Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite
Das 9. H. Von der Wohllust

24. Wiederumb ist mir wohl bekant/ daß
es viel wohllüstige Leute gebe/ die Profession ma-
chen auch das keuscheste Weibes-Volck in
Versuchung zu bringen/
und bey allen sich
durch höfliche und verschlagene Weise zu insinu-
iren wissen/ das Frauenvolck mit grosser Venera-
tion
bedienen/ und viel verwirrte Händel verbor-
gener und verbotener Lust auff dem Halse haben/
dabey aber sich nicht leicht voll sauffen/ und
für dem bestialischen Schwelgen der andern
einen Abscheu haben/
und sich mit denenielben
am wenigsten comportiren können. Aber des-
halben folget wiederumb nicht/ daß sie ihre Lust
nicht im Essen und Trincken haben solten. Die-
se Lebens-Art/ die sie führen/ kommt nicht von der
Wollust/ sondern von dem Ehrgeitz her/ der
mit ihrer Wollust starck gemischt ist. Sie fres-
sen und sauffen ja so gerne was gutes als die er-
sten; Aber sie fressen und sauffen es nicht in so
grosser Menge/
und so ohne Scheu als jene/ die
wegen Mangel des Ehrgeitzes keinen Heel ihres
bestialischen Wesens haben. Dannenhero auch
dieser ihr Ehrgeitz den Sachen andere Nahmen
giebt. Sie fressen nicht/ sondern sie schmausen
und essen zu Gaste;
Sie sauffen nicht/ sondern
trincken sich ein klein und erbar Räuschgen/
wie sie denn auch nicht huren/ sondern das Frau-
enzimmer bedienen/ oder
caressiren. Aber ein
Philosophus kehret sich nicht an den Hoff-stylum,
sondern siehet denen Sachen in ihr Wesen/ wie sie
sind/ nicht wie sie genennet werden.

25.
Das 9. H. Von der Wohlluſt

24. Wiederumb iſt mir wohl bekant/ daß
es viel wohlluͤſtige Leute gebe/ die Profesſion ma-
chen auch das keuſcheſte Weibes-Volck in
Verſuchung zu bringen/
und bey allen ſich
durch hoͤfliche und verſchlagene Weiſe zu inſinu-
iren wiſſen/ das Frauenvolck mit groſſer Venera-
tion
bedienen/ und viel verwirrte Haͤndel verbor-
gener und verbotener Luſt auff dem Halſe haben/
dabey aber ſich nicht leicht voll ſauffen/ und
fuͤr dem beſtialiſchen Schwelgen der andern
einen Abſcheu haben/
und ſich mit denenielben
am wenigſten comportiren koͤnnen. Aber des-
halben folget wiederumb nicht/ daß ſie ihre Luſt
nicht im Eſſen und Trincken haben ſolten. Die-
ſe Lebens-Art/ die ſie fuͤhren/ kom̃t nicht von der
Wolluſt/ ſondern von dem Ehrgeitz her/ der
mit ihrer Wolluſt ſtarck gemiſcht iſt. Sie freſ-
ſen und ſauffen ja ſo gerne was gutes als die er-
ſten; Aber ſie freſſen und ſauffen es nicht in ſo
groſſer Menge/
und ſo ohne Scheu als jene/ die
wegen Mangel des Ehrgeitzes keinen Heel ihres
beſtialiſchen Weſens haben. Dannenhero auch
dieſer ihr Ehrgeitz den Sachen andere Nahmen
giebt. Sie freſſen nicht/ ſondern ſie ſchmauſen
und eſſen zu Gaſte;
Sie ſauffen nicht/ ſondern
trincken ſich ein klein und erbar Raͤuſchgen/
wie ſie denn auch nicht huren/ ſondern das Frau-
enzimmer bedienen/ oder
caresſiren. Aber ein
Philoſophus kehret ſich nicht an den Hoff-ſtylum,
ſondern ſiehet denẽ Sachen in ihr Weſen/ wie ſie
ſind/ nicht wie ſie genennet werden.

25.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0208" n="196"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das 9. H. Von der Wohllu&#x017F;t</hi> </fw><lb/>
        <p>24. Wiederumb i&#x017F;t mir wohl bekant/ daß<lb/>
es viel wohllu&#x0364;&#x017F;tige Leute gebe/ <hi rendition="#fr">die</hi> <hi rendition="#aq">Profes&#x017F;ion</hi> <hi rendition="#fr">ma-<lb/>
chen auch das keu&#x017F;che&#x017F;te Weibes-Volck in<lb/>
Ver&#x017F;uchung zu bringen/</hi> und bey allen &#x017F;ich<lb/>
durch ho&#x0364;fliche und ver&#x017F;chlagene Wei&#x017F;e zu <hi rendition="#aq">in&#x017F;inu-</hi><lb/>
iren wi&#x017F;&#x017F;en/ das Frauenvolck mit gro&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">Venera-<lb/>
tion</hi> bedienen/ und viel verwirrte Ha&#x0364;ndel verbor-<lb/>
gener und verbotener Lu&#x017F;t auff dem Hal&#x017F;e haben/<lb/>
dabey aber <hi rendition="#fr">&#x017F;ich nicht leicht voll &#x017F;auffen/ und<lb/>
fu&#x0364;r dem be&#x017F;tiali&#x017F;chen Schwelgen der andern<lb/>
einen Ab&#x017F;cheu haben/</hi> und &#x017F;ich mit denenielben<lb/>
am wenig&#x017F;ten <hi rendition="#aq">comporti</hi>ren ko&#x0364;nnen. Aber des-<lb/>
halben folget wiederumb nicht/ daß &#x017F;ie ihre Lu&#x017F;t<lb/>
nicht im E&#x017F;&#x017F;en und Trincken haben &#x017F;olten. Die-<lb/>
&#x017F;e Lebens-Art/ die &#x017F;ie fu&#x0364;hren/ kom&#x0303;t nicht von der<lb/>
Wollu&#x017F;t/ &#x017F;ondern <hi rendition="#fr">von dem Ehrgeitz</hi> her/ der<lb/>
mit ihrer Wollu&#x017F;t &#x017F;tarck gemi&#x017F;cht i&#x017F;t. Sie fre&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en und &#x017F;auffen ja &#x017F;o gerne was gutes als die er-<lb/>
&#x017F;ten; Aber &#x017F;ie fre&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;auffen es <hi rendition="#fr">nicht in &#x017F;o<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er Menge/</hi> und &#x017F;o ohne Scheu als jene/ die<lb/>
wegen Mangel des Ehrgeitzes keinen Heel ihres<lb/>
be&#x017F;tiali&#x017F;chen We&#x017F;ens haben. Dannenhero auch<lb/>
die&#x017F;er ihr Ehrgeitz den Sachen andere Nahmen<lb/>
giebt. Sie fre&#x017F;&#x017F;en nicht/ &#x017F;ondern &#x017F;ie <hi rendition="#fr">&#x017F;chmau&#x017F;en<lb/>
und e&#x017F;&#x017F;en zu Ga&#x017F;te;</hi> Sie &#x017F;auffen nicht/ &#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#fr">trincken &#x017F;ich ein klein und erbar Ra&#x0364;u&#x017F;chgen/</hi><lb/>
wie &#x017F;ie denn auch nicht huren/ &#x017F;ondern <hi rendition="#fr">das Frau-<lb/>
enzimmer bedienen/ oder</hi> <hi rendition="#aq">cares&#x017F;i</hi>ren. Aber ein<lb/><hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophus</hi> kehret &#x017F;ich nicht an den Hoff-<hi rendition="#aq">&#x017F;tylum,</hi><lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;iehet dene&#x0303; Sachen in ihr We&#x017F;en/ wie &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind/ nicht wie &#x017F;ie genennet werden.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">25.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0208] Das 9. H. Von der Wohlluſt 24. Wiederumb iſt mir wohl bekant/ daß es viel wohlluͤſtige Leute gebe/ die Profesſion ma- chen auch das keuſcheſte Weibes-Volck in Verſuchung zu bringen/ und bey allen ſich durch hoͤfliche und verſchlagene Weiſe zu inſinu- iren wiſſen/ das Frauenvolck mit groſſer Venera- tion bedienen/ und viel verwirrte Haͤndel verbor- gener und verbotener Luſt auff dem Halſe haben/ dabey aber ſich nicht leicht voll ſauffen/ und fuͤr dem beſtialiſchen Schwelgen der andern einen Abſcheu haben/ und ſich mit denenielben am wenigſten comportiren koͤnnen. Aber des- halben folget wiederumb nicht/ daß ſie ihre Luſt nicht im Eſſen und Trincken haben ſolten. Die- ſe Lebens-Art/ die ſie fuͤhren/ kom̃t nicht von der Wolluſt/ ſondern von dem Ehrgeitz her/ der mit ihrer Wolluſt ſtarck gemiſcht iſt. Sie freſ- ſen und ſauffen ja ſo gerne was gutes als die er- ſten; Aber ſie freſſen und ſauffen es nicht in ſo groſſer Menge/ und ſo ohne Scheu als jene/ die wegen Mangel des Ehrgeitzes keinen Heel ihres beſtialiſchen Weſens haben. Dannenhero auch dieſer ihr Ehrgeitz den Sachen andere Nahmen giebt. Sie freſſen nicht/ ſondern ſie ſchmauſen und eſſen zu Gaſte; Sie ſauffen nicht/ ſondern trincken ſich ein klein und erbar Raͤuſchgen/ wie ſie denn auch nicht huren/ ſondern das Frau- enzimmer bedienen/ oder caresſiren. Aber ein Philoſophus kehret ſich nicht an den Hoff-ſtylum, ſondern ſiehet denẽ Sachen in ihr Weſen/ wie ſie ſind/ nicht wie ſie genennet werden. 25.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/208
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/208>, abgerufen am 18.12.2024.