Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.gefangen in des Hohenpriesters Pallast. suchenden Liebe nach Petrus, und dieser Schall,und dieser Blik drang dem Petrus durchs Herz, und aus seinen Augen tröpfelten nun Thränen, so stark und so heiß, wie die Schweistropfen, die Jesus am Oelberge vergoß. So ward denn in eben dem Augenblikke, in schär-
gefangen in des Hohenprieſters Pallaſt. ſuchenden Liebe nach Petrus, und dieſer Schall,und dieſer Blik drang dem Petrus durchs Herz, und aus ſeinen Augen tröpfelten nun Thränen, ſo ſtark und ſo heiß, wie die Schweistropfen, die Jeſus am Oelberge vergoß. So ward denn in eben dem Augenblikke, in ſchär-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="79"/><fw place="top" type="header">gefangen in des Hohenprieſters Pallaſt.</fw><lb/> ſuchenden Liebe nach Petrus, und dieſer Schall,<lb/> und dieſer Blik drang dem Petrus durchs Herz,<lb/> und aus ſeinen Augen tröpfelten nun Thränen,<lb/> ſo ſtark und ſo heiß, wie die Schweistropfen, die<lb/> Jeſus am Oelberge vergoß.</p><lb/> <p>So ward denn in eben dem Augenblikke, in<lb/> welchem die Gefangenſchaft Jeſu veſter ward, die<lb/> Freiheit Petri gewis. Der Gefangne befreite<lb/> ihn von dem Dienſt der Sünde, in den er ſich ſchon<lb/> hinein gab, ſo wie er die erſte Lüge ausgab. Wie<lb/> tief blikte Jeſus in die Sele des Petrus, wie er<lb/> auf dem Wege nach dem Oelberge zu ihm ſagte:<lb/> “Simon, Simon, der Satan hat euer begehret,<lb/> &q;daß er euch ſichten mögte, wie den Weizen, ꝛc.”<lb/> Wie wankte, wie fiel hier bei der dreimaligen<lb/> Verläugnung Jeſu, deren Petrus ſich ſchuldig<lb/> machte, ſein Glaube, wie nahe war er am Aufhö-<lb/> ren; wie nahe war Petrus daran, ſich in der Hand<lb/> des Satans gebrauchen, ſich von ihm ſäen zu laſ-<lb/> ſen, wie der Feind in ſeines Nachbaren geſäuber-<lb/> tes Feld Unkraut unter den Weizen ſäet. Denn<lb/> der Satan iſt nicht beſtanden in der Wahrheit.<lb/> Wenn er die Lügen redet: ſo redet er von ſeinem<lb/> Eigenen. So redete Petrus ſchon von dem Ei-<lb/> genen des Satans, wie er die erſte Lüge, und<lb/> eine <hi rendition="#fr">ſolche</hi> Lüge, mit einem <hi rendition="#fr">ſolchen</hi> ſcheinbaren<lb/><hi rendition="#fr">Wahrheitseifer</hi> ausſprach und bekräftigte.<lb/> Aber — er iſt nicht beſtanden in der Lüge, ſondern<lb/> hat ſich wieder von ihr gewandt zur Wahrheit,<lb/> ſich ganz wieder hingewandt nach ſeinem Herrn,<lb/> der <hi rendition="#fr">zu ihm</hi> ſich wandte, und ihn <hi rendition="#fr">anblikte.</hi> Die-<lb/> ſer Blik, dieſer einzige Blik des Herrn drang<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſchär-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [79/0093]
gefangen in des Hohenprieſters Pallaſt.
ſuchenden Liebe nach Petrus, und dieſer Schall,
und dieſer Blik drang dem Petrus durchs Herz,
und aus ſeinen Augen tröpfelten nun Thränen,
ſo ſtark und ſo heiß, wie die Schweistropfen, die
Jeſus am Oelberge vergoß.
So ward denn in eben dem Augenblikke, in
welchem die Gefangenſchaft Jeſu veſter ward, die
Freiheit Petri gewis. Der Gefangne befreite
ihn von dem Dienſt der Sünde, in den er ſich ſchon
hinein gab, ſo wie er die erſte Lüge ausgab. Wie
tief blikte Jeſus in die Sele des Petrus, wie er
auf dem Wege nach dem Oelberge zu ihm ſagte:
“Simon, Simon, der Satan hat euer begehret,
&q;daß er euch ſichten mögte, wie den Weizen, ꝛc.”
Wie wankte, wie fiel hier bei der dreimaligen
Verläugnung Jeſu, deren Petrus ſich ſchuldig
machte, ſein Glaube, wie nahe war er am Aufhö-
ren; wie nahe war Petrus daran, ſich in der Hand
des Satans gebrauchen, ſich von ihm ſäen zu laſ-
ſen, wie der Feind in ſeines Nachbaren geſäuber-
tes Feld Unkraut unter den Weizen ſäet. Denn
der Satan iſt nicht beſtanden in der Wahrheit.
Wenn er die Lügen redet: ſo redet er von ſeinem
Eigenen. So redete Petrus ſchon von dem Ei-
genen des Satans, wie er die erſte Lüge, und
eine ſolche Lüge, mit einem ſolchen ſcheinbaren
Wahrheitseifer ausſprach und bekräftigte.
Aber — er iſt nicht beſtanden in der Lüge, ſondern
hat ſich wieder von ihr gewandt zur Wahrheit,
ſich ganz wieder hingewandt nach ſeinem Herrn,
der zu ihm ſich wandte, und ihn anblikte. Die-
ſer Blik, dieſer einzige Blik des Herrn drang
ſchär-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/93 |
Zitationshilfe: | Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/93>, abgerufen am 16.02.2025. |