Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 11. H. von dem Geld-Geitz/ hitzige Geträncke. Er intendirt, indem er trinckt/seinen Durst zu stillen; aber je mehr er trinckt/ je mehr durstet ihn/ und je mehr Begierde bekom- met er zu trincken. Eben weil ein Mensch in der Veränderung Ruhe suchet/ so suchet er dieselbe vergebens: Wenn Veränderung nicht immer verändert/ dünckt es uns keine Veränderung. Frühling/ Sommer/ Herbst/ Winter/ Tag und Nacht sind ja Veränderungen genung; aber weil sie stets auf einander folgen/ und in ihrer Folge keine Veränderung oder was neues ist/ so halten wir solches für keine Veränderung. Ver- änderung wird der Ruhe entgegen gesetzt/ und also ist offenbar/ daß/ wer seine Ruhe in der Ver- änderung sucht/ selbe in der Unruhe suche/ das ist/ selbe vergebens suche. Gleich wie ein Gei- tziger/ wenn er zehen Thaler hat/ auf hundert/ von dar auf tausend u. s. w. denckt; Also würde er auch/ wenn er 100000. Millionen hätte/ auf eine neue Multipsication derselben dencken: Wenn er alles Gold in der Erde hätte/ würde er doch trachten/ durch den Lapidem Philosophi- cum alles wie Midas zu Golde zu machen. 11. Und also findet auch ein Geitziger Rech-
Das 11. H. von dem Geld-Geitz/ hitzige Getraͤncke. Er intendirt, indem er trinckt/ſeinen Durſt zu ſtillen; aber je mehr er trinckt/ je mehr durſtet ihn/ und je mehr Begierde bekom- met er zu trincken. Eben weil ein Menſch in der Veraͤnderung Ruhe ſuchet/ ſo ſuchet er dieſelbe vergebens: Wenn Veraͤnderung nicht immer veraͤndert/ duͤnckt es uns keine Veraͤnderung. Fruͤhling/ Sommer/ Herbſt/ Winter/ Tag und Nacht ſind ja Veraͤnderungen genung; aber weil ſie ſtets auf einander folgen/ und in ihrer Folge keine Veraͤnderung oder was neues iſt/ ſo halten wir ſolches fuͤr keine Veraͤnderung. Ver- aͤnderung wird der Ruhe entgegen geſetzt/ und alſo iſt offenbar/ daß/ wer ſeine Ruhe in der Ver- aͤnderung ſucht/ ſelbe in der Unruhe ſuche/ das iſt/ ſelbe vergebens ſuche. Gleich wie ein Gei- tziger/ wenn er zehen Thaler hat/ auf hundert/ von dar auf tauſend u. ſ. w. denckt; Alſo wuͤrde er auch/ wenn er 100000. Millionen haͤtte/ auf eine neue Multipſication derſelben dencken: Wenn er alles Gold in der Erde haͤtte/ wuͤrde er doch trachten/ durch den Lapidem Philoſophi- cum alles wie Midas zu Golde zu machen. 11. Und alſo findet auch ein Geitziger Rech-
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Das 11. H. von dem Geld-Geitz/
hitzige Getraͤncke. Er intendirt, indem er trinckt/
ſeinen Durſt zu ſtillen; aber je mehr er trinckt/ je
mehr durſtet ihn/ und je mehr Begierde bekom-
met er zu trincken. Eben weil ein Menſch in der
Veraͤnderung Ruhe ſuchet/ ſo ſuchet er dieſelbe
vergebens: Wenn Veraͤnderung nicht immer
veraͤndert/ duͤnckt es uns keine Veraͤnderung.
Fruͤhling/ Sommer/ Herbſt/ Winter/ Tag
und Nacht ſind ja Veraͤnderungen genung; aber
weil ſie ſtets auf einander folgen/ und in ihrer
Folge keine Veraͤnderung oder was neues iſt/ ſo
halten wir ſolches fuͤr keine Veraͤnderung. Ver-
aͤnderung wird der Ruhe entgegen geſetzt/ und
alſo iſt offenbar/ daß/ wer ſeine Ruhe in der Ver-
aͤnderung ſucht/ ſelbe in der Unruhe ſuche/ das
iſt/ ſelbe vergebens ſuche. Gleich wie ein Gei-
tziger/ wenn er zehen Thaler hat/ auf hundert/
von dar auf tauſend u. ſ. w. denckt; Alſo wuͤrde
er auch/ wenn er 100000. Millionen haͤtte/ auf
eine neue Multipſication derſelben dencken:
Wenn er alles Gold in der Erde haͤtte/ wuͤrde er
doch trachten/ durch den Lapidem Philoſophi-
cum alles wie Midas zu Golde zu machen.
11. Und alſo findet auch ein Geitziger
in ſeinem Geitz eine unendliche Unruhe. Sein
Leben reichet nicht zu/ wann er gleich Methuſalæ
Alter haben ſolte/ nur das baare Geld/ das in
der Welt iſt/ ja nicht einmahl nur die Species
und Arten von denen alten und neuen Muͤntz-
Sorten/ Schauſtuͤcken u. ſ. w. zu zehlen oder in
Rech-
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