reichlich, ohne ihm nutzbareren Boden zu geben, und erhalte diese sonst so leicht versäurenden und mit Binsen und Seggen sich überziehenden Plätze in Kultur.
Der Lein erträgt es aber durchaus nicht, daß er schnell auf dasselbe Land zu- rückkehre. Man hält wenigstens eine Zwischenzeit von 9 Jahren nöthig, selbst da, wo man ihn am häufigsten und mit dem größten Erfolge bauet, wie in Belgien.
§. 229.
Saamen.Man hat es als eine unerläßliche Bedingung zum guten Leinbau angenom- men, daß man alle drei oder höchstens alle vier Jahre den Saamen erneuern, und zu dem Ende rigaischen Leinfaamen, welcher in Liefland, Kurland und Lit- thauen erzeugt wird, nehmen müsse. Die Erfahrung lehrt es allerdings, daß un- ser Saamen sich verschlechtere, und immer niedrigern, besonders sich zu früh in Aeste theilenden Flachs gebe. Man ist daher gezwungen, diesen theuren Saa- men, der die Tonne zu 2 Scheffel 18 bis 22 rthlr. kostet, von Zeit zu Zeit anzukaufen, wogegen man den selbst gewonnenen den Scheffel mit 3 oder 4 rthlr. bezahlt. Es ist aber wahrscheinlich nicht das Klima oder der Boden, welcher den Rückschlag unsres Leinsaamens bewirkt, sondern die wenige Aufmerksamkeit, welche wir auf die Saamenerzeugung verwenden. Wir lassen den Saamen nicht zur Reife kommen, riffeln ihn dann gleich ab, und können dann auf keine Weise verhüten, daß er sich etwas brenne, und seine gelbliche Farbe in eine braune ver- wandle. In jenen oftseeischen Gegenden, wo der Saamenverkauf einen beträcht- lichen Erwerbszweig ausmacht, gehet man aber weit vorsichtiger damit um. Man säet den zum Saamen bestimmten Lein weit dünner, mehrentheils auf abgebrann- ten Neubruch, läßt ihn völlig reifen, und opfert die Feinheit des Flachses der Güte des Saamens auf. Dann schneidet man die Saamenstengel eine Spanne lang ab, und windet solche mit Bast schraubenförmig um eine Stange, stellt diese Stangen auf, läßt ihn so nachreifen und völlig trocknen, und drischt ihn sodann erst ab. So behält der Saamen seine gelblichte Farbe, seinen Glanz und seinen eigenthümlichen frischen Geruch, und giebt dann kraftvollere Pflanzen. Es hat wohl keinen Zweifel, daß, wenn wir dieses Verfahren nachahmten, wir eben so guten Leinsaamen erziehen, und jenes kostbaren Ankaufs überhoben seyn könn- ten. Auch ist es der Erfahrung nach rathsam, den Leinsaamen zwei Jahr alt werden zu lassen; er soll nach einigen um desto besser seyn, je älter er geworden ist.
Geſpinnſtpflanzen.
reichlich, ohne ihm nutzbareren Boden zu geben, und erhalte dieſe ſonſt ſo leicht verſaͤurenden und mit Binſen und Seggen ſich uͤberziehenden Plaͤtze in Kultur.
Der Lein ertraͤgt es aber durchaus nicht, daß er ſchnell auf daſſelbe Land zu- ruͤckkehre. Man haͤlt wenigſtens eine Zwiſchenzeit von 9 Jahren noͤthig, ſelbſt da, wo man ihn am haͤufigſten und mit dem groͤßten Erfolge bauet, wie in Belgien.
§. 229.
Saamen.Man hat es als eine unerlaͤßliche Bedingung zum guten Leinbau angenom- men, daß man alle drei oder hoͤchſtens alle vier Jahre den Saamen erneuern, und zu dem Ende rigaiſchen Leinfaamen, welcher in Liefland, Kurland und Lit- thauen erzeugt wird, nehmen muͤſſe. Die Erfahrung lehrt es allerdings, daß un- ſer Saamen ſich verſchlechtere, und immer niedrigern, beſonders ſich zu fruͤh in Aeſte theilenden Flachs gebe. Man iſt daher gezwungen, dieſen theuren Saa- men, der die Tonne zu 2 Scheffel 18 bis 22 rthlr. koſtet, von Zeit zu Zeit anzukaufen, wogegen man den ſelbſt gewonnenen den Scheffel mit 3 oder 4 rthlr. bezahlt. Es iſt aber wahrſcheinlich nicht das Klima oder der Boden, welcher den Ruͤckſchlag unſres Leinſaamens bewirkt, ſondern die wenige Aufmerkſamkeit, welche wir auf die Saamenerzeugung verwenden. Wir laſſen den Saamen nicht zur Reife kommen, riffeln ihn dann gleich ab, und koͤnnen dann auf keine Weiſe verhuͤten, daß er ſich etwas brenne, und ſeine gelbliche Farbe in eine braune ver- wandle. In jenen oftſeeiſchen Gegenden, wo der Saamenverkauf einen betraͤcht- lichen Erwerbszweig ausmacht, gehet man aber weit vorſichtiger damit um. Man ſaͤet den zum Saamen beſtimmten Lein weit duͤnner, mehrentheils auf abgebrann- ten Neubruch, laͤßt ihn voͤllig reifen, und opfert die Feinheit des Flachſes der Guͤte des Saamens auf. Dann ſchneidet man die Saamenſtengel eine Spanne lang ab, und windet ſolche mit Baſt ſchraubenfoͤrmig um eine Stange, ſtellt dieſe Stangen auf, laͤßt ihn ſo nachreifen und voͤllig trocknen, und driſcht ihn ſodann erſt ab. So behaͤlt der Saamen ſeine gelblichte Farbe, ſeinen Glanz und ſeinen eigenthuͤmlichen friſchen Geruch, und giebt dann kraftvollere Pflanzen. Es hat wohl keinen Zweifel, daß, wenn wir dieſes Verfahren nachahmten, wir eben ſo guten Leinſaamen erziehen, und jenes koſtbaren Ankaufs uͤberhoben ſeyn koͤnn- ten. Auch iſt es der Erfahrung nach rathſam, den Leinſaamen zwei Jahr alt werden zu laſſen; er ſoll nach einigen um deſto beſſer ſeyn, je aͤlter er geworden iſt.
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Geſpinnſtpflanzen.
reichlich, ohne ihm nutzbareren Boden zu geben, und erhalte dieſe ſonſt ſo leicht
verſaͤurenden und mit Binſen und Seggen ſich uͤberziehenden Plaͤtze in Kultur.
Der Lein ertraͤgt es aber durchaus nicht, daß er ſchnell auf daſſelbe Land zu-
ruͤckkehre. Man haͤlt wenigſtens eine Zwiſchenzeit von 9 Jahren noͤthig, ſelbſt da,
wo man ihn am haͤufigſten und mit dem groͤßten Erfolge bauet, wie in Belgien.
§. 229.
Man hat es als eine unerlaͤßliche Bedingung zum guten Leinbau angenom-
men, daß man alle drei oder hoͤchſtens alle vier Jahre den Saamen erneuern,
und zu dem Ende rigaiſchen Leinfaamen, welcher in Liefland, Kurland und Lit-
thauen erzeugt wird, nehmen muͤſſe. Die Erfahrung lehrt es allerdings, daß un-
ſer Saamen ſich verſchlechtere, und immer niedrigern, beſonders ſich zu fruͤh in
Aeſte theilenden Flachs gebe. Man iſt daher gezwungen, dieſen theuren Saa-
men, der die Tonne zu 2 Scheffel 18 bis 22 rthlr. koſtet, von Zeit zu Zeit
anzukaufen, wogegen man den ſelbſt gewonnenen den Scheffel mit 3 oder 4 rthlr.
bezahlt. Es iſt aber wahrſcheinlich nicht das Klima oder der Boden, welcher
den Ruͤckſchlag unſres Leinſaamens bewirkt, ſondern die wenige Aufmerkſamkeit,
welche wir auf die Saamenerzeugung verwenden. Wir laſſen den Saamen nicht
zur Reife kommen, riffeln ihn dann gleich ab, und koͤnnen dann auf keine Weiſe
verhuͤten, daß er ſich etwas brenne, und ſeine gelbliche Farbe in eine braune ver-
wandle. In jenen oftſeeiſchen Gegenden, wo der Saamenverkauf einen betraͤcht-
lichen Erwerbszweig ausmacht, gehet man aber weit vorſichtiger damit um. Man
ſaͤet den zum Saamen beſtimmten Lein weit duͤnner, mehrentheils auf abgebrann-
ten Neubruch, laͤßt ihn voͤllig reifen, und opfert die Feinheit des Flachſes der
Guͤte des Saamens auf. Dann ſchneidet man die Saamenſtengel eine Spanne
lang ab, und windet ſolche mit Baſt ſchraubenfoͤrmig um eine Stange, ſtellt
dieſe Stangen auf, laͤßt ihn ſo nachreifen und voͤllig trocknen, und driſcht ihn
ſodann erſt ab. So behaͤlt der Saamen ſeine gelblichte Farbe, ſeinen Glanz und
ſeinen eigenthuͤmlichen friſchen Geruch, und giebt dann kraftvollere Pflanzen. Es
hat wohl keinen Zweifel, daß, wenn wir dieſes Verfahren nachahmten, wir eben
ſo guten Leinſaamen erziehen, und jenes koſtbaren Ankaufs uͤberhoben ſeyn koͤnn-
ten. Auch iſt es der Erfahrung nach rathſam, den Leinſaamen zwei Jahr alt
werden zu laſſen; er ſoll nach einigen um deſto beſſer ſeyn, je aͤlter er geworden iſt.
Saamen.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/204>, abgerufen am 22.11.2024.
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