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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 11. H. von dem Geld-Geitz/
Wohllüstige entweder mit guten Worten; oder
durch Betrug sich leichte was abschwatzen läst/
der Ehr-Geitzige aber für einen point d' honneur
hält/ Leuten die ihn veneriren/ für ihre Reve-
renze
und Schmeicheleyen baar Geld zu ge-
ben.

17. Jedoch ist kein Geitziger bey Wohllü-
stigen und Ehr-Geitzigen angenehm/
wenn
sie ihn kennen lernen. Denn obwohl ein Wohllü-
stiger nicht gerne in der Conversation Ehr-Gei-
tziger Leute ist/ und ein Ehr-Geitziger gleichfals
an der Lust der Wohllüstigen keinen Gefallen
hat/ so werden sie doch bey habender Wahl lie-
ber mit einander als mit Geitzigen umgehen/ und
tragen für diesen einen rechten Abscheu; Ein
Wohllüstiger wegen des Geitzigen Lauserey/
Schindhündigkeit und Melancholischen Art/ ein
Ehr-Geitziger aber theils wegen seiner irresolu-
tion
und Furcht/ theils gleichfals wegen seiner
Lauserey.

18. So bestehet demnach der wesentliche
Unterscheid
des Geld-Geitzes von der raison-
nablen
Liebe/ Wohllust und Ehr-Geitz darin-
nen/ daß ein Geitziger von aller Menschen-
Liebe gäntzlich entblösset ist.
Wo unser Schatz
ist/ da ist unser Hertz. So wenig wir an zwey
Dinge zugleich gedencken können/ so wenig kön-
nen wir auch zwey Dinge zugleich lieben/ son-
dern es muß nothwendig deren eines dem andern
weichen/ so ferne sie einander zuwider sind. Nun

ist

Das 11. H. von dem Geld-Geitz/
Wohlluͤſtige entweder mit guten Worten; oder
durch Betrug ſich leichte was abſchwatzen laͤſt/
der Ehr-Geitzige aber fuͤr einen point d’ honneur
haͤlt/ Leuten die ihn veneriren/ fuͤr ihre Reve-
renze
und Schmeicheleyen baar Geld zu ge-
ben.

17. Jedoch iſt kein Geitziger bey Wohlluͤ-
ſtigen und Ehr-Geitzigen angenehm/
wenn
ſie ihn kennen lernen. Denn obwohl ein Wohlluͤ-
ſtiger nicht gerne in der Converſation Ehr-Gei-
tziger Leute iſt/ und ein Ehr-Geitziger gleichfals
an der Luſt der Wohlluͤſtigen keinen Gefallen
hat/ ſo werden ſie doch bey habender Wahl lie-
ber mit einander als mit Geitzigen umgehen/ und
tragen fuͤr dieſen einen rechten Abſcheu; Ein
Wohlluͤſtiger wegen des Geitzigen Lauſerey/
Schindhuͤndigkeit und Melancholiſchen Art/ ein
Ehr-Geitziger aber theils wegen ſeiner irreſolu-
tion
und Furcht/ theils gleichfals wegen ſeiner
Lauſerey.

18. So beſtehet demnach der weſentliche
Unterſcheid
des Geld-Geitzes von der raiſon-
nablen
Liebe/ Wohlluſt und Ehr-Geitz darin-
nen/ daß ein Geitziger von aller Menſchen-
Liebe gaͤntzlich entbloͤſſet iſt.
Wo unſeꝛ Schatz
iſt/ da iſt unſer Hertz. So wenig wir an zwey
Dinge zugleich gedencken koͤnnen/ ſo wenig koͤn-
nen wir auch zwey Dinge zugleich lieben/ ſon-
dern es muß nothwendig deren eines dem andern
weichen/ ſo ferne ſie einander zuwider ſind. Nun

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[272/0284] Das 11. H. von dem Geld-Geitz/ Wohlluͤſtige entweder mit guten Worten; oder durch Betrug ſich leichte was abſchwatzen laͤſt/ der Ehr-Geitzige aber fuͤr einen point d’ honneur haͤlt/ Leuten die ihn veneriren/ fuͤr ihre Reve- renze und Schmeicheleyen baar Geld zu ge- ben. 17. Jedoch iſt kein Geitziger bey Wohlluͤ- ſtigen und Ehr-Geitzigen angenehm/ wenn ſie ihn kennen lernen. Denn obwohl ein Wohlluͤ- ſtiger nicht gerne in der Converſation Ehr-Gei- tziger Leute iſt/ und ein Ehr-Geitziger gleichfals an der Luſt der Wohlluͤſtigen keinen Gefallen hat/ ſo werden ſie doch bey habender Wahl lie- ber mit einander als mit Geitzigen umgehen/ und tragen fuͤr dieſen einen rechten Abſcheu; Ein Wohlluͤſtiger wegen des Geitzigen Lauſerey/ Schindhuͤndigkeit und Melancholiſchen Art/ ein Ehr-Geitziger aber theils wegen ſeiner irreſolu- tion und Furcht/ theils gleichfals wegen ſeiner Lauſerey. 18. So beſtehet demnach der weſentliche Unterſcheid des Geld-Geitzes von der raiſon- nablen Liebe/ Wohlluſt und Ehr-Geitz darin- nen/ daß ein Geitziger von aller Menſchen- Liebe gaͤntzlich entbloͤſſet iſt. Wo unſeꝛ Schatz iſt/ da iſt unſer Hertz. So wenig wir an zwey Dinge zugleich gedencken koͤnnen/ ſo wenig koͤn- nen wir auch zwey Dinge zugleich lieben/ ſon- dern es muß nothwendig deren eines dem andern weichen/ ſo ferne ſie einander zuwider ſind. Nun iſt

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/284>, abgerufen am 21.11.2024.