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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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Unser Herr,
den, oft noch die ganze Nacht, ia noch den fol-
genden Tag hindurch. Darum ward izt, auf
Anliegen der Juden, vom römischen Statthalter
Befehl ertheilt, den Gekreuzigten die Beine zu
brechen, und, nachdem sie hieran völlig gestorben
wären, ihre Leichname vom Kreuz abzunehinen.
Dies geschah bei beiden, mit Jesu gekreuzigten,
Verbrechern, nur nicht bei Jesu, denn er war
schon todt. Er war zwar schwer, aber doch
schnell gestorben. Um iedoch bei ihm, an dessen
Tode den Juden so viel gelegen zu sein schien, ganz
sicher zu gehn: so durchstach ein Soldat ihm die
Seite, und -- Blut und Wasser floß aus ihr
heraus. Das bezeugt Johannes, als Augen-
zeuge, und um so ausdrüklicher und genauer, ie
auffallender etwa dieser Umstand scheinen könnte.
Es erhellet denn aber schon daraus, daß der
Soldat Jesu nach dem Herzen gezielt, und seinen
Stoß, wenn man so sagen darf, glüklich voll-
führt habe.

Hierauf begab sich Joseph, ein reicher und
doch stiller, gutmüthiger Rathmann aus Arima-
thia, der nicht in die Verurtheilung Jesu einge-
willigt, sondern es vielmehr heimlich mit ihm
gehalten hatte, zu Pilatus, und erbat sich von
ihm den Leichnam Jesu zu seinem Eigenthum.
Wie allgemein und wie stark muß der Eindruk
von dem Tode Jesu und den, dabei erfolgten,
ungewöhnlichen Naturbegebenheiten gewesen sein,
daß Joseph noch an eben diesem Abend sich
mit einer solchen Bitte öffentlich hervorwagte,
daß er sich damit unmittelbar an den Statthalter

selbst

Unſer Herr,
den, oft noch die ganze Nacht, ia noch den fol-
genden Tag hindurch. Darum ward izt, auf
Anliegen der Juden, vom römiſchen Statthalter
Befehl ertheilt, den Gekreuzigten die Beine zu
brechen, und, nachdem ſie hieran völlig geſtorben
wären, ihre Leichname vom Kreuz abzunehinen.
Dies geſchah bei beiden, mit Jeſu gekreuzigten,
Verbrechern, nur nicht bei Jeſu, denn er war
ſchon todt. Er war zwar ſchwer, aber doch
ſchnell geſtorben. Um iedoch bei ihm, an deſſen
Tode den Juden ſo viel gelegen zu ſein ſchien, ganz
ſicher zu gehn: ſo durchſtach ein Soldat ihm die
Seite, und — Blut und Waſſer floß aus ihr
heraus. Das bezeugt Johannes, als Augen-
zeuge, und um ſo ausdrüklicher und genauer, ie
auffallender etwa dieſer Umſtand ſcheinen könnte.
Es erhellet denn aber ſchon daraus, daß der
Soldat Jeſu nach dem Herzen gezielt, und ſeinen
Stoß, wenn man ſo ſagen darf, glüklich voll-
führt habe.

Hierauf begab ſich Joſeph, ein reicher und
doch ſtiller, gutmüthiger Rathmann aus Arima-
thia, der nicht in die Verurtheilung Jeſu einge-
willigt, ſondern es vielmehr heimlich mit ihm
gehalten hatte, zu Pilatus, und erbat ſich von
ihm den Leichnam Jeſu zu ſeinem Eigenthum.
Wie allgemein und wie ſtark muß der Eindruk
von dem Tode Jeſu und den, dabei erfolgten,
ungewöhnlichen Naturbegebenheiten geweſen ſein,
daß Joſeph noch an eben dieſem Abend ſich
mit einer ſolchen Bitte öffentlich hervorwagte,
daß er ſich damit unmittelbar an den Statthalter

ſelbſt
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[116/0130] Unſer Herr, den, oft noch die ganze Nacht, ia noch den fol- genden Tag hindurch. Darum ward izt, auf Anliegen der Juden, vom römiſchen Statthalter Befehl ertheilt, den Gekreuzigten die Beine zu brechen, und, nachdem ſie hieran völlig geſtorben wären, ihre Leichname vom Kreuz abzunehinen. Dies geſchah bei beiden, mit Jeſu gekreuzigten, Verbrechern, nur nicht bei Jeſu, denn er war ſchon todt. Er war zwar ſchwer, aber doch ſchnell geſtorben. Um iedoch bei ihm, an deſſen Tode den Juden ſo viel gelegen zu ſein ſchien, ganz ſicher zu gehn: ſo durchſtach ein Soldat ihm die Seite, und — Blut und Waſſer floß aus ihr heraus. Das bezeugt Johannes, als Augen- zeuge, und um ſo ausdrüklicher und genauer, ie auffallender etwa dieſer Umſtand ſcheinen könnte. Es erhellet denn aber ſchon daraus, daß der Soldat Jeſu nach dem Herzen gezielt, und ſeinen Stoß, wenn man ſo ſagen darf, glüklich voll- führt habe. Hierauf begab ſich Joſeph, ein reicher und doch ſtiller, gutmüthiger Rathmann aus Arima- thia, der nicht in die Verurtheilung Jeſu einge- willigt, ſondern es vielmehr heimlich mit ihm gehalten hatte, zu Pilatus, und erbat ſich von ihm den Leichnam Jeſu zu ſeinem Eigenthum. Wie allgemein und wie ſtark muß der Eindruk von dem Tode Jeſu und den, dabei erfolgten, ungewöhnlichen Naturbegebenheiten geweſen ſein, daß Joſeph noch an eben dieſem Abend ſich mit einer ſolchen Bitte öffentlich hervorwagte, daß er ſich damit unmittelbar an den Statthalter ſelbſt

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/130>, abgerufen am 15.11.2024.