mal abfressen läßt, in welchem Falle sie sich leicht, besonders bei feuchter Wit- terung übernehmen können.
So lange die Brache unaufgebrochen liegt, haben die Schaafe mehren- theils reichlich zu leben. Dann aber geht in diesen Wirthschaften ihre Hun- gerzeit an. Die Angerweiden sind nun mehrentheils dürre, weil die meisten Gräser nach der Mitte des Sommers, zu wachsen aufhören. Die Holzweide muß nun der Nothbehelf seyn, und man spart die besseren Stellen gewöhn- lich für diese Zeit auf; die Schaafe erhalten aber wenig Kraft davon, und es ist erwünscht, daß man ihnen dann die Lämmer nehmen könne, für die man nun aber irgendwo eine gute Weide ausgesetzt haben muß.
Nach der Ernte tritt die Stoppelweide ein, die, je nachdem sie mehr oder minder krautig und mit abgefallenen Aehren bestreuet ist, stärkere oder schwächere Nahrung giebt.
d) Die Weide auf abgewässerten süßen Wiesen ist für die säugenden Schaafe im Frühjahr die wohlthätigste Nahrung, die man ihnen geben kann. Insbesondere sind es die mit Quellwasser berieselten Wiesen, nachdem man sie gehörig trocken gelegt hat, vorzüglich, weil sie früher begrünen und oft schon zu Ende des März ihr Gras hervortreiben. Die Beweidung solcher Wiesen, bei warmer Witterung bis zur Mitte Aprils, bei kalter bis zu An- fange des Mays, ist den Schaafen so wenig als den Wiesen nachtheilig, ungeachtet manche für beide einen großen Nachtheil davon besorgt haben. Sum- pfige und saure Wiesen können ihnen aber allerdings auch im Frühjahre schäd- lich werden. Im Herbst aber ist es selten rathsam und oft gefährlich, Schaafe auf Wiesen zu lassen, wogegen diese Weide dem Rindvieh sehr gedeihlich ist.
e) Die Behütung einer gut bestockten Winterung unter den bekannten Bedingungen -- daß es nur bei trocknem Wetter, im Winter nur auf dem Blachfroste, und im Frühjahr nur auf üppiger Saat und auf Boden, dem man Kraft zutrauen kann, geschehe -- ist gewiß solcher Saat unschädlich. Bei einer guten Schaafwirthschaft darf man aber auf diese Winterhutung we- nig rechnen; denn sie kann fehlen, und man darf sie immer nur mit großer Mäßigung gebrauchen, um die Schaafe nicht zu sehr daran zu gewöhnen, weil sie sonst das trockene Futter verschmähen und hungern, wenn man ih-
Die Schaafzucht.
mal abfreſſen laͤßt, in welchem Falle ſie ſich leicht, beſonders bei feuchter Wit- terung uͤbernehmen koͤnnen.
So lange die Brache unaufgebrochen liegt, haben die Schaafe mehren- theils reichlich zu leben. Dann aber geht in dieſen Wirthſchaften ihre Hun- gerzeit an. Die Angerweiden ſind nun mehrentheils duͤrre, weil die meiſten Graͤſer nach der Mitte des Sommers, zu wachſen aufhoͤren. Die Holzweide muß nun der Nothbehelf ſeyn, und man ſpart die beſſeren Stellen gewoͤhn- lich fuͤr dieſe Zeit auf; die Schaafe erhalten aber wenig Kraft davon, und es iſt erwuͤnſcht, daß man ihnen dann die Laͤmmer nehmen koͤnne, fuͤr die man nun aber irgendwo eine gute Weide ausgeſetzt haben muß.
Nach der Ernte tritt die Stoppelweide ein, die, je nachdem ſie mehr oder minder krautig und mit abgefallenen Aehren beſtreuet iſt, ſtaͤrkere oder ſchwaͤchere Nahrung giebt.
d) Die Weide auf abgewaͤſſerten ſuͤßen Wieſen iſt fuͤr die ſaͤugenden Schaafe im Fruͤhjahr die wohlthaͤtigſte Nahrung, die man ihnen geben kann. Insbeſondere ſind es die mit Quellwaſſer berieſelten Wieſen, nachdem man ſie gehoͤrig trocken gelegt hat, vorzuͤglich, weil ſie fruͤher begruͤnen und oft ſchon zu Ende des Maͤrz ihr Gras hervortreiben. Die Beweidung ſolcher Wieſen, bei warmer Witterung bis zur Mitte Aprils, bei kalter bis zu An- fange des Mays, iſt den Schaafen ſo wenig als den Wieſen nachtheilig, ungeachtet manche fuͤr beide einen großen Nachtheil davon beſorgt haben. Sum- pfige und ſaure Wieſen koͤnnen ihnen aber allerdings auch im Fruͤhjahre ſchaͤd- lich werden. Im Herbſt aber iſt es ſelten rathſam und oft gefaͤhrlich, Schaafe auf Wieſen zu laſſen, wogegen dieſe Weide dem Rindvieh ſehr gedeihlich iſt.
e) Die Behuͤtung einer gut beſtockten Winterung unter den bekannten Bedingungen — daß es nur bei trocknem Wetter, im Winter nur auf dem Blachfroſte, und im Fruͤhjahr nur auf uͤppiger Saat und auf Boden, dem man Kraft zutrauen kann, geſchehe — iſt gewiß ſolcher Saat unſchaͤdlich. Bei einer guten Schaafwirthſchaft darf man aber auf dieſe Winterhutung we- nig rechnen; denn ſie kann fehlen, und man darf ſie immer nur mit großer Maͤßigung gebrauchen, um die Schaafe nicht zu ſehr daran zu gewoͤhnen, weil ſie ſonſt das trockene Futter verſchmaͤhen und hungern, wenn man ih-
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Die Schaafzucht.
mal abfreſſen laͤßt, in welchem Falle ſie ſich leicht, beſonders bei feuchter Wit-
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So lange die Brache unaufgebrochen liegt, haben die Schaafe mehren-
theils reichlich zu leben. Dann aber geht in dieſen Wirthſchaften ihre Hun-
gerzeit an. Die Angerweiden ſind nun mehrentheils duͤrre, weil die meiſten
Graͤſer nach der Mitte des Sommers, zu wachſen aufhoͤren. Die Holzweide
muß nun der Nothbehelf ſeyn, und man ſpart die beſſeren Stellen gewoͤhn-
lich fuͤr dieſe Zeit auf; die Schaafe erhalten aber wenig Kraft davon, und
es iſt erwuͤnſcht, daß man ihnen dann die Laͤmmer nehmen koͤnne, fuͤr die
man nun aber irgendwo eine gute Weide ausgeſetzt haben muß.
Nach der Ernte tritt die Stoppelweide ein, die, je nachdem ſie mehr
oder minder krautig und mit abgefallenen Aehren beſtreuet iſt, ſtaͤrkere oder
ſchwaͤchere Nahrung giebt.
d) Die Weide auf abgewaͤſſerten ſuͤßen Wieſen iſt fuͤr die ſaͤugenden
Schaafe im Fruͤhjahr die wohlthaͤtigſte Nahrung, die man ihnen geben kann.
Insbeſondere ſind es die mit Quellwaſſer berieſelten Wieſen, nachdem man
ſie gehoͤrig trocken gelegt hat, vorzuͤglich, weil ſie fruͤher begruͤnen und oft
ſchon zu Ende des Maͤrz ihr Gras hervortreiben. Die Beweidung ſolcher
Wieſen, bei warmer Witterung bis zur Mitte Aprils, bei kalter bis zu An-
fange des Mays, iſt den Schaafen ſo wenig als den Wieſen nachtheilig,
ungeachtet manche fuͤr beide einen großen Nachtheil davon beſorgt haben. Sum-
pfige und ſaure Wieſen koͤnnen ihnen aber allerdings auch im Fruͤhjahre ſchaͤd-
lich werden. Im Herbſt aber iſt es ſelten rathſam und oft gefaͤhrlich, Schaafe
auf Wieſen zu laſſen, wogegen dieſe Weide dem Rindvieh ſehr gedeihlich iſt.
e) Die Behuͤtung einer gut beſtockten Winterung unter den bekannten
Bedingungen — daß es nur bei trocknem Wetter, im Winter nur auf dem
Blachfroſte, und im Fruͤhjahr nur auf uͤppiger Saat und auf Boden, dem
man Kraft zutrauen kann, geſchehe — iſt gewiß ſolcher Saat unſchaͤdlich.
Bei einer guten Schaafwirthſchaft darf man aber auf dieſe Winterhutung we-
nig rechnen; denn ſie kann fehlen, und man darf ſie immer nur mit großer
Maͤßigung gebrauchen, um die Schaafe nicht zu ſehr daran zu gewoͤhnen,
weil ſie ſonſt das trockene Futter verſchmaͤhen und hungern, wenn man ih-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/434>, abgerufen am 22.11.2024.
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