Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.der drey Hauptlaster. sen Jrrthum/ der wohl einer von denen Haupt-Jrrthümern/ durch welchen die Heydnische Philosophie von der Wahrheit der wahren Weißheit abgegangen/ mag genennet werden/ gründlich und deutlich zu begreiffen/ und sich nicht betriegen zu lassen/ daß man aus dem euserlichen Thun und Lassen eines Menschen sofort von der innerlichen Beschaffenheit seines Hertzens urtheile/ und entweder aus einer action, wenn die geringste Ge- müths-Neigung durch eine nicht gesuchte Gele- genheit starck irritiret worden/ alsbald schliesse/ daß diese passion die herrschende passion eines Menschen sey: oder aus denen eine zeitlang von aussen gehinderten/ oder mit Fleiß dissimulirten Gemüts-Neigungen deren geringe Krafft in dem Hertzen eines Menschen beurtheile. Dieses ist die gröste Kunst in der Erkäntniß sein selbst und anderer Menschen/ den euserlichen Schein von dem Hertzen des Menschen zu entscheiden. Gre- gorius Leti hat in dem Leben des Pabsts Sixti V. gar ein artiges Exempel fürgestellet eines Mannes/ der von der untersten Staffel eines Sautreibers biß auff die höchste Staffel der er- langten Pabst-Würde steigende/ allezeit eine grimmige/ rachgierige Herrschsucht oder Ehrgeitz zur obersten Gemüths-Neigung gehabt/ ob wohl dieselbe gantz auf eine andre Art sich bey ihm als einen Sautreiber/ hernach als einen Münch/ u. s. w. und endlich als einen Pabst von aussen bli- Bb 3
der drey Hauptlaſter. ſen Jrrthum/ der wohl einer von denen Haupt-Jrrthuͤmern/ durch welchen die Heydniſche Philoſophie von der Wahrheit der wahren Weißheit abgegangen/ mag genennet werden/ gruͤndlich und deutlich zu begreiffen/ und ſich nicht betriegen zu laſſen/ daß man aus dem euſerlichen Thun und Laſſen eines Menſchen ſofort von der innerlichen Beſchaffenheit ſeines Hertzens urtheile/ und entweder aus einer action, wenn die geringſte Ge- muͤths-Neigung durch eine nicht geſuchte Gele- genheit ſtarck irritiret worden/ alsbald ſchlieſſe/ daß dieſe paſſion die herrſchende paſſion eines Menſchen ſey: oder aus denen eine zeitlang von auſſen gehinderten/ oder mit Fleiß diſſimulirten Gemuͤts-Neigungen deren geringe Kꝛafft in dem Hertzen eines Menſchen beurtheile. Dieſes iſt die groͤſte Kunſt in der Erkaͤntniß ſein ſelbſt und anderer Menſchen/ den euſerlichen Schein von dem Hertzen des Menſchen zu entſcheiden. Gre- gorius Leti hat in dem Leben des Pabſts Sixti V. gar ein artiges Exempel fuͤrgeſtellet eines Mannes/ der von der unterſten Staffel eines Sautreibers biß auff die hoͤchſte Staffel der er- langten Pabſt-Wuͤrde ſteigende/ allezeit eine grimmige/ rachgierige Herrſchſucht oder Ehrgeitz zur oberſten Gemuͤths-Neigung gehabt/ ob wohl dieſelbe gantz auf eine andre Art ſich bey ihm als einen Sautreiber/ hernach als einen Muͤnch/ u. ſ. w. und endlich als einen Pabſt von auſſen bli- Bb 3
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Jrrthuͤmern/ durch welchen die Heydniſche
Philoſophie von der Wahrheit der wahren
Weißheit abgegangen/ mag genennet werden/
gruͤndlich und deutlich zu begreiffen/ und ſich
nicht betriegen zu laſſen/ daß man aus dem
euſerlichen Thun und Laſſen eines Menſchen
ſofort von der innerlichen Beſchaffenheit
ſeines Hertzens urtheile/ und entweder aus
einer action, wenn die geringſte Ge-
muͤths-Neigung durch eine nicht geſuchte Gele-
genheit ſtarck irritiret worden/ alsbald ſchlieſſe/
daß dieſe paſſion die herrſchende paſſion eines
Menſchen ſey: oder aus denen eine zeitlang von
auſſen gehinderten/ oder mit Fleiß diſſimulirten
Gemuͤts-Neigungen deren geringe Kꝛafft in dem
Hertzen eines Menſchen beurtheile. Dieſes iſt
die groͤſte Kunſt in der Erkaͤntniß ſein ſelbſt und
anderer Menſchen/ den euſerlichen Schein von
dem Hertzen des Menſchen zu entſcheiden. Gre-
gorius Leti hat in dem Leben des Pabſts Sixti
V. gar ein artiges Exempel fuͤrgeſtellet eines
Mannes/ der von der unterſten Staffel eines
Sautreibers biß auff die hoͤchſte Staffel der er-
langten Pabſt-Wuͤrde ſteigende/ allezeit eine
grimmige/ rachgierige Herrſchſucht oder Ehrgeitz
zur oberſten Gemuͤths-Neigung gehabt/ ob wohl
dieſelbe gantz auf eine andre Art ſich bey ihm als
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/401>, abgerufen am 26.06.2024. |