Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.vor Pilatus Nichterstuhl. Pilatus. Verkenn mich nicht. Ich bin von Jesus. Ich könnte sie vernichten, aber ich Pilatus. Für einen König hättest du dich Jesus. Für einen König, und zwar von der Pilatus. (Ich denke: nicht mit einer weg- zer
vor Pilatus Nichterſtuhl. Pilatus. Verkenn mich nicht. Ich bin von Jeſus. Ich könnte ſie vernichten, aber ich Pilatus. Für einen König hätteſt du dich Jeſus. Für einen König, und zwar von der Pilatus. (Ich denke: nicht mit einer weg- zer
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vor Pilatus Nichterſtuhl.
Pilatus. Verkenn mich nicht. Ich bin von
den Vorurtheilen deines Volks gewis ganz frei.
Ich bin ia auch dein Kläger nicht, ich ſoll dein
Richter ſein. Sag denn, was geſtehſt du von
der, wider dich erhobnen, Anklage ein?
Jeſus. Ich könnte ſie vernichten, aber ich
will ſie zugeben. Ich geſteh es, ia, ich bin Chri-
ſtus, ich bin ein König, aber mein Reich liegt
aufferhalb der Erde, liegt innerhalb der Menſchen-
und Geiſternatur.
Pilatus. Für einen König hätteſt du dich
alſo doch erklärt?
Jeſus. Für einen König, und zwar von der
erhabenſten Art, der gebohren iſt zu herrſchen,
und deſſen Herrſchaft ſich auf das Allerfreieſte,
was der Menſch hat, auf Vernunft, Herz und
Gewiſſen erſtrekt, deſſen Reich, mit einem Wort,
das Reich der Wahrheit iſt.
Pilatus. (Ich denke: nicht mit einer weg-
werfenden vornehmen Miene, nicht mit einem
Lächeln, das es ſpöttiſch zu bemerken ſchien, daß
ein Jude vor ihm, dem Römer, von Wahrheit
reden, ſich für einen unzweifelhaften Lehrer der-
ſelben ausgeben wollte, nicht mit dem Anſehn
eines Staatsklugen, der es kalt bedaurte, daß
ein Menſch um ſolcher unbefriedigenden Dinge wil-
len ſich in Lebensgefahr gebe, ſondern mit dem
Ausdruk des ſtärkſten, durch Jeſu Rede wie durch
ſeine ganze Geſtalt — izt bei ihm aufgeregten,
Empfindens, des, ſonſt nur zu leicht, oder ſchon
zu lange unterdrükten, Empfindens vom Werth
des Guten, nnd von der Würklichkeit der Wahrheit,
alſo mit einem, tief aus der Bruſt geholten, Seuf-
zer
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