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Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827.

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Leben
Künste müssen also ein mächtiger Hebel für den
öffentlichen Unterricht seyn."

"Die Künste bezwecken die Nachahmung
der schönsten und vollkommensten Werke der Na-
tur; ein dem Menschen angebornes Gefühl zieht
ihn zu dem gleichen Gegenstand. Nicht um das
Auge zu ergötzen, haben die Denkmäler der
Kunst dieses Ziel zu erreichen gestrebt, nein, die
Seele zu durchdringen und auf den Geist einen
der Wirklichkeit angemessenen tiefen Eindruck zu
machen. Stehen die Züge des Heldenmuths
und der Bürgertugend den Blicken eines Jeden
im Volke offen, so werden sie sein Gemüth er-
greifen und in ihm alle Triebfedern des Ruhms
und der Aufopferung für das Vaterland in Be-
wegung setzen. -- Der Künstler muß daher das
menschliche Herz kennen, er muß die Natur ge-
nau beobachtet haben, er muß mit einem Wort,
Philosoph seyn. Sokrates war ein geschickter
Bildhauer, J. J. Rousseau ein unverwerflicher
Componist, der unsterbliche Poussin warf die erha-
bensten Lehren der Philosophie auf die Leinwand.
Sie alle bezeugen, daß der Genius der Kunst
die Fackel der Vernunft zur Führerin bedarf."

Leben
Kuͤnſte muͤſſen alſo ein maͤchtiger Hebel fuͤr den
oͤffentlichen Unterricht ſeyn.“

„Die Kuͤnſte bezwecken die Nachahmung
der ſchoͤnſten und vollkommenſten Werke der Na-
tur; ein dem Menſchen angebornes Gefuͤhl zieht
ihn zu dem gleichen Gegenſtand. Nicht um das
Auge zu ergoͤtzen, haben die Denkmaͤler der
Kunſt dieſes Ziel zu erreichen geſtrebt, nein, die
Seele zu durchdringen und auf den Geiſt einen
der Wirklichkeit angemeſſenen tiefen Eindruck zu
machen. Stehen die Zuͤge des Heldenmuths
und der Buͤrgertugend den Blicken eines Jeden
im Volke offen, ſo werden ſie ſein Gemuͤth er-
greifen und in ihm alle Triebfedern des Ruhms
und der Aufopferung fuͤr das Vaterland in Be-
wegung ſetzen. — Der Kuͤnſtler muß daher das
menſchliche Herz kennen, er muß die Natur ge-
nau beobachtet haben, er muß mit einem Wort,
Philoſoph ſeyn. Sokrates war ein geſchickter
Bildhauer, J. J. Rouſſeau ein unverwerflicher
Componiſt, der unſterbliche Pouſſin warf die erha-
benſten Lehren der Philoſophie auf die Leinwand.
Sie alle bezeugen, daß der Genius der Kunſt
die Fackel der Vernunft zur Fuͤhrerin bedarf.“

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[80/0094] Leben Kuͤnſte muͤſſen alſo ein maͤchtiger Hebel fuͤr den oͤffentlichen Unterricht ſeyn.“ „Die Kuͤnſte bezwecken die Nachahmung der ſchoͤnſten und vollkommenſten Werke der Na- tur; ein dem Menſchen angebornes Gefuͤhl zieht ihn zu dem gleichen Gegenſtand. Nicht um das Auge zu ergoͤtzen, haben die Denkmaͤler der Kunſt dieſes Ziel zu erreichen geſtrebt, nein, die Seele zu durchdringen und auf den Geiſt einen der Wirklichkeit angemeſſenen tiefen Eindruck zu machen. Stehen die Zuͤge des Heldenmuths und der Buͤrgertugend den Blicken eines Jeden im Volke offen, ſo werden ſie ſein Gemuͤth er- greifen und in ihm alle Triebfedern des Ruhms und der Aufopferung fuͤr das Vaterland in Be- wegung ſetzen. — Der Kuͤnſtler muß daher das menſchliche Herz kennen, er muß die Natur ge- nau beobachtet haben, er muß mit einem Wort, Philoſoph ſeyn. Sokrates war ein geſchickter Bildhauer, J. J. Rouſſeau ein unverwerflicher Componiſt, der unſterbliche Pouſſin warf die erha- benſten Lehren der Philoſophie auf die Leinwand. Sie alle bezeugen, daß der Genius der Kunſt die Fackel der Vernunft zur Fuͤhrerin bedarf.“

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Zitationshilfe: Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiers_david_1827/94>, abgerufen am 24.11.2024.