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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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Das 3. H. von der Geschickligkeit
genen Verstande nehmen/ biß die höchste
Noth uns davon abzuweichen antreibet.

Die Juristen haben dieselbige erst auff die
Bahne gebracht/ aber sie hat so wenig
Grund als die vorige. Und ich halte/ wenn
man nur ein wenig die Leges Pandectarum,
die von Testamenten handeln/ durchgehen
wolte/ so würde man befinden/ daß ja so viel
casus drinnen enthalten wären/ in welchen
die Juristen die Testaments-Worte figürlich/
als nach ihrem eigenen Verstande/ ausgele-
get.

114. Und gleichwohl hat man auff diese
Regel gleich als auff eine unstreitige War-
heit
so grossen Grund gebauet/ daß man sich
derselben auch in denen schweresten Streit-
Fragen
mit grosser Zerrüttung der allge-
meinen Ruhe bißhero bedienet hat/ und noch
bedienet.

115. Denn alle dergleichen Regeln in der
Lehre von der Auslegung sind zu nichts taug-
licher als das leidige Gezäncke unruhiger
Köpffe zu unterhalten/ und die sophiste-
rey
en und die Unweißheit unter der Larve
einer sonderlichen Weißheit zuverstellen.

116. Und eben dieses Absehen hat auch

die

Das 3. H. von der Geſchickligkeit
genen Verſtande nehmen/ biß die hoͤchſte
Noth uns davon abzuweichen antreibet.

Die Juriſten haben dieſelbige erſt auff die
Bahne gebracht/ aber ſie hat ſo wenig
Grund als die vorige. Und ich halte/ wenn
man nur ein wenig die Leges Pandectarum,
die von Teſtamenten handeln/ durchgehen
wolte/ ſo wuͤrde man befinden/ daß ja ſo viel
caſus drinnen enthalten waͤren/ in welchen
die Juriſten die Teſtaments-Worte figürlich/
als nach ihrem eigenen Verſtande/ ausgele-
get.

114. Und gleichwohl hat man auff dieſe
Regel gleich als auff eine unſtreitige War-
heit
ſo groſſen Grund gebauet/ daß man ſich
derſelben auch in denen ſchwereſten Streit-
Fragen
mit groſſer Zerruͤttung der allge-
meinen Ruhe bißhero bedienet hat/ und noch
bedienet.

115. Denn alle dergleichen Regeln in der
Lehre von der Auslegung ſind zu nichts taug-
licher als das leidige Gezaͤncke unruhiger
Koͤpffe zu unterhalten/ und die ſophiſte-
rey
en und die Unweißheit unter der Larve
einer ſonderlichen Weißheit zuverſtellen.

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[210/0236] Das 3. H. von der Geſchickligkeit genen Verſtande nehmen/ biß die hoͤchſte Noth uns davon abzuweichen antreibet. Die Juriſten haben dieſelbige erſt auff die Bahne gebracht/ aber ſie hat ſo wenig Grund als die vorige. Und ich halte/ wenn man nur ein wenig die Leges Pandectarum, die von Teſtamenten handeln/ durchgehen wolte/ ſo wuͤrde man befinden/ daß ja ſo viel caſus drinnen enthalten waͤren/ in welchen die Juriſten die Teſtaments-Worte figürlich/ als nach ihrem eigenen Verſtande/ ausgele- get. 114. Und gleichwohl hat man auff dieſe Regel gleich als auff eine unſtreitige War- heit ſo groſſen Grund gebauet/ daß man ſich derſelben auch in denen ſchwereſten Streit- Fragen mit groſſer Zerruͤttung der allge- meinen Ruhe bißhero bedienet hat/ und noch bedienet. 115. Denn alle dergleichen Regeln in der Lehre von der Auslegung ſind zu nichts taug- licher als das leidige Gezaͤncke unruhiger Koͤpffe zu unterhalten/ und die ſophiſte- reyen und die Unweißheit unter der Larve einer ſonderlichen Weißheit zuverſtellen. 116. Und eben dieſes Abſehen hat auch die

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/236>, abgerufen am 21.11.2024.