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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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mit seinen Jüngern.
insbesondre, der vielleicht auch bei diesem Rang-
streit der Wortführer gewesen war. Er will
es zurüknehmen das, hier, wie er nun selbst
einsieht, ganz zur Unzeit angebrachte, ganz übel
geführte, Wort, darum weigert er sich, Jesu die
Füße herzuhalten, um sie, nach der gewöhnlichen
Höflichkeit, die ein Wirth seinen Gästen, selbst
oder doch durch andre, im Morgenlande zu bewei-
sen pflegte, mit Wasser zu begiessen. O wie ehr-
würdig erscheinst du mir, guter Petrus! in dieser
Schaam, wie liebenswürdig auch in der Ueberei-
lung, der du dich, nach ihr, gleich wieder über-
liessest! Wenn ich höre, wie bescheiden du dich
sträubst, dich bedienen zu lassen von deinem
Meister; wenn ich sehe, wie du deine Füße
verbirgst, als ob ihr Anblik etwas Unziemendes
für deinen heiligen Meister hätte, und wie du
seine Hand von dir abwehrst, als ob du dem zu-
vorkommen müßtest, was für sie etwas Ernie-
drigendes haben könnte; und wenn ich dann
wieder höre, wie du die unerwartete Antwort
deines Herrn erwartungsvoll aufnimmst; wenn
ich sehe, wie du nun Füße und Haupt und Hände
ihm darreichst, als wolltest du ihm alles zum
Opfer bringen: o so umarmt meine Sele die
deinige!

Bei dieser Handlung der Liebe, die gewis
die, ohnehin nie getrennten, Gemüther der Jün-
ger in Liebe wieder vereinte, gab Jesus ihnen schon
einen Wink, es sei unter ihnen ein Falscher, sein
und ihr gemeinschaftlicher Feind. Sollten sie
diesen Wink nicht verstanden haben, da sie doch

unter

mit ſeinen Jüngern.
insbeſondre, der vielleicht auch bei dieſem Rang-
ſtreit der Wortführer geweſen war. Er will
es zurüknehmen das, hier, wie er nun ſelbſt
einſieht, ganz zur Unzeit angebrachte, ganz übel
geführte, Wort, darum weigert er ſich, Jeſu die
Füße herzuhalten, um ſie, nach der gewöhnlichen
Höflichkeit, die ein Wirth ſeinen Gäſten, ſelbſt
oder doch durch andre, im Morgenlande zu bewei-
ſen pflegte, mit Waſſer zu begieſſen. O wie ehr-
würdig erſcheinſt du mir, guter Petrus! in dieſer
Schaam, wie liebenswürdig auch in der Ueberei-
lung, der du dich, nach ihr, gleich wieder über-
lieſſeſt! Wenn ich höre, wie beſcheiden du dich
ſträubſt, dich bedienen zu laſſen von deinem
Meiſter; wenn ich ſehe, wie du deine Füße
verbirgſt, als ob ihr Anblik etwas Unziemendes
für deinen heiligen Meiſter hätte, und wie du
ſeine Hand von dir abwehrſt, als ob du dem zu-
vorkommen müßteſt, was für ſie etwas Ernie-
drigendes haben könnte; und wenn ich dann
wieder höre, wie du die unerwartete Antwort
deines Herrn erwartungsvoll aufnimmſt; wenn
ich ſehe, wie du nun Füße und Haupt und Hände
ihm darreichſt, als wollteſt du ihm alles zum
Opfer bringen: o ſo umarmt meine Sele die
deinige!

Bei dieſer Handlung der Liebe, die gewis
die, ohnehin nie getrennten, Gemüther der Jün-
ger in Liebe wieder vereinte, gab Jeſus ihnen ſchon
einen Wink, es ſei unter ihnen ein Falſcher, ſein
und ihr gemeinſchaftlicher Feind. Sollten ſie
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[27/0041] mit ſeinen Jüngern. insbeſondre, der vielleicht auch bei dieſem Rang- ſtreit der Wortführer geweſen war. Er will es zurüknehmen das, hier, wie er nun ſelbſt einſieht, ganz zur Unzeit angebrachte, ganz übel geführte, Wort, darum weigert er ſich, Jeſu die Füße herzuhalten, um ſie, nach der gewöhnlichen Höflichkeit, die ein Wirth ſeinen Gäſten, ſelbſt oder doch durch andre, im Morgenlande zu bewei- ſen pflegte, mit Waſſer zu begieſſen. O wie ehr- würdig erſcheinſt du mir, guter Petrus! in dieſer Schaam, wie liebenswürdig auch in der Ueberei- lung, der du dich, nach ihr, gleich wieder über- lieſſeſt! Wenn ich höre, wie beſcheiden du dich ſträubſt, dich bedienen zu laſſen von deinem Meiſter; wenn ich ſehe, wie du deine Füße verbirgſt, als ob ihr Anblik etwas Unziemendes für deinen heiligen Meiſter hätte, und wie du ſeine Hand von dir abwehrſt, als ob du dem zu- vorkommen müßteſt, was für ſie etwas Ernie- drigendes haben könnte; und wenn ich dann wieder höre, wie du die unerwartete Antwort deines Herrn erwartungsvoll aufnimmſt; wenn ich ſehe, wie du nun Füße und Haupt und Hände ihm darreichſt, als wollteſt du ihm alles zum Opfer bringen: o ſo umarmt meine Sele die deinige! Bei dieſer Handlung der Liebe, die gewis die, ohnehin nie getrennten, Gemüther der Jün- ger in Liebe wieder vereinte, gab Jeſus ihnen ſchon einen Wink, es ſei unter ihnen ein Falſcher, ſein und ihr gemeinſchaftlicher Feind. Sollten ſie dieſen Wink nicht verſtanden haben, da ſie doch unter

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/41>, abgerufen am 21.11.2024.