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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schaafzucht.
bei dem schnellen Wiederwuchs der Wolle von der doppelten Schur weniger Un-
gemach zu empfinden schienen, als von der sehr langen Wolle. Bei gut genähr-
ten Landschaafen hat man durch zweimalige Schur einen etwas größeren Wollge-
winn erhalten, den einige zu 1/10 andre nur zu 1/12 des Ganzen angeben. Daß der
Preis der zweischürigen Wolle dagegen geringer sey, gesteht man in einigen Ge-
genden zu, in andern aber nicht, und dies hängt wohl von den Fabrikaten ab, wo-
zu die Wolle hauptsächlich verwandt wird. Hutmacher nehmen die kurze Wolle
lieber. Schaafe, die an zweimaliger Schur gewöhnt sind, verlieren häufig im ersten
Frühjahre ihre Wolle, wenn man sie im Herbste stehen ließ, und sie muß abge-
rupft werden. Noch mehr erfolgt dies wenn sie im Holze und zwischen Gesträu-
chen gehütet werden. Die zu frühe und zu späte Jahreszeit, wo die Schur dann
geschehen muß, macht aber gewiß einen nachtheiligen Eindruck auf die Gesundheit
des von seinem Pelze entblößten Schaafs, dem nur durch eine kräftigere Nahrung
entgegen gewirkt werden kann.

Daß die Schur der Schaafe gründlich und vorsichtig geschehe, damit nicht
streifenweise Wolle stehen bleibe, hat auf den Wollertrag merklichen Einfluß.
Gut angewiesene und geübte Scheerer muß man daher zu erhalten suchen, und
sie unter genauer Aufsicht haben, welche der Schäfer, wenn er seinen Theil vom
Ertrage der Wolle erhält, gern führen wird. Es ist deshalb auch die Art und
Schärfe der Scheeren nicht gleichgültig.

In der Schicklerschen Fabrik vor Nestadt-Eberswalde werden jetzt vorzüglich
gute Schaafwoll-Scheeren verfertigt.

Das Scheeren wird mehrentheils stückweise zu 4 bis 6 Pf. bezahlt. Wenn
man durch etwas höheren Lohn ein besseres Scheeren erreichen kann, so erhöhet
man ihn gern. Das Scheeren im Frohndienst pflegt natürlich selten gut zu
geschehen.

Wenn die Heerde, Schaaft von verschiedener Feinheit enthält, so sondert
man sie wohl immer ab. Aber auch die Böcke, Hammel, Mütter und Jährlinge
werden besonders geschoren, und die Wolle jeder Art wird besonders verpackt.

Die Sortirung der nach den Körpertheilen verschiedenen Wolle ist bei uns
wenig gebräuchlich. Man pflegt die ganzen Pelze, ungefähr so viele als auf
einen Stein gehen, über einander, und die kurze, jedoch reine Wolle hinein zu

Die Schaafzucht.
bei dem ſchnellen Wiederwuchs der Wolle von der doppelten Schur weniger Un-
gemach zu empfinden ſchienen, als von der ſehr langen Wolle. Bei gut genaͤhr-
ten Landſchaafen hat man durch zweimalige Schur einen etwas groͤßeren Wollge-
winn erhalten, den einige zu 1/10 andre nur zu 1/12 des Ganzen angeben. Daß der
Preis der zweiſchuͤrigen Wolle dagegen geringer ſey, geſteht man in einigen Ge-
genden zu, in andern aber nicht, und dies haͤngt wohl von den Fabrikaten ab, wo-
zu die Wolle hauptſaͤchlich verwandt wird. Hutmacher nehmen die kurze Wolle
lieber. Schaafe, die an zweimaliger Schur gewoͤhnt ſind, verlieren haͤufig im erſten
Fruͤhjahre ihre Wolle, wenn man ſie im Herbſte ſtehen ließ, und ſie muß abge-
rupft werden. Noch mehr erfolgt dies wenn ſie im Holze und zwiſchen Geſtraͤu-
chen gehuͤtet werden. Die zu fruͤhe und zu ſpaͤte Jahreszeit, wo die Schur dann
geſchehen muß, macht aber gewiß einen nachtheiligen Eindruck auf die Geſundheit
des von ſeinem Pelze entbloͤßten Schaafs, dem nur durch eine kraͤftigere Nahrung
entgegen gewirkt werden kann.

Daß die Schur der Schaafe gruͤndlich und vorſichtig geſchehe, damit nicht
ſtreifenweiſe Wolle ſtehen bleibe, hat auf den Wollertrag merklichen Einfluß.
Gut angewieſene und geuͤbte Scheerer muß man daher zu erhalten ſuchen, und
ſie unter genauer Aufſicht haben, welche der Schaͤfer, wenn er ſeinen Theil vom
Ertrage der Wolle erhaͤlt, gern fuͤhren wird. Es iſt deshalb auch die Art und
Schaͤrfe der Scheeren nicht gleichguͤltig.

In der Schicklerſchen Fabrik vor Neſtadt-Eberswalde werden jetzt vorzuͤglich
gute Schaafwoll-Scheeren verfertigt.

Das Scheeren wird mehrentheils ſtuͤckweiſe zu 4 bis 6 Pf. bezahlt. Wenn
man durch etwas hoͤheren Lohn ein beſſeres Scheeren erreichen kann, ſo erhoͤhet
man ihn gern. Das Scheeren im Frohndienſt pflegt natuͤrlich ſelten gut zu
geſchehen.

Wenn die Heerde, Schaaft von verſchiedener Feinheit enthaͤlt, ſo ſondert
man ſie wohl immer ab. Aber auch die Boͤcke, Hammel, Muͤtter und Jaͤhrlinge
werden beſonders geſchoren, und die Wolle jeder Art wird beſonders verpackt.

Die Sortirung der nach den Koͤrpertheilen verſchiedenen Wolle iſt bei uns
wenig gebraͤuchlich. Man pflegt die ganzen Pelze, ungefaͤhr ſo viele als auf
einen Stein gehen, uͤber einander, und die kurze, jedoch reine Wolle hinein zu

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[429/0453] Die Schaafzucht. bei dem ſchnellen Wiederwuchs der Wolle von der doppelten Schur weniger Un- gemach zu empfinden ſchienen, als von der ſehr langen Wolle. Bei gut genaͤhr- ten Landſchaafen hat man durch zweimalige Schur einen etwas groͤßeren Wollge- winn erhalten, den einige zu 1/10 andre nur zu 1/12 des Ganzen angeben. Daß der Preis der zweiſchuͤrigen Wolle dagegen geringer ſey, geſteht man in einigen Ge- genden zu, in andern aber nicht, und dies haͤngt wohl von den Fabrikaten ab, wo- zu die Wolle hauptſaͤchlich verwandt wird. Hutmacher nehmen die kurze Wolle lieber. Schaafe, die an zweimaliger Schur gewoͤhnt ſind, verlieren haͤufig im erſten Fruͤhjahre ihre Wolle, wenn man ſie im Herbſte ſtehen ließ, und ſie muß abge- rupft werden. Noch mehr erfolgt dies wenn ſie im Holze und zwiſchen Geſtraͤu- chen gehuͤtet werden. Die zu fruͤhe und zu ſpaͤte Jahreszeit, wo die Schur dann geſchehen muß, macht aber gewiß einen nachtheiligen Eindruck auf die Geſundheit des von ſeinem Pelze entbloͤßten Schaafs, dem nur durch eine kraͤftigere Nahrung entgegen gewirkt werden kann. Daß die Schur der Schaafe gruͤndlich und vorſichtig geſchehe, damit nicht ſtreifenweiſe Wolle ſtehen bleibe, hat auf den Wollertrag merklichen Einfluß. Gut angewieſene und geuͤbte Scheerer muß man daher zu erhalten ſuchen, und ſie unter genauer Aufſicht haben, welche der Schaͤfer, wenn er ſeinen Theil vom Ertrage der Wolle erhaͤlt, gern fuͤhren wird. Es iſt deshalb auch die Art und Schaͤrfe der Scheeren nicht gleichguͤltig. In der Schicklerſchen Fabrik vor Neſtadt-Eberswalde werden jetzt vorzuͤglich gute Schaafwoll-Scheeren verfertigt. Das Scheeren wird mehrentheils ſtuͤckweiſe zu 4 bis 6 Pf. bezahlt. Wenn man durch etwas hoͤheren Lohn ein beſſeres Scheeren erreichen kann, ſo erhoͤhet man ihn gern. Das Scheeren im Frohndienſt pflegt natuͤrlich ſelten gut zu geſchehen. Wenn die Heerde, Schaaft von verſchiedener Feinheit enthaͤlt, ſo ſondert man ſie wohl immer ab. Aber auch die Boͤcke, Hammel, Muͤtter und Jaͤhrlinge werden beſonders geſchoren, und die Wolle jeder Art wird beſonders verpackt. Die Sortirung der nach den Koͤrpertheilen verſchiedenen Wolle iſt bei uns wenig gebraͤuchlich. Man pflegt die ganzen Pelze, ungefaͤhr ſo viele als auf einen Stein gehen, uͤber einander, und die kurze, jedoch reine Wolle hinein zu

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/453>, abgerufen am 21.11.2024.