Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 15. H. von der Unzulängligkeit unserer Seelen nicht schaden könten/ wenn sie"nur so viel Vorrath bey sich selbst habe/ daß sie" damit vergnügt seyn könte/ sondern daß da-" durch vielmehr das Vergnügen der Seelen ge-" mehret werde/ wenn sie merckte/ daß sie von" ihnen nicht verletzet werden könne/ indem ihr" solches diene/ ihre Stärcke und Vollkommen-" heit zu erkennen; Es brauchte aber die Seele" zu dieser ihrer Vergnügung nicht mehr/ als daß" sie der Tugend rechtschaffen nachstrebe. Denn" wer also gelebet habe/ daß ihm sein Gewissen" nicht vorwerffen könne/ daß er jemals unter-" lassen habe/ das zu thun/ was er vor das Beste" gehalten/ (welches eben die Nachstrebung der" Tugend sey/) der empfinde ein solches Ver-" gnügen/ welches kräfftig genung sey/ ihn glück-" lich zu machen. Dergestalt/ daß auch die sehr" starcken Bewegungen der Affecten niemalen" vermögend genung wären/ seine Gemüths-" Ruhe zu turbiren. Anderswo (f) wil er gar" behaupten/ daß keine Seele so schwach sey/ die" nicht könne so gut angeführet werden/ daß sie" eine vollkommene Gewalt über ihre Affecten" erlange/ so wohl dieselbe zu erregen/ als zu di-" rigiren. Und zu Ende des Tractats (g) giebt Cartesius eine General-Regel wider den Exceß aller Gemüths-Neigungen: Daß wenn man" eine starcke Bewegung in seinem Gemüthe em-" pfinde/ man sich versichern müsse/ daß alles" das (f) part, 1. Art. 15. (g) part. 3. Art. 211.
Das 15. H. von der Unzulaͤngligkeit unſerer Seelen nicht ſchaden koͤnten/ wenn ſie„nur ſo viel Vorrath bey ſich ſelbſt habe/ daß ſie„ damit vergnuͤgt ſeyn koͤnte/ ſondern daß da-„ durch vielmehr das Vergnuͤgen der Seelen ge-„ mehret werde/ wenn ſie merckte/ daß ſie von„ ihnen nicht verletzet werden koͤnne/ indem ihr„ ſolches diene/ ihre Staͤrcke und Vollkommen-„ heit zu erkennen; Es brauchte aber die Seele„ zu dieſer ihrer Vergnuͤgung nicht mehr/ als daß„ ſie der Tugend rechtſchaffen nachſtrebe. Denn„ wer alſo gelebet habe/ daß ihm ſein Gewiſſen„ nicht vorwerffen koͤnne/ daß er jemals unter-„ laſſen habe/ das zu thun/ was er vor das Beſte„ gehalten/ (welches eben die Nachſtrebung der„ Tugend ſey/) der empfinde ein ſolches Ver-„ gnuͤgen/ welches kraͤfftig genung ſey/ ihn gluͤck-„ lich zu machen. Dergeſtalt/ daß auch die ſehr„ ſtarcken Bewegungen der Affecten niemalen„ vermoͤgend genung waͤren/ ſeine Gemuͤths-„ Ruhe zu turbiren. Anderswo (f) wil er gar„ behaupten/ daß keine Seele ſo ſchwach ſey/ die„ nicht koͤnne ſo gut angefuͤhret werden/ daß ſie„ eine vollkommene Gewalt uͤber ihre Affecten„ erlange/ ſo wohl dieſelbe zu erregen/ als zu di-„ rigiren. Und zu Ende des Tractats (g) giebt Carteſius eine General-Regel wider den Exceß aller Gemuͤths-Neigungen: Daß wenn man„ eine ſtarcke Bewegung in ſeinem Gemuͤthe em-„ pfinde/ man ſich verſichern muͤſſe/ daß alles„ das (f) part, 1. Art. 15. (g) part. 3. Art. 211.
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Das 15. H. von der Unzulaͤngligkeit
unſerer Seelen nicht ſchaden koͤnten/ wenn ſie„
nur ſo viel Vorrath bey ſich ſelbſt habe/ daß ſie„
damit vergnuͤgt ſeyn koͤnte/ ſondern daß da-„
durch vielmehr das Vergnuͤgen der Seelen ge-„
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ſolches diene/ ihre Staͤrcke und Vollkommen-„
heit zu erkennen; Es brauchte aber die Seele„
zu dieſer ihrer Vergnuͤgung nicht mehr/ als daß„
ſie der Tugend rechtſchaffen nachſtrebe. Denn„
wer alſo gelebet habe/ daß ihm ſein Gewiſſen„
nicht vorwerffen koͤnne/ daß er jemals unter-„
laſſen habe/ das zu thun/ was er vor das Beſte„
gehalten/ (welches eben die Nachſtrebung der„
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lich zu machen. Dergeſtalt/ daß auch die ſehr„
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vermoͤgend genung waͤren/ ſeine Gemuͤths-„
Ruhe zu turbiren. Anderswo (f) wil er gar„
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nicht koͤnne ſo gut angefuͤhret werden/ daß ſie„
eine vollkommene Gewalt uͤber ihre Affecten„
erlange/ ſo wohl dieſelbe zu erregen/ als zu di-„
rigiren. Und zu Ende des Tractats (g) giebt
Carteſius eine General-Regel wider den Exceß
aller Gemuͤths-Neigungen: Daß wenn man„
eine ſtarcke Bewegung in ſeinem Gemuͤthe em-„
pfinde/ man ſich verſichern muͤſſe/ daß alles„
das
(f) part, 1. Art. 15.
(g) part. 3. Art. 211.
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