Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.böse Affecten zu dämpffen. barmungs-würdig/ daß/ da Aristoteles sagt: EinJüngling sey kein geschickter Zuhörer der Sitten-Lehre; Da seine Nachfolger denen jungen Leuten dieses gemeiniglich bey Anfang derer Collegiorum einschärffen; dennoch jene mit so grossem Ernst jungen Leuten solche Col- legia halten/ und diese mit so grosser Beständig- keit und aestim diese Collegia besuchen/ derge- stalt/ daß ich nicht weiß/ welcher unter ihnen beyden am thörigsten handele. Sind junge Leu- te wächsern/ und können leicht zu denen Lastern verleitet werden/ so sind sie auch wächsern/ zu der Tugend angeführet zu werden. Sind sie gleich unbeständig/ so sind sie doch noch nicht ver- härtet/ und ihre bösen Begierden haben noch so grosse Wurtzel nicht gefaßt. Wenn das männ- liche Alter für sich etwas zum tugendlichen Le- ben contribuirte/ so dürffte die Sitten-Lehre weder von jungen Leuten studiret werden/ weil sie nach derselben Meinung hierzu unge- schickt wären/ noch von Männern/ weil ihnen das Alter für sich gute Sitten beybrächte/ wenn sie nur vorher in ihrer Jugend/ wie man zu reden pfleget/ recht verraset hätten. Aber wenn ein Mensch in seiner Jugend nicht morat wird/ wird es viel schwerer im Alter zugehen. Je eher man anfängt/ seine Thorheit zu betrachten/ und sich das Gute anzugewehnen/ je eher und leichter gehet es von statten. Ein wohl gezo- gen Kind von sechs oder sieben Jahren kan die/ so H h 4
boͤſe Affecten zu daͤmpffen. barmungs-wuͤrdig/ daß/ da Ariſtoteles ſagt: EinJuͤngling ſey kein geſchickter Zuhoͤrer der Sitten-Lehre; Da ſeine Nachfolger denen jungen Leuten dieſes gemeiniglich bey Anfang derer Collegiorum einſchaͤrffen; dennoch jene mit ſo groſſem Ernſt jungen Leuten ſolche Col- legia halten/ und dieſe mit ſo groſſer Beſtaͤndig- keit und æſtim dieſe Collegia beſuchen/ derge- ſtalt/ daß ich nicht weiß/ welcher unter ihnen beyden am thoͤrigſten handele. Sind junge Leu- te waͤchſern/ und koͤnnen leicht zu denen Laſtern verleitet werden/ ſo ſind ſie auch waͤchſern/ zu der Tugend angefuͤhret zu werden. Sind ſie gleich unbeſtaͤndig/ ſo ſind ſie doch noch nicht ver- haͤrtet/ und ihre boͤſen Begierden haben noch ſo groſſe Wurtzel nicht gefaßt. Wenn das maͤnn- liche Alter fuͤr ſich etwas zum tugendlichen Le- ben contribuirte/ ſo duͤrffte die Sitten-Lehre weder von jungen Leuten ſtudiret werden/ weil ſie nach derſelben Meinung hierzu unge- ſchickt waͤren/ noch von Maͤnnern/ weil ihnen das Alter fuͤr ſich gute Sitten beybraͤchte/ wenn ſie nur vorher in ihrer Jugend/ wie man zu reden pfleget/ recht verraſet haͤtten. Aber wenn ein Menſch in ſeiner Jugend nicht morat wird/ wird es viel ſchwerer im Alter zugehen. Je eher man anfaͤngt/ ſeine Thorheit zu betrachten/ und ſich das Gute anzugewehnen/ je eher und leichter gehet es von ſtatten. Ein wohl gezo- gen Kind von ſechs oder ſieben Jahren kan die/ ſo H h 4
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boͤſe Affecten zu daͤmpffen.
barmungs-wuͤrdig/ daß/ da Ariſtoteles ſagt: Ein
Juͤngling ſey kein geſchickter Zuhoͤrer der
Sitten-Lehre; Da ſeine Nachfolger denen
jungen Leuten dieſes gemeiniglich bey Anfang
derer Collegiorum einſchaͤrffen; dennoch jene
mit ſo groſſem Ernſt jungen Leuten ſolche Col-
legia halten/ und dieſe mit ſo groſſer Beſtaͤndig-
keit und æſtim dieſe Collegia beſuchen/ derge-
ſtalt/ daß ich nicht weiß/ welcher unter ihnen
beyden am thoͤrigſten handele. Sind junge Leu-
te waͤchſern/ und koͤnnen leicht zu denen Laſtern
verleitet werden/ ſo ſind ſie auch waͤchſern/ zu
der Tugend angefuͤhret zu werden. Sind ſie
gleich unbeſtaͤndig/ ſo ſind ſie doch noch nicht ver-
haͤrtet/ und ihre boͤſen Begierden haben noch ſo
groſſe Wurtzel nicht gefaßt. Wenn das maͤnn-
liche Alter fuͤr ſich etwas zum tugendlichen Le-
ben contribuirte/ ſo duͤrffte die Sitten-Lehre
weder von jungen Leuten ſtudiret werden/
weil ſie nach derſelben Meinung hierzu unge-
ſchickt waͤren/ noch von Maͤnnern/ weil ihnen
das Alter fuͤr ſich gute Sitten beybraͤchte/ wenn
ſie nur vorher in ihrer Jugend/ wie man zu reden
pfleget/ recht verraſet haͤtten. Aber wenn ein
Menſch in ſeiner Jugend nicht morat wird/
wird es viel ſchwerer im Alter zugehen. Je
eher man anfaͤngt/ ſeine Thorheit zu betrachten/
und ſich das Gute anzugewehnen/ je eher und
leichter gehet es von ſtatten. Ein wohl gezo-
gen Kind von ſechs oder ſieben Jahren kan die/
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