Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.Unser Herr, und beschämt; vor dieser Frage des Herrn, undvor dem, fast noch schärfer fragenden, wie auf ihn zusammentreffenden, Blik seiner Mitiünger errö- thend, und im innern guten Bewußtsein, was doch eine große Schuld ihm vorwarf, die er indeß schon getilgt glaubte, sich mit Mühe erheiternd! Be- troffen mußt er von dieser Frage werden, er mogte sie nehmen, wie er wollte. Ob er Jesum lieber habe, wie seine andern Iünger ihn gehabt hätten, ihn noch izt hätten -- welch eine Frage! und was sollt er dazu sagen? Sie beiahen, wie konnt er das, ohne die gröbeste Beleidigung aller übri- gen Iünger, und eines ieden insbesondre, wie konnt er dies noch dazu in ihrer Gegenwart, vor ihren Augen? wie konnt er es aber auch vor sich selbst und seinem Gewissen, wie ohne die härteste Selbstvermessenheit? Sie verneinen diese Fra- ge, das konnt er gewis noch weniger, das wär ein Widerspruch wider alle seine Empfindungen gewe- sen, der, ie mehr diese izt aufgeregt waren, ihm um desto unmöglicher sein muste. Sie denn gar unbeantwortet lassen, sie bescheiden von sich ableh- nen -- auch das konnte, das wollte Petrus ge- wis am allerwenigsten, denn das hätte ia ausge- sehen, wie eine neue, eine würkliche Verläugnung Iesu. Stillschweigend hätt er sie, nicht beiaht, sondern verneint. Gewis schwebte auch schon eine Antwort auf seinen Lippen, so wie Iesus den Mund zu einer Frage an ihn nur öfnete. Aber seine Lippen bebten doch wohl, eh er diese Frage beantwortete. Fiel ihm ein Zwischengedanke bei: so war es natürlich auch der: "warum thut der &q;Herr
Unſer Herr, und beſchämt; vor dieſer Frage des Herrn, undvor dem, faſt noch ſchärfer fragenden, wie auf ihn zuſammentreffenden, Blik ſeiner Mitiünger errö- thend, und im innern guten Bewußtſein, was doch eine große Schuld ihm vorwarf, die er indeß ſchon getilgt glaubte, ſich mit Mühe erheiternd! Be- troffen mußt er von dieſer Frage werden, er mogte ſie nehmen, wie er wollte. Ob er Jeſum lieber habe, wie ſeine andern Iünger ihn gehabt hätten, ihn noch izt hätten — welch eine Frage! und was ſollt er dazu ſagen? Sie beiahen, wie konnt er das, ohne die gröbeſte Beleidigung aller übri- gen Iünger, und eines ieden insbeſondre, wie konnt er dies noch dazu in ihrer Gegenwart, vor ihren Augen? wie konnt er es aber auch vor ſich ſelbſt und ſeinem Gewiſſen, wie ohne die härteſte Selbſtvermeſſenheit? Sie verneinen dieſe Fra- ge, das konnt er gewis noch weniger, das wär ein Widerſpruch wider alle ſeine Empfindungen gewe- ſen, der, ie mehr dieſe izt aufgeregt waren, ihm um deſto unmöglicher ſein muſte. Sie denn gar unbeantwortet laſſen, ſie beſcheiden von ſich ableh- nen — auch das konnte, das wollte Petrus ge- wis am allerwenigſten, denn das hätte ia ausge- ſehen, wie eine neue, eine würkliche Verläugnung Ieſu. Stillſchweigend hätt er ſie, nicht beiaht, ſondern verneint. Gewis ſchwebte auch ſchon eine Antwort auf ſeinen Lippen, ſo wie Ieſus den Mund zu einer Frage an ihn nur öfnete. Aber ſeine Lippen bebten doch wohl, eh er dieſe Frage beantwortete. Fiel ihm ein Zwiſchengedanke bei: ſo war es natürlich auch der: “warum thut der &q;Herr
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Unſer Herr,
und beſchämt; vor dieſer Frage des Herrn, und
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zuſammentreffenden, Blik ſeiner Mitiünger errö-
thend, und im innern guten Bewußtſein, was doch
eine große Schuld ihm vorwarf, die er indeß ſchon
getilgt glaubte, ſich mit Mühe erheiternd! Be-
troffen mußt er von dieſer Frage werden, er mogte
ſie nehmen, wie er wollte. Ob er Jeſum lieber
habe, wie ſeine andern Iünger ihn gehabt hätten,
ihn noch izt hätten — welch eine Frage! und
was ſollt er dazu ſagen? Sie beiahen, wie konnt
er das, ohne die gröbeſte Beleidigung aller übri-
gen Iünger, und eines ieden insbeſondre, wie
konnt er dies noch dazu in ihrer Gegenwart, vor
ihren Augen? wie konnt er es aber auch vor ſich
ſelbſt und ſeinem Gewiſſen, wie ohne die härteſte
Selbſtvermeſſenheit? Sie verneinen dieſe Fra-
ge, das konnt er gewis noch weniger, das wär ein
Widerſpruch wider alle ſeine Empfindungen gewe-
ſen, der, ie mehr dieſe izt aufgeregt waren, ihm
um deſto unmöglicher ſein muſte. Sie denn gar
unbeantwortet laſſen, ſie beſcheiden von ſich ableh-
nen — auch das konnte, das wollte Petrus ge-
wis am allerwenigſten, denn das hätte ia ausge-
ſehen, wie eine neue, eine würkliche Verläugnung
Ieſu. Stillſchweigend hätt er ſie, nicht beiaht,
ſondern verneint. Gewis ſchwebte auch ſchon
eine Antwort auf ſeinen Lippen, ſo wie Ieſus den
Mund zu einer Frage an ihn nur öfnete. Aber
ſeine Lippen bebten doch wohl, eh er dieſe Frage
beantwortete. Fiel ihm ein Zwiſchengedanke bei:
ſo war es natürlich auch der: “warum thut der
&q;Herr
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