibhauſe jemals eine Pflanze im noͤrdlichen Deutſchlande zur Reife gebracht habe, indem viele damit im ſuͤdlichen Frankreich angeſtellte Ver- ſuche mißrathen ſind. Erſt jenſeits der Alpen kann er gebauet werden. Einen Reiß. Vierter Theil. N

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/121
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/121>, abgerufen am 24.11.2024.