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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Rindviehzucht.
scheinlich diese Art mit sich dahin geführt, und sie entweder rein erhalten, oder
etwas von dem Blute des einländischen Viehes eingemischt. Die Niederlän-
dische Race ist bei uns unter dem Namen der Frisischen bekannt; auch
nennt man sie hier häufig die Oldenburger oder Bremer, weil sie von
dortigen Viehhändlern uns zugeführt, und zum Theil auch in diesen Gegenden
erzogen wird. Etwas unterscheidet sich davon die Race, welche man in den
fetten Niederungen von Holstein und Schleswig antrifft. Und noch mehr
diejenige, welche sich in der Danziger und Tilsitter Niederung gebildet
hat; doch kommen sie einander sehr nahe. In England ist diese Art unter
dem Namen der kurzhörnigen oder holderneß Art bekannt, und man glaubt
auch dort allgemein, daß sie aus den Niederlanden eingeführt sey. Ich glaube
gegen die gewöhnliche Meinung hierher auch die große Schweizer Race,
wovon wir in dem zweiten Hefte von "Deutschlands Rindviehracen" durch
Herrn Witte so treffliche Abbildungen erhalten haben, nämlich die Frei-
burger
, und selbst die kleinere Simmenthaler rechnen zu müssen; denn
sie gehört gewiß nicht zu den ursprünglichen Bergracen, ungeachtet sie auf den
niederen und reichen Weiden der Alpen gedeihet, sich aber auch sehr gut auf
dem Stalle füttern läßt. Diese Race ist wieder in einige der fruchtbarsten
Gegenden des südlichen Deutschlands und Frankens, besonders ins Anspachi-
sche
verpflanzt worden.

Diese sämmtlichen Arten werden als Milchvieh deshalb geschätzt, weil sie
bei zureichender Nahrung die größte Quantität von Milch geben. Sie sind
aber weichlich, und erfordern nicht nur ein sehr starkes, sondern auch ein aus-
gewähltes Futter, indem sie bei schlechterem sogleich zurückschlagen, abfallen
und beinahe allen Ertrag versagen.

Eine Durchkreuzung dieser starken Viehrace mit andern, fällt nicht immer
glücklich aus, besonders in den ersten Generationen. Es kann aber, wenn
die Fortpflanzung mit Ueberlegung geschiehet, und nicht gar zu heterogene
Thiere zusammengebracht werden, sich ein Schlag daraus bilden, der unter be-
sonderen Lokalitäten einen großen Vorzug vor der ursprünglichen Race besitzt,
und ihre guten Eigenschaften ohne ihre Uebel an sich trägt. Ein solcher Schlag
muß dann sorgfältig in sich selbst ferner veredelt werden.


Die Rindviehzucht.
ſcheinlich dieſe Art mit ſich dahin gefuͤhrt, und ſie entweder rein erhalten, oder
etwas von dem Blute des einlaͤndiſchen Viehes eingemiſcht. Die Niederlaͤn-
diſche Raçe iſt bei uns unter dem Namen der Friſiſchen bekannt; auch
nennt man ſie hier haͤufig die Oldenburger oder Bremer, weil ſie von
dortigen Viehhaͤndlern uns zugefuͤhrt, und zum Theil auch in dieſen Gegenden
erzogen wird. Etwas unterſcheidet ſich davon die Raçe, welche man in den
fetten Niederungen von Holſtein und Schleswig antrifft. Und noch mehr
diejenige, welche ſich in der Danziger und Tilſitter Niederung gebildet
hat; doch kommen ſie einander ſehr nahe. In England iſt dieſe Art unter
dem Namen der kurzhoͤrnigen oder holderneß Art bekannt, und man glaubt
auch dort allgemein, daß ſie aus den Niederlanden eingefuͤhrt ſey. Ich glaube
gegen die gewoͤhnliche Meinung hierher auch die große Schweizer Raçe,
wovon wir in dem zweiten Hefte von „Deutſchlands Rindviehraçen” durch
Herrn Witte ſo treffliche Abbildungen erhalten haben, naͤmlich die Frei-
burger
, und ſelbſt die kleinere Simmenthaler rechnen zu muͤſſen; denn
ſie gehoͤrt gewiß nicht zu den urſpruͤnglichen Bergraçen, ungeachtet ſie auf den
niederen und reichen Weiden der Alpen gedeihet, ſich aber auch ſehr gut auf
dem Stalle fuͤttern laͤßt. Dieſe Raçe iſt wieder in einige der fruchtbarſten
Gegenden des ſuͤdlichen Deutſchlands und Frankens, beſonders ins Anſpachi-
ſche
verpflanzt worden.

Dieſe ſaͤmmtlichen Arten werden als Milchvieh deshalb geſchaͤtzt, weil ſie
bei zureichender Nahrung die groͤßte Quantitaͤt von Milch geben. Sie ſind
aber weichlich, und erfordern nicht nur ein ſehr ſtarkes, ſondern auch ein aus-
gewaͤhltes Futter, indem ſie bei ſchlechterem ſogleich zuruͤckſchlagen, abfallen
und beinahe allen Ertrag verſagen.

Eine Durchkreuzung dieſer ſtarken Viehraçe mit andern, faͤllt nicht immer
gluͤcklich aus, beſonders in den erſten Generationen. Es kann aber, wenn
die Fortpflanzung mit Ueberlegung geſchiehet, und nicht gar zu heterogene
Thiere zuſammengebracht werden, ſich ein Schlag daraus bilden, der unter be-
ſonderen Lokalitaͤten einen großen Vorzug vor der urſpruͤnglichen Raçe beſitzt,
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[300/0324] Die Rindviehzucht. ſcheinlich dieſe Art mit ſich dahin gefuͤhrt, und ſie entweder rein erhalten, oder etwas von dem Blute des einlaͤndiſchen Viehes eingemiſcht. Die Niederlaͤn- diſche Raçe iſt bei uns unter dem Namen der Friſiſchen bekannt; auch nennt man ſie hier haͤufig die Oldenburger oder Bremer, weil ſie von dortigen Viehhaͤndlern uns zugefuͤhrt, und zum Theil auch in dieſen Gegenden erzogen wird. Etwas unterſcheidet ſich davon die Raçe, welche man in den fetten Niederungen von Holſtein und Schleswig antrifft. Und noch mehr diejenige, welche ſich in der Danziger und Tilſitter Niederung gebildet hat; doch kommen ſie einander ſehr nahe. In England iſt dieſe Art unter dem Namen der kurzhoͤrnigen oder holderneß Art bekannt, und man glaubt auch dort allgemein, daß ſie aus den Niederlanden eingefuͤhrt ſey. Ich glaube gegen die gewoͤhnliche Meinung hierher auch die große Schweizer Raçe, wovon wir in dem zweiten Hefte von „Deutſchlands Rindviehraçen” durch Herrn Witte ſo treffliche Abbildungen erhalten haben, naͤmlich die Frei- burger, und ſelbſt die kleinere Simmenthaler rechnen zu muͤſſen; denn ſie gehoͤrt gewiß nicht zu den urſpruͤnglichen Bergraçen, ungeachtet ſie auf den niederen und reichen Weiden der Alpen gedeihet, ſich aber auch ſehr gut auf dem Stalle fuͤttern laͤßt. Dieſe Raçe iſt wieder in einige der fruchtbarſten Gegenden des ſuͤdlichen Deutſchlands und Frankens, beſonders ins Anſpachi- ſche verpflanzt worden. Dieſe ſaͤmmtlichen Arten werden als Milchvieh deshalb geſchaͤtzt, weil ſie bei zureichender Nahrung die groͤßte Quantitaͤt von Milch geben. Sie ſind aber weichlich, und erfordern nicht nur ein ſehr ſtarkes, ſondern auch ein aus- gewaͤhltes Futter, indem ſie bei ſchlechterem ſogleich zuruͤckſchlagen, abfallen und beinahe allen Ertrag verſagen. Eine Durchkreuzung dieſer ſtarken Viehraçe mit andern, faͤllt nicht immer gluͤcklich aus, beſonders in den erſten Generationen. Es kann aber, wenn die Fortpflanzung mit Ueberlegung geſchiehet, und nicht gar zu heterogene Thiere zuſammengebracht werden, ſich ein Schlag daraus bilden, der unter be- ſonderen Lokalitaͤten einen großen Vorzug vor der urſpruͤnglichen Raçe beſitzt, und ihre guten Eigenſchaften ohne ihre Uebel an ſich traͤgt. Ein ſolcher Schlag muß dann ſorgfaͤltig in ſich ſelbſt ferner veredelt werden.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/324>, abgerufen am 22.11.2024.