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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schaafzucht.
vielmehr ist es gut, wenn die Schaafe die früh hervortreibenden Kräuter nieder-
halten. Ihr Pferch ersetzt es reichlich wieder, was sie davon nehmen, und der
dem Rindviehe widrige Geruch desselben verliert sich in dieser Zeit. Wenn auch
diese Weide etwas niedrig und feucht wäre, so schadet sie den Schaafen doch
im ersten Frühjahr nicht, wenn nur kein stauendes Wasser darauf stehet, und
sie nicht zu lange darauf gehalten werden.

Die hohe trockene Weide aber, besonders an Bergen, die ihrer Steil-
heit oder ihrer seichten auf Felsen ruhenden Ackerkrume wegen nicht beackert
werden können, und dem Rindviehe zu wenig Nahrung geben würden, pflegt
ausschließlich den Schaafen gewidmet zu seyn. Diese Weide ist ihnen auch
am zuträglichsten, und der Grund und Boden kann oft nicht vortheilhafter
als mit Schaafen benutzt werden. Es kommen indessen auch auf solchem ho-
hen Boden oft morastige Stellen, Quellgründe und Pfützen vor, oder ziehen
sich in den Schluchten zwischen Hügeln und Bergen durch, die den Schaa-
fen höchst gefährlich sind. Alle solche Stellen, wo Sumpfpflanzen vegetiren,
müssen sorgfältig mit den Schaafen vermieden werden, selbst wenn sie durch
Verdunstung im heißesten Sommer trocken geworden sind. Sie werden dann
gerade am gefährlichsten, wenn sie mit getrocknetem Schlamm überzogen wa-
ren und der morastige Boden mephitische Gase ausdunstet, welche eine die
Lebenskraft niederdrückende Eigenschaft haben, und dadurch bei allen Thie-
ren Krankheiten, bei den Menschen Fieber erregen, bei den Schaafen aber
oft augenblicklich die schwer zu besiegende Anlage zu der sogenannten Faul-
krankheit erzeugen, oder schnell tödtlich werden. Die feuchtere Jahreszeit ist
es nicht, welche diese Gefahr am meisten mit sich führt, weil die Schaafe
dann auf trockenem Grunde zureichende Nahrung finden, und solche Stel-
len von selbst vermeiden. Wenn aber die Grasung auf jenen verdorret,
so treibt sie der Hunger hierher, und die Schäfer sind aus Besorglichkeit,
daß sie sonst ganz verhungern möchten, nur zu geneigt, ihnen darin nachzu-
geben. Die Merinos sind aber unläugbar jener Krankheit weit mehr unter-
worfen, als die Landschaafe, und es ist daher eine unerläßliche Bedingung
zur Erhaltung einer edlen Schäferei, daß man die feuchten Stellen durch
Graben- und Wasserfurchen auf solchen Weiden abwassere, oder doch das

Wasser

Die Schaafzucht.
vielmehr iſt es gut, wenn die Schaafe die fruͤh hervortreibenden Kraͤuter nieder-
halten. Ihr Pferch erſetzt es reichlich wieder, was ſie davon nehmen, und der
dem Rindviehe widrige Geruch deſſelben verliert ſich in dieſer Zeit. Wenn auch
dieſe Weide etwas niedrig und feucht waͤre, ſo ſchadet ſie den Schaafen doch
im erſten Fruͤhjahr nicht, wenn nur kein ſtauendes Waſſer darauf ſtehet, und
ſie nicht zu lange darauf gehalten werden.

Die hohe trockene Weide aber, beſonders an Bergen, die ihrer Steil-
heit oder ihrer ſeichten auf Felſen ruhenden Ackerkrume wegen nicht beackert
werden koͤnnen, und dem Rindviehe zu wenig Nahrung geben wuͤrden, pflegt
ausſchließlich den Schaafen gewidmet zu ſeyn. Dieſe Weide iſt ihnen auch
am zutraͤglichſten, und der Grund und Boden kann oft nicht vortheilhafter
als mit Schaafen benutzt werden. Es kommen indeſſen auch auf ſolchem ho-
hen Boden oft moraſtige Stellen, Quellgruͤnde und Pfuͤtzen vor, oder ziehen
ſich in den Schluchten zwiſchen Huͤgeln und Bergen durch, die den Schaa-
fen hoͤchſt gefaͤhrlich ſind. Alle ſolche Stellen, wo Sumpfpflanzen vegetiren,
muͤſſen ſorgfaͤltig mit den Schaafen vermieden werden, ſelbſt wenn ſie durch
Verdunſtung im heißeſten Sommer trocken geworden ſind. Sie werden dann
gerade am gefaͤhrlichſten, wenn ſie mit getrocknetem Schlamm uͤberzogen wa-
ren und der moraſtige Boden mephitiſche Gaſe ausdunſtet, welche eine die
Lebenskraft niederdruͤckende Eigenſchaft haben, und dadurch bei allen Thie-
ren Krankheiten, bei den Menſchen Fieber erregen, bei den Schaafen aber
oft augenblicklich die ſchwer zu beſiegende Anlage zu der ſogenannten Faul-
krankheit erzeugen, oder ſchnell toͤdtlich werden. Die feuchtere Jahreszeit iſt
es nicht, welche dieſe Gefahr am meiſten mit ſich fuͤhrt, weil die Schaafe
dann auf trockenem Grunde zureichende Nahrung finden, und ſolche Stel-
len von ſelbſt vermeiden. Wenn aber die Graſung auf jenen verdorret,
ſo treibt ſie der Hunger hierher, und die Schaͤfer ſind aus Beſorglichkeit,
daß ſie ſonſt ganz verhungern moͤchten, nur zu geneigt, ihnen darin nachzu-
geben. Die Merinos ſind aber unlaͤugbar jener Krankheit weit mehr unter-
worfen, als die Landſchaafe, und es iſt daher eine unerlaͤßliche Bedingung
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Graben- und Waſſerfurchen auf ſolchen Weiden abwaſſere, oder doch das

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[408/0432] Die Schaafzucht. vielmehr iſt es gut, wenn die Schaafe die fruͤh hervortreibenden Kraͤuter nieder- halten. Ihr Pferch erſetzt es reichlich wieder, was ſie davon nehmen, und der dem Rindviehe widrige Geruch deſſelben verliert ſich in dieſer Zeit. Wenn auch dieſe Weide etwas niedrig und feucht waͤre, ſo ſchadet ſie den Schaafen doch im erſten Fruͤhjahr nicht, wenn nur kein ſtauendes Waſſer darauf ſtehet, und ſie nicht zu lange darauf gehalten werden. Die hohe trockene Weide aber, beſonders an Bergen, die ihrer Steil- heit oder ihrer ſeichten auf Felſen ruhenden Ackerkrume wegen nicht beackert werden koͤnnen, und dem Rindviehe zu wenig Nahrung geben wuͤrden, pflegt ausſchließlich den Schaafen gewidmet zu ſeyn. Dieſe Weide iſt ihnen auch am zutraͤglichſten, und der Grund und Boden kann oft nicht vortheilhafter als mit Schaafen benutzt werden. Es kommen indeſſen auch auf ſolchem ho- hen Boden oft moraſtige Stellen, Quellgruͤnde und Pfuͤtzen vor, oder ziehen ſich in den Schluchten zwiſchen Huͤgeln und Bergen durch, die den Schaa- fen hoͤchſt gefaͤhrlich ſind. Alle ſolche Stellen, wo Sumpfpflanzen vegetiren, muͤſſen ſorgfaͤltig mit den Schaafen vermieden werden, ſelbſt wenn ſie durch Verdunſtung im heißeſten Sommer trocken geworden ſind. Sie werden dann gerade am gefaͤhrlichſten, wenn ſie mit getrocknetem Schlamm uͤberzogen wa- ren und der moraſtige Boden mephitiſche Gaſe ausdunſtet, welche eine die Lebenskraft niederdruͤckende Eigenſchaft haben, und dadurch bei allen Thie- ren Krankheiten, bei den Menſchen Fieber erregen, bei den Schaafen aber oft augenblicklich die ſchwer zu beſiegende Anlage zu der ſogenannten Faul- krankheit erzeugen, oder ſchnell toͤdtlich werden. Die feuchtere Jahreszeit iſt es nicht, welche dieſe Gefahr am meiſten mit ſich fuͤhrt, weil die Schaafe dann auf trockenem Grunde zureichende Nahrung finden, und ſolche Stel- len von ſelbſt vermeiden. Wenn aber die Graſung auf jenen verdorret, ſo treibt ſie der Hunger hierher, und die Schaͤfer ſind aus Beſorglichkeit, daß ſie ſonſt ganz verhungern moͤchten, nur zu geneigt, ihnen darin nachzu- geben. Die Merinos ſind aber unlaͤugbar jener Krankheit weit mehr unter- worfen, als die Landſchaafe, und es iſt daher eine unerlaͤßliche Bedingung zur Erhaltung einer edlen Schaͤferei, daß man die feuchten Stellen durch Graben- und Waſſerfurchen auf ſolchen Weiden abwaſſere, oder doch das Waſſer

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/432>, abgerufen am 21.11.2024.