Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Vegetabilische Produktion.
Gebrauche, aber vollkommen zur Aussaat geschickt seyn, indem sie ihre Keim-
kraft nicht verloren hätten. Diese Meinung des großen Mannes, welche
vielen und schädlichen Eindruck hätte machen können, ist aber sogleich von meh-
reren Landwirthen experimentalisch widerlegt worden. Und wenn gleich einige
Landwirthe kleinere und schwächere Körner aus dem Grunde zur Einsaat em-
pfohlen haben, weil deren mehrere in einem bestimmten Maaße sich befänden,
so sind doch alle aufmerksamere Beobachter von den Vortheilen der möglichst
vollständigen und größten Körner überzeugt, und man hat nicht selten eine
vorzügliche und ausgezeichnete Saat dadurch erhalten, daß man durch Aus-
wahl der vollkommensten Aehren und Körner sich einen Stamm stärkerer Pflan-
zen
verschaffte, und diesen durch sorgfältigere Behandlung erhielt. Hierauf
beruhen zum Theil die Vorzüge, welche man an ausländischen Getreidearten
bemerkt, so lange man sie mit besonderer Sorgfalt auch in Hinsicht der Saa-
menauswahl behandelt. Die zur Saat bestimmte Frucht muß also gleich an
einer solchen Stelle gewählt werden, wo sie die vollkommenste Ausbildung erhal-
ten hat, und unter manchen Verhältnissen wird es sich reichlich verlohnen,
wenn man sich seinen Saamen auf einem der Pflanzengattung vorzüglich an-
gemessenen Felde mit besonderer Sorgfalt erzieht, und auch während der Ve-
getationsperiode die Vertilgung des Unkrauts und die Vereinzelung der Pflan-
zen zugleich mit der Lockerung des Bodens durch das Behacken zu bewirken
sucht, um die Pflanzen und mithin ihren Saamen zur höchsten Vollkommen-
heit zu bringen. Hierdurch wird man auch die vollständigste und gleichmä-
ßigste Reife des Saamens bewirken. Wenn aber eine ungleiche Reifung der
Pflanzenart eigen wäre, so wird eine Aussonderung der völlig reifen Aehren
oder Saamenkapseln sich immer verlohnen.

§. 3.

Eben so wichtig aber ist eine sorgfältige Aufbewahrung des Saamenkorns.Sorgfältige
Aufbewah-
rung.

Jede Feuchtigkeit, die ihm sowohl von Natur zu Anfange anhängt oder in
der Folge angesogen wird, muß entfernt und durch dünne Verbreitung und
oft wiederholte Umrührung schnell zur Verdunstung gebracht werden. Denn
sobald die Verderbniß, welche man das Dumpfig- oder Mulstrigwerden nennt,
und welche sich durch den Geruch sehr deutlich offenbart, in der Saat ent-

Vegetabiliſche Produktion.
Gebrauche, aber vollkommen zur Ausſaat geſchickt ſeyn, indem ſie ihre Keim-
kraft nicht verloren haͤtten. Dieſe Meinung des großen Mannes, welche
vielen und ſchaͤdlichen Eindruck haͤtte machen koͤnnen, iſt aber ſogleich von meh-
reren Landwirthen experimentaliſch widerlegt worden. Und wenn gleich einige
Landwirthe kleinere und ſchwaͤchere Koͤrner aus dem Grunde zur Einſaat em-
pfohlen haben, weil deren mehrere in einem beſtimmten Maaße ſich befaͤnden,
ſo ſind doch alle aufmerkſamere Beobachter von den Vortheilen der moͤglichſt
vollſtaͤndigen und groͤßten Koͤrner uͤberzeugt, und man hat nicht ſelten eine
vorzuͤgliche und ausgezeichnete Saat dadurch erhalten, daß man durch Aus-
wahl der vollkommenſten Aehren und Koͤrner ſich einen Stamm ſtaͤrkerer Pflan-
zen
verſchaffte, und dieſen durch ſorgfaͤltigere Behandlung erhielt. Hierauf
beruhen zum Theil die Vorzuͤge, welche man an auslaͤndiſchen Getreidearten
bemerkt, ſo lange man ſie mit beſonderer Sorgfalt auch in Hinſicht der Saa-
menauswahl behandelt. Die zur Saat beſtimmte Frucht muß alſo gleich an
einer ſolchen Stelle gewaͤhlt werden, wo ſie die vollkommenſte Ausbildung erhal-
ten hat, und unter manchen Verhaͤltniſſen wird es ſich reichlich verlohnen,
wenn man ſich ſeinen Saamen auf einem der Pflanzengattung vorzuͤglich an-
gemeſſenen Felde mit beſonderer Sorgfalt erzieht, und auch waͤhrend der Ve-
getationsperiode die Vertilgung des Unkrauts und die Vereinzelung der Pflan-
zen zugleich mit der Lockerung des Bodens durch das Behacken zu bewirken
ſucht, um die Pflanzen und mithin ihren Saamen zur hoͤchſten Vollkommen-
heit zu bringen. Hierdurch wird man auch die vollſtaͤndigſte und gleichmaͤ-
ßigſte Reife des Saamens bewirken. Wenn aber eine ungleiche Reifung der
Pflanzenart eigen waͤre, ſo wird eine Ausſonderung der voͤllig reifen Aehren
oder Saamenkapſeln ſich immer verlohnen.

§. 3.

Eben ſo wichtig aber iſt eine ſorgfaͤltige Aufbewahrung des Saamenkorns.Sorgfaͤltige
Aufbewah-
rung.

Jede Feuchtigkeit, die ihm ſowohl von Natur zu Anfange anhaͤngt oder in
der Folge angeſogen wird, muß entfernt und durch duͤnne Verbreitung und
oft wiederholte Umruͤhrung ſchnell zur Verdunſtung gebracht werden. Denn
ſobald die Verderbniß, welche man das Dumpfig- oder Mulſtrigwerden nennt,
und welche ſich durch den Geruch ſehr deutlich offenbart, in der Saat ent-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0031" n="7"/><fw place="top" type="header">Vegetabili&#x017F;che Produktion.</fw><lb/>
Gebrauche, aber vollkommen zur Aus&#x017F;aat ge&#x017F;chickt &#x017F;eyn, indem &#x017F;ie ihre Keim-<lb/>
kraft nicht verloren ha&#x0364;tten. Die&#x017F;e Meinung des großen Mannes, welche<lb/>
vielen und &#x017F;cha&#x0364;dlichen Eindruck ha&#x0364;tte machen ko&#x0364;nnen, i&#x017F;t aber &#x017F;ogleich von meh-<lb/>
reren Landwirthen experimentali&#x017F;ch widerlegt worden. Und wenn gleich einige<lb/>
Landwirthe kleinere und &#x017F;chwa&#x0364;chere Ko&#x0364;rner aus dem Grunde zur Ein&#x017F;aat em-<lb/>
pfohlen haben, weil deren mehrere in einem be&#x017F;timmten Maaße &#x017F;ich befa&#x0364;nden,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ind doch alle aufmerk&#x017F;amere Beobachter von den Vortheilen der mo&#x0364;glich&#x017F;t<lb/>
voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen und gro&#x0364;ßten Ko&#x0364;rner u&#x0364;berzeugt, und man hat nicht &#x017F;elten eine<lb/>
vorzu&#x0364;gliche und ausgezeichnete Saat dadurch erhalten, daß man durch Aus-<lb/>
wahl der vollkommen&#x017F;ten Aehren und Ko&#x0364;rner &#x017F;ich einen Stamm &#x017F;ta&#x0364;rkerer <choice><sic>Pflan-<lb/>
zrn</sic><corr>Pflan-<lb/>
zen</corr></choice> ver&#x017F;chaffte, und die&#x017F;en durch &#x017F;orgfa&#x0364;ltigere Behandlung erhielt. Hierauf<lb/>
beruhen zum Theil die Vorzu&#x0364;ge, welche man an ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen Getreidearten<lb/>
bemerkt, &#x017F;o lange man &#x017F;ie mit be&#x017F;onderer Sorgfalt auch in Hin&#x017F;icht der Saa-<lb/>
menauswahl behandelt. Die zur Saat be&#x017F;timmte Frucht muß al&#x017F;o gleich an<lb/>
einer &#x017F;olchen Stelle gewa&#x0364;hlt werden, wo &#x017F;ie die vollkommen&#x017F;te Ausbildung erhal-<lb/>
ten hat, und unter manchen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en wird es &#x017F;ich reichlich verlohnen,<lb/>
wenn man &#x017F;ich &#x017F;einen Saamen auf einem der Pflanzengattung vorzu&#x0364;glich an-<lb/>
geme&#x017F;&#x017F;enen Felde mit be&#x017F;onderer Sorgfalt erzieht, und auch wa&#x0364;hrend der Ve-<lb/>
getationsperiode die Vertilgung des Unkrauts und die Vereinzelung der Pflan-<lb/>
zen zugleich mit der Lockerung des Bodens durch das Behacken zu bewirken<lb/>
&#x017F;ucht, um die Pflanzen und mithin ihren Saamen zur ho&#x0364;ch&#x017F;ten Vollkommen-<lb/>
heit zu bringen. Hierdurch wird man auch die voll&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;te und gleichma&#x0364;-<lb/>
ßig&#x017F;te Reife des Saamens bewirken. Wenn aber eine ungleiche Reifung der<lb/>
Pflanzenart eigen wa&#x0364;re, &#x017F;o wird eine Aus&#x017F;onderung der vo&#x0364;llig reifen Aehren<lb/>
oder Saamenkap&#x017F;eln &#x017F;ich immer verlohnen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 3.</head><lb/>
            <p>Eben &#x017F;o wichtig aber i&#x017F;t eine &#x017F;orgfa&#x0364;ltige Aufbewahrung des Saamenkorns.<note place="right">Sorgfa&#x0364;ltige<lb/>
Aufbewah-<lb/>
rung.</note><lb/>
Jede Feuchtigkeit, die ihm &#x017F;owohl von Natur zu Anfange anha&#x0364;ngt oder in<lb/>
der Folge ange&#x017F;ogen wird, muß entfernt und durch du&#x0364;nne Verbreitung und<lb/>
oft wiederholte Umru&#x0364;hrung &#x017F;chnell zur Verdun&#x017F;tung gebracht werden. Denn<lb/>
&#x017F;obald die Verderbniß, welche man das Dumpfig- oder Mul&#x017F;trigwerden nennt,<lb/>
und welche &#x017F;ich durch den Geruch &#x017F;ehr deutlich offenbart, in der Saat ent-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0031] Vegetabiliſche Produktion. Gebrauche, aber vollkommen zur Ausſaat geſchickt ſeyn, indem ſie ihre Keim- kraft nicht verloren haͤtten. Dieſe Meinung des großen Mannes, welche vielen und ſchaͤdlichen Eindruck haͤtte machen koͤnnen, iſt aber ſogleich von meh- reren Landwirthen experimentaliſch widerlegt worden. Und wenn gleich einige Landwirthe kleinere und ſchwaͤchere Koͤrner aus dem Grunde zur Einſaat em- pfohlen haben, weil deren mehrere in einem beſtimmten Maaße ſich befaͤnden, ſo ſind doch alle aufmerkſamere Beobachter von den Vortheilen der moͤglichſt vollſtaͤndigen und groͤßten Koͤrner uͤberzeugt, und man hat nicht ſelten eine vorzuͤgliche und ausgezeichnete Saat dadurch erhalten, daß man durch Aus- wahl der vollkommenſten Aehren und Koͤrner ſich einen Stamm ſtaͤrkerer Pflan- zen verſchaffte, und dieſen durch ſorgfaͤltigere Behandlung erhielt. Hierauf beruhen zum Theil die Vorzuͤge, welche man an auslaͤndiſchen Getreidearten bemerkt, ſo lange man ſie mit beſonderer Sorgfalt auch in Hinſicht der Saa- menauswahl behandelt. Die zur Saat beſtimmte Frucht muß alſo gleich an einer ſolchen Stelle gewaͤhlt werden, wo ſie die vollkommenſte Ausbildung erhal- ten hat, und unter manchen Verhaͤltniſſen wird es ſich reichlich verlohnen, wenn man ſich ſeinen Saamen auf einem der Pflanzengattung vorzuͤglich an- gemeſſenen Felde mit beſonderer Sorgfalt erzieht, und auch waͤhrend der Ve- getationsperiode die Vertilgung des Unkrauts und die Vereinzelung der Pflan- zen zugleich mit der Lockerung des Bodens durch das Behacken zu bewirken ſucht, um die Pflanzen und mithin ihren Saamen zur hoͤchſten Vollkommen- heit zu bringen. Hierdurch wird man auch die vollſtaͤndigſte und gleichmaͤ- ßigſte Reife des Saamens bewirken. Wenn aber eine ungleiche Reifung der Pflanzenart eigen waͤre, ſo wird eine Ausſonderung der voͤllig reifen Aehren oder Saamenkapſeln ſich immer verlohnen. §. 3. Eben ſo wichtig aber iſt eine ſorgfaͤltige Aufbewahrung des Saamenkorns. Jede Feuchtigkeit, die ihm ſowohl von Natur zu Anfange anhaͤngt oder in der Folge angeſogen wird, muß entfernt und durch duͤnne Verbreitung und oft wiederholte Umruͤhrung ſchnell zur Verdunſtung gebracht werden. Denn ſobald die Verderbniß, welche man das Dumpfig- oder Mulſtrigwerden nennt, und welche ſich durch den Geruch ſehr deutlich offenbart, in der Saat ent- Sorgfaͤltige Aufbewah- rung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/31
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/31>, abgerufen am 21.11.2024.