Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

der drey Haupt-Laster.
Anstrich des neidischen Schadenfroh. Der
Verstand
aber verlieret hierbey nicht viel/
sondern bekommt zum guten Ingenio und Judicio
noch einen Zusatz von einen guten Gedächtniß.

6. Wie aber die mixtur des Ehrgeitzes und
der Wollust viel admiratores und aestim er-
wecket/ also entstehet aus der Mischung des
Ehr
und Geldgeitzes mehr Furcht und äußer-
licher
respect, auch Vermögen grosse so wohl
gewaltige als listige Dinge in der Welt zu thun.
Die Mischung der hartnäckigten Stöckischheit
des Ehrgeitzes/ mit der Tückischen simulirung
und Lügen des Geldgeitzes/ gewinnet das An-
sehen einer für der Welt sonderlich klugen Ver-
schwiegenheit/
die man haben muß/ wenn man
grosse Dinge ausrichten will. Es macht diese
mixtur solche Leute die sich an Hofe zu geheimen
Sachen wohl schicken/ die sich rühmen können/
daß wenn ihr Hembde ihre Geheimnüße wissen
solte/ sie es nicht am Leibe leiden wolten; die in
Gesellschafften nichts als wohlbedachte Worte
reden; die alle Worte gleichsam auff die Wage
legen/ was sie reden wollen; die ihre Begierden
nicht in Worte lassen ausbrechen/ sondern sich
meisterlich zu verbergen wissen; die zur simula-
tion
und dissimulation sich vortrefflich und also
nach der Politicorum gemeinen Regeln sich
überaus wohl zum herrschen schicken. Hat
nun der Ehrgeitz zu der mixtur ein klein wenig

mehr

der drey Haupt-Laſter.
Anſtrich des neidiſchen Schadenfroh. Der
Verſtand
aber verlieret hierbey nicht viel/
ſondern bekom̃t zum guten Ingenio und Judicio
noch einen Zuſatz von einen guten Gedaͤchtniß.

6. Wie aber die mixtur des Ehrgeitzes und
der Wolluſt viel admiratores und æſtim er-
wecket/ alſo entſtehet aus der Miſchung des
Ehr
und Geldgeitzes mehr Furcht und aͤußer-
licher
reſpect, auch Vermoͤgen groſſe ſo wohl
gewaltige als liſtige Dinge in der Welt zu thun.
Die Miſchung der hartnaͤckigten Stoͤckiſchheit
des Ehrgeitzes/ mit der Tuͤckiſchen ſimulirung
und Luͤgen des Geldgeitzes/ gewinnet das An-
ſehen einer fuͤr der Welt ſonderlich klugen Ver-
ſchwiegenheit/
die man haben muß/ wenn man
groſſe Dinge ausrichten will. Es macht dieſe
mixtur ſolche Leute die ſich an Hofe zu geheimen
Sachen wohl ſchicken/ die ſich ruͤhmen koͤnnen/
daß wenn ihr Hembde ihre Geheimnuͤße wiſſen
ſolte/ ſie es nicht am Leibe leiden wolten; die in
Geſellſchafften nichts als wohlbedachte Worte
reden; die alle Worte gleichſam auff die Wage
legen/ was ſie reden wollen; die ihre Begierden
nicht in Worte laſſen ausbrechen/ ſondern ſich
meiſterlich zu verbergen wiſſen; die zur ſimula-
tion
und diſſimulation ſich vortrefflich und alſo
nach der Politicorum gemeinen Regeln ſich
uͤberaus wohl zum herrſchen ſchicken. Hat
nun der Ehrgeitz zu der mixtur ein klein wenig

mehr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0327" n="315"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der drey Haupt-La&#x017F;ter.</hi></fw><lb/>
An&#x017F;trich des neidi&#x017F;chen Schadenfroh. <hi rendition="#fr">Der<lb/>
Ver&#x017F;tand</hi> aber <hi rendition="#fr">verlieret hierbey nicht viel/</hi><lb/>
&#x017F;ondern bekom&#x0303;t zum guten <hi rendition="#aq">Ingenio</hi> und <hi rendition="#aq">Judicio</hi><lb/>
noch einen Zu&#x017F;atz von einen guten Geda&#x0364;chtniß.</p><lb/>
        <p>6. Wie aber die <hi rendition="#aq">mixtur</hi> des Ehrgeitzes und<lb/>
der Wollu&#x017F;t viel <hi rendition="#aq">admiratores</hi> und <hi rendition="#aq">æ&#x017F;tim</hi> er-<lb/>
wecket/ al&#x017F;o ent&#x017F;tehet aus der Mi&#x017F;chung <hi rendition="#fr">des<lb/>
Ehr</hi> und <hi rendition="#fr">Geldgeitzes</hi> mehr <hi rendition="#fr">Furcht</hi> und <hi rendition="#fr">a&#x0364;ußer-<lb/>
licher</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">re&#x017F;pect</hi>,</hi> auch <hi rendition="#fr">Vermo&#x0364;gen</hi> gro&#x017F;&#x017F;e &#x017F;o wohl<lb/>
gewaltige als li&#x017F;tige Dinge in der Welt zu thun.<lb/>
Die Mi&#x017F;chung der hartna&#x0364;ckigten Sto&#x0364;cki&#x017F;chheit<lb/>
des Ehrgeitzes/ mit der Tu&#x0364;cki&#x017F;chen <hi rendition="#aq">&#x017F;imuli</hi>rung<lb/>
und Lu&#x0364;gen des Geldgeitzes/ gewinnet das An-<lb/>
&#x017F;ehen einer fu&#x0364;r der Welt <hi rendition="#fr">&#x017F;onderlich klugen Ver-<lb/>
&#x017F;chwiegenheit/</hi> die man haben muß/ wenn man<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Dinge ausrichten will. Es macht die&#x017F;e<lb/><hi rendition="#aq">mixtur</hi> &#x017F;olche Leute die &#x017F;ich an Hofe zu geheimen<lb/>
Sachen wohl &#x017F;chicken/ die &#x017F;ich ru&#x0364;hmen ko&#x0364;nnen/<lb/>
daß wenn ihr Hembde ihre Geheimnu&#x0364;ße wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;olte/ &#x017F;ie es nicht am Leibe leiden wolten; die in<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften nichts als wohlbedachte Worte<lb/>
reden; die alle Worte gleich&#x017F;am auff die Wage<lb/>
legen/ was &#x017F;ie reden wollen; die ihre Begierden<lb/>
nicht in Worte la&#x017F;&#x017F;en ausbrechen/ &#x017F;ondern &#x017F;ich<lb/>
mei&#x017F;terlich zu verbergen wi&#x017F;&#x017F;en; die zur <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">&#x017F;imula-<lb/>
tion</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">di&#x017F;&#x017F;imulation</hi></hi> &#x017F;ich vortrefflich und al&#x017F;o<lb/>
nach der <hi rendition="#aq">Politicorum</hi> gemeinen Regeln &#x017F;ich<lb/>
u&#x0364;beraus wohl zum herr&#x017F;chen &#x017F;chicken. Hat<lb/>
nun der <hi rendition="#fr">Ehrgeitz</hi> zu der <hi rendition="#aq">mixtur</hi> ein klein wenig<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mehr</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0327] der drey Haupt-Laſter. Anſtrich des neidiſchen Schadenfroh. Der Verſtand aber verlieret hierbey nicht viel/ ſondern bekom̃t zum guten Ingenio und Judicio noch einen Zuſatz von einen guten Gedaͤchtniß. 6. Wie aber die mixtur des Ehrgeitzes und der Wolluſt viel admiratores und æſtim er- wecket/ alſo entſtehet aus der Miſchung des Ehr und Geldgeitzes mehr Furcht und aͤußer- licher reſpect, auch Vermoͤgen groſſe ſo wohl gewaltige als liſtige Dinge in der Welt zu thun. Die Miſchung der hartnaͤckigten Stoͤckiſchheit des Ehrgeitzes/ mit der Tuͤckiſchen ſimulirung und Luͤgen des Geldgeitzes/ gewinnet das An- ſehen einer fuͤr der Welt ſonderlich klugen Ver- ſchwiegenheit/ die man haben muß/ wenn man groſſe Dinge ausrichten will. Es macht dieſe mixtur ſolche Leute die ſich an Hofe zu geheimen Sachen wohl ſchicken/ die ſich ruͤhmen koͤnnen/ daß wenn ihr Hembde ihre Geheimnuͤße wiſſen ſolte/ ſie es nicht am Leibe leiden wolten; die in Geſellſchafften nichts als wohlbedachte Worte reden; die alle Worte gleichſam auff die Wage legen/ was ſie reden wollen; die ihre Begierden nicht in Worte laſſen ausbrechen/ ſondern ſich meiſterlich zu verbergen wiſſen; die zur ſimula- tion und diſſimulation ſich vortrefflich und alſo nach der Politicorum gemeinen Regeln ſich uͤberaus wohl zum herrſchen ſchicken. Hat nun der Ehrgeitz zu der mixtur ein klein wenig mehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/327
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/327>, abgerufen am 30.11.2024.