Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.Unser Herr er des Selenleidens Jesu am Oelberg nicht, dennaufs treffendste war dies schon von den andern Evangelisten geschildert, darum gedenkt er aber eines andern, hiemit sehr nah verwandten, Umstands, dessen die andern Evangelisten nicht erwähnen, des Umstands nämlich, daß Jesus schon bei seinem, doch so feierlich scheinenden, Einzug in Jerusalem ganz ähnliche Empfindungen, wie sie in Gethsemane ihn überfielen, gehabt, und sie auf ganz ähnliche Art mit wenigen, aber kräftigen, Worten ausgedrukt habe. Johannes, der immer an der Seite Jesu zu doch
Unſer Herr er des Selenleidens Jeſu am Oelberg nicht, dennaufs treffendſte war dies ſchon von den andern Evangeliſten geſchildert, darum gedenkt er aber eines andern, hiemit ſehr nah verwandten, Umſtands, deſſen die andern Evangeliſten nicht erwähnen, des Umſtands nämlich, daß Jeſus ſchon bei ſeinem, doch ſo feierlich ſcheinenden, Einzug in Jeruſalem ganz ähnliche Empfindungen, wie ſie in Gethſemane ihn überfielen, gehabt, und ſie auf ganz ähnliche Art mit wenigen, aber kräftigen, Worten ausgedrukt habe. Johannes, der immer an der Seite Jeſu zu doch
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Unſer Herr
er des Selenleidens Jeſu am Oelberg nicht, denn
aufs treffendſte war dies ſchon von den andern
Evangeliſten geſchildert, darum gedenkt er aber
eines andern, hiemit ſehr nah verwandten,
Umſtands, deſſen die andern Evangeliſten nicht
erwähnen, des Umſtands nämlich, daß Jeſus ſchon
bei ſeinem, doch ſo feierlich ſcheinenden, Einzug
in Jeruſalem ganz ähnliche Empfindungen, wie
ſie in Gethſemane ihn überfielen, gehabt, und ſie
auf ganz ähnliche Art mit wenigen, aber kräftigen,
Worten ausgedrukt habe.
Johannes, der immer an der Seite Jeſu zu
Tiſche lag, ſo, daß ſein Haupt die Bruſt des
Herrn ſanft berührte, ging ihm vermuthlich auf
dieſem Wege nach Jeruſalem beſtändig zur Seite,
und ſo hatte er aus dem eignen Munde Jeſu, viel-
leicht als ein, ihm, dem aufmerkſamſten, bedäch-
tigſten, theilnehmendſten Hörer mit zugewandtes,
Selbſtgeſpräch, was er hier anführt, und was
uns ſehr wigtig ſein muß, wie ſchon an ſich, ſo
auch beſonders im frommen Nachdenken über das,
eigentlich ſo genannte, Selenleiden am Oelberge.
“Jzt iſt meine Sele betrübt,” ſo ſprach Jeſus
bei dem lauten Freudengeſchrei des Volks, das
ihn, wie im Triumph nach Jeruſalem hineinbe-
gleitete, leiſe vor ſich hin, ſo wie er der Stadt
immer näher kam, izt iſt meine Sele betrübt,
und was ſoll ich ſagen? Vater, hilf mir
aus dieſer Stunde! doch darum bin ich in
dieſe Stunde kommen. Die Stunde, um deren
Abwendung hier Jeſus bat, und in die er ſich
gleichwohl fand, wie in ſeine Beſtimmung, war
doch
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