Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 5. H. Daß alle andere Gem. Neig.
dem die Lust oder Schmertz den Menschen stark
oder plötzlich ziehet/ nach dem kriegt auch die Ge-
mühts-Neigung einen andern Nahmen; Also
ist Freude und Bestürtzung/ Furcht und Er-
schrecken unterschieden. Bestürtzung ist nichts
anders als eine starcke und unversehene Freu-
de (oder Hoffnung/) und Erschrecken ist nichts
anders als eine starcke und unversehene Furcht
(oder Schmertz.) m)

8. So berühret auch hiernechst (4) die Lust
oder der Schmertz uns unmittelbar oder vermit-
telst anderer Personen/
die wir lieben oder has-
sen. Also ist ein anders Geld-Ehr-uud Wohl-
lust-Liebe/
ein anders AEmulation und Neid.
Denn AEmulation ist nichts anders als die Be-
gierde eines Gutes/ das ein anderer/ den wir
nicht lieben/ gerne haben will: Und der Neid
ist die Begierde/ daß ein anderer/ den wir nicht
lieben/
seines Gutes beraubet werden möge. Al-
so ist Zorn ein anders/ ein anders Aergernüs/
(indignatio) ein anders Barmhertzigkeit.
Zorn
entstehet daraus/ wenn mir selbst etwas
zu Leide geschiehet; Aergernüs und Barmher-
tzigkeit
über dem Schmertz eines andern/ und
zwar Aergernüs mit der intention an dem Be-
leidigenden ihn zu rächen. Barmhertzigkeit mit
der intention dem Beleidigten zu helffen.

9. Die Dauerung der Gemühts-Neigun-
gen macht auch (5) unterschiedene Benennun-

gen
m) Conf. tamen dictae cap. 3. n. 64.

Das 5. H. Daß alle andere Gem. Neig.
dem die Luſt oder Schmertz den Menſchen ſtark
oder ploͤtzlich ziehet/ nach dem kriegt auch die Ge-
muͤhts-Neigung einen andern Nahmen; Alſo
iſt Freude und Beſtuͤrtzung/ Furcht und Er-
ſchrecken unterſchieden. Beſtuͤrtzung iſt nichts
anders als eine ſtarcke und unverſehene Freu-
de (oder Hoffnung/) und Erſchrecken iſt nichts
anders als eine ſtarcke und unverſehene Furcht
(oder Schmertz.) m)

8. So beruͤhret auch hiernechſt (4) die Luſt
oder der Schmertz uns unmittelbar oder vermit-
telſt anderer Perſonen/
die wir lieben oder haſ-
ſen. Alſo iſt ein anders Geld-Ehr-uud Wohl-
luſt-Liebe/
ein anders Æmulation und Neid.
Denn Æmulation iſt nichts anders als die Be-
gierde eines Gutes/ das ein anderer/ den wir
nicht lieben/ gerne haben will: Und der Neid
iſt die Begierde/ daß ein anderer/ den wir nicht
liebẽ/
ſeines Gutes beraubet werden moͤge. Al-
ſo iſt Zorn ein anders/ ein anders Aergernuͤs/
(indignatio) ein anders Barmhertzigkeit.
Zorn
entſtehet daraus/ wenn mir ſelbſt etwas
zu Leide geſchiehet; Aergernuͤs und Barmher-
tzigkeit
uͤber dem Schmertz eines andern/ und
zwar Aergernuͤs mit der intention an dem Be-
leidigenden ihn zu raͤchen. Barmhertzigkeit mit
der intention dem Beleidigten zu helffen.

9. Die Dauerung der Gemuͤhts-Neigun-
gen macht auch (5) unterſchiedene Benennun-

gen
m) Conf. tamen dictæ cap. 3. n. 64.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="132"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 5. H. Daß alle andere Gem. Neig.</hi></fw><lb/>
dem die Lu<hi rendition="#fr">&#x017F;t</hi> oder S<hi rendition="#fr">chmertz</hi> den Men&#x017F;chen <hi rendition="#fr">&#x017F;tark</hi><lb/>
oder <hi rendition="#fr">plo&#x0364;tzlich</hi> ziehet/ nach dem kriegt auch die Ge-<lb/>
mu&#x0364;hts-Neigung einen andern Nahmen; Al&#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Freude</hi> und <hi rendition="#fr">Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung/ Furcht</hi> und Er-<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;chrecken</hi> unter&#x017F;chieden. <hi rendition="#fr">Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung</hi> i&#x017F;t nichts<lb/>
anders als eine <hi rendition="#fr">&#x017F;tarcke</hi> und <hi rendition="#fr">unver&#x017F;ehene</hi> Freu-<lb/>
de (oder Hoffnung/) und <hi rendition="#fr">Er&#x017F;chrecken</hi> i&#x017F;t nichts<lb/>
anders als eine <hi rendition="#fr">&#x017F;tarcke</hi> und <hi rendition="#fr">unver&#x017F;ehene</hi> Furcht<lb/>
(oder Schmertz.) <note place="foot" n="m)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Conf. tamen dictæ cap. 3. n.</hi> 64.</hi></note></p><lb/>
        <p>8. So beru&#x0364;hret auch hiernech&#x017F;t (4) die Lu&#x017F;t<lb/>
oder der Schmertz uns unmittelbar oder <hi rendition="#fr">vermit-<lb/>
tel&#x017F;t anderer Per&#x017F;onen/</hi> die wir lieben oder ha&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Al&#x017F;o i&#x017F;t ein anders <hi rendition="#fr">Geld-Ehr-</hi>uud <hi rendition="#fr">Wohl-<lb/>
lu&#x017F;t-Liebe/</hi> ein anders <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Æmulation</hi></hi> und N<hi rendition="#fr">eid.</hi><lb/>
Denn <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Æmulation</hi></hi> i&#x017F;t nichts anders als die Be-<lb/>
gierde <hi rendition="#fr">eines Gutes/</hi> das ein <hi rendition="#fr">anderer/</hi> den wir<lb/><hi rendition="#fr">nicht lieben/</hi> gerne <hi rendition="#fr">haben will:</hi> Und der Neid<lb/>
i&#x017F;t die Begierde/ daß ein <hi rendition="#fr">anderer/</hi> den wir <hi rendition="#fr">nicht<lb/>
liebe&#x0303;/</hi> &#x017F;eines Gutes <hi rendition="#fr">beraubet werden mo&#x0364;ge.</hi> Al-<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Zorn</hi> ein anders/ ein anders <hi rendition="#fr">Aergernu&#x0364;s/</hi><lb/>
(<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">indignatio</hi></hi>) ein anders <hi rendition="#fr">Barmhertzigkeit.<lb/>
Zorn</hi> ent&#x017F;tehet daraus/ wenn <hi rendition="#fr">mir &#x017F;elb&#x017F;t</hi> etwas<lb/>
zu Leide ge&#x017F;chiehet; A<hi rendition="#fr">ergernu&#x0364;s</hi> und <hi rendition="#fr">Barmher-<lb/>
tzigkeit</hi> u&#x0364;ber dem Schmertz eines <hi rendition="#fr">andern/</hi> und<lb/>
zwar <hi rendition="#fr">Aergernu&#x0364;s</hi> mit der <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">intention</hi></hi> an dem Be-<lb/><hi rendition="#fr">leidigenden</hi> ihn zu ra&#x0364;chen. Barmhertzigkeit mit<lb/>
der <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">intention</hi></hi> dem <hi rendition="#fr">Beleidigten</hi> zu helffen.</p><lb/>
        <p>9. Die <hi rendition="#fr">Dauerung</hi> der Gemu&#x0364;hts-Neigun-<lb/>
gen macht auch (5) unter&#x017F;chiedene Benennun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0144] Das 5. H. Daß alle andere Gem. Neig. dem die Luſt oder Schmertz den Menſchen ſtark oder ploͤtzlich ziehet/ nach dem kriegt auch die Ge- muͤhts-Neigung einen andern Nahmen; Alſo iſt Freude und Beſtuͤrtzung/ Furcht und Er- ſchrecken unterſchieden. Beſtuͤrtzung iſt nichts anders als eine ſtarcke und unverſehene Freu- de (oder Hoffnung/) und Erſchrecken iſt nichts anders als eine ſtarcke und unverſehene Furcht (oder Schmertz.) m) 8. So beruͤhret auch hiernechſt (4) die Luſt oder der Schmertz uns unmittelbar oder vermit- telſt anderer Perſonen/ die wir lieben oder haſ- ſen. Alſo iſt ein anders Geld-Ehr-uud Wohl- luſt-Liebe/ ein anders Æmulation und Neid. Denn Æmulation iſt nichts anders als die Be- gierde eines Gutes/ das ein anderer/ den wir nicht lieben/ gerne haben will: Und der Neid iſt die Begierde/ daß ein anderer/ den wir nicht liebẽ/ ſeines Gutes beraubet werden moͤge. Al- ſo iſt Zorn ein anders/ ein anders Aergernuͤs/ (indignatio) ein anders Barmhertzigkeit. Zorn entſtehet daraus/ wenn mir ſelbſt etwas zu Leide geſchiehet; Aergernuͤs und Barmher- tzigkeit uͤber dem Schmertz eines andern/ und zwar Aergernuͤs mit der intention an dem Be- leidigenden ihn zu raͤchen. Barmhertzigkeit mit der intention dem Beleidigten zu helffen. 9. Die Dauerung der Gemuͤhts-Neigun- gen macht auch (5) unterſchiedene Benennun- gen m) Conf. tamen dictæ cap. 3. n. 64.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/144
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/144>, abgerufen am 21.11.2024.